Durch SMS auf einem sichergestelltes Handy von Immobilienunternehmer Michael Tojner kamen die Ermittler auf den Verdacht gegen dessen Rechtsberater und guten Bekannten, den ehemaligen Justizminister Wolfgang Brandstetter.

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Am 25. Juni 2019 treffen Kriminalpolizei und Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in der Wiener Innenstadt beim Firmensitz des Immobilieninvestors Michael Tojner ein, um eine Hausdurchsuchung durchzuführen. Grund der Ermittlungen ist eine Betrugsanzeige des Landes Burgenland rund um den Kauf von gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften. Doch als die Ermittler zu Werke gehen, ist Tojner offenbar bereits informiert: Seine Anwältin ist vor Ort und teilt den Beamten freimütig mit, dass sie bereits über die Durchsuchung vorab im Bilde war.

Bereits damals leitet die WKStA wegen des Verdachts auf Verletzung des Amtsgeheimnisses ein Verfahren gegen Unbekannt ein. Die Staatsanwaltschaft Wien, die den Fall übernimmt, muss das Verfahren allerdings bereits einen Monat später mangels aussichtsreicher Ermittlungsansätze abbrechen. Erst Anfang Februar dieses Jahres nimmt die Causa wieder Fahrt auf – wie so oft basierend auf Chatprotokollen. Diese stammen aus einem sichergestellten Handy von Tojner, das die WKStA auswerten konnte.

Dreieck Tojner-Brandstetter-Pilnacek

Darin inbegriffen sind auch SMS aus dem Jahr 2019 zwischen Tojner und seinem damaligen Rechtsberater, dem Ex-Justizminister (2013-2017) und Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter. Immer wieder geht es in den Nachrichten um Brandstetters Draht zum damaligen Justiz-Generalsekretär Christian Pilnacek. Die pikanten Konversationen führten am Donnerstag nun dazu, dass die Staatsanwaltschaft Wien beim Verfassungsgerichtshof vorstellig wurde, um Brandstetters Laptop mitzunehmen – dem STANDARD liegt die Sicherstellungsanordnung vor. Brandstetter wird demnach als Beschuldigter wegen des Verdachts auf Anstiftung zur Verletzung von Amtsgeheimnissen geführt. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Die Staatsanwaltschaft führt an, dass Brandstetter im ersten Halbjahr 2019 für Tojner bei Pilnacek interveniert habe, um etwa im Vorfeld etwas über die Hausdurchsuchung bei dem prominenten Immobilienunternehmer zu erfahren. Aus den Chats – über die auch die "Presse" berichtet – gehe hervor, dass sich Brandstetter in dem Zeitraum mehrmals mit Pilnacek über Verfahren gegen Tojner austauschte. So etwa am 23. Jänner:

Tojner an Brandstetter: Hast du mit ihm (Pilnacek, Anm.) gesprochen?

Brandstetter an Tojner: Hatte ein sehr gutes Gespräch mit dem Generalsekretär, der das Email schon gelesen hat. Wir waren uns einig, dass aus rechtsstaatlichen Gründen alles vermieden werden muss, was den Schaden für das Unternehmen weiter vergrössert, und er wird darauf achten.

Wenige Wochen später berichtet Brandstetter Tojner erneut über Kontakt zu Pilnacek, woraufhin bereits über eine Hausdurchsuchung – Abkürzung HD – gemutmaßt wird:

Tojner: Gibts ein hd risiko?

Brandstetter: Das kannst du nicht ausschließen, aber Gott sei Dank haben die im Ministerium grundvernünftige Ansichten, was beruhigend ist...

Die Ermittler vermuten aufgrund des SMS-Verkehrs zwischen Tojner und Brandstetter überdies, dass es auch ein direktes Treffen zwischen dem Investor und dem mächtigen Justizbeamten im April 2019 gegeben hat:

Tojner: Wolfgang, kannst du garantieren, dass Herr Pilnacek kommt? Ich würde eher nur dann fahren, wenn er Herr Pilnacek (sic!) auch kommt...

Brandstetter: Der Termin ist am 26.4. Ich checke, ob Pilnacek kommt.

Im Juni entwickelte sich schließlich auch in Journalistenkreisen das Gerücht über eine mögliche Razzia bei Tojner. Die "Presse" fragte etwa am 14. Juni bei Tojners Anwältin nach, ob es bei ihrem Mandanten in den Tagen zuvor eine Hausdurchsuchung gegeben habe – tatsächlich fand sie erst elf Tage später am 25. Juni statt. Diesen Zeitablauf führt Tojners Rechtsvertretung nun auch ins Treffen, um den Verdacht der Infomationsweitergabe gegen Brandstetter zu bestreiten: Man habe eben durch Journalisten und nicht vom Ex-Minister über die Razzia erfahren. Es gibt auch einen Brief der Anwältin an die WKStA vom 24. Juni, in dem sie auf die Medienanfrage Bezug nimmt und Kooperation mit den Behörden anbietet, um das drastische Mittel einer Razzia zu verhindern.

"Pilnacek wäre wichtig"

Die Staatsanwaltschaft Wien argumentiert, dass daraus nicht erklärbar sei, woher Tojners Anwältin "das exakte Datum" der Durchsuchung vorab wissen konnte. Und hier kommt wieder die Konversation mit Brandstetter ins Spiel. Nur zwei Stunden nach der Medienanfrage am 14. Juni schreibt Brandstetter an Tojner: "Melde mich sobald wie möglich." Replik Tojner: "Pilnacek wäre wichtig." Hintergrund: Als Chef der Strafrechtssektion dürfte Pilnacek durch das Berichtswesen im Justizministerium über die Hausdurchsuchung Bescheid gewusst haben.

Einen Tag vor der Hausdurchsuchung intensiviert sich der Kontakt zwischen Tojner und Brandstetter, drei Telefonate bzw. Anrufversuche listen die Ermittler am 24. Juni auf. Am Nachmittag schreibt Brandstetter an Tojner: "Bin gerade im BMJ (Justizministerium, Anm.), melde mich sobald wie möglich." Kurz darauf rief Tojner offenbar zurück.

Venceremos

Aus einer morgendlichen SMS knapp zwei Stunden vor Eintreffen der Kriminalpolizei bei Tojners Firmensitz geht – nach Auffassung der jetzt ermittelnden Staatsanwaltschaft – bereits eine recht präzise Informationslage des Ex-Justizministers über die Hausdurchsuchung hervor:

Brandstetter an Tojner: Wenn die heute kommen: ganz ruhig bleiben...Rechtsmittel gegen diese HD machen absolut Sinn. Die betroffenen Anwälte werden Versiegelung beantragen, hab das gestern mit Karl noch besprochen. Bin per SMS erreichbar! Venceremos!

Brandstetters Anwalt Georg Krakow erklärte am Freitag der "Presse" zu dieser Nachricht, Brandstetter habe nicht gewusst, dass "heute" eine Razzia stattfinde. Er habe mit dem "Wenn" zu Beginn seiner SMS eigentlich ein "Falls" gemeint. Aus einem dem STANDARD vorliegenden Amtsvermerk der WKStA von Anfang Juli 2019 geht zudem nicht einwandfrei hervor, dass Tojners Anwältin den Ermittlern neben der Kenntnis über das Faktum der Hausdurchsuchung auch ein Vorabwissen über deren exaktes Datum kundtat.

Die Staatsanwaltschaft Wien leitet aus der Gesamtheit der Chats hingegen ab, dass Brandstetter bei Pilnacek war und von ihm den genauen Termin der Hausdurchsuchung erfahren hat und Tojner mitteilte. Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.

Brandstetter bleibt Höchstrichter

Während Justiz-Sektionschef Pilnacek am Donnerstag kurz nach Sicherstellung seines Diensthandys suspendiert wurde, bleibt Brandstetter als Mitglied des Verfassungsgerichtshofs weiterhin im Amt. "Sein Status als Beschuldigter in einem laufenden, offenen Verfahren sei nicht als Verhalten zu interpretieren, das der Achtung und dem Vertrauen, das sein Amt erfordert, widersprechen würde", erklärte VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter unter Verweis auf ein Gespräch mit Brandstetter am Freitag.

Am Samstag wurde bekannt, dass Grabenwarter einem Ersuchen nach Amtshilfe der Staatsanwaltschaft Wien nachgekommen ist und er persönlich bei den Ermittlern war. Worum es konkret geht, war vorerst nicht zu eruieren. Aus dem Verfassungsgericht hieß es, man habe dem Amtshilfeersuchen binnen weniger Stunden entsprochen. Dabei seien die notwendigen Maßnahmen zum Schutz des Beratungsgeheimnisses des VfGH getroffen worden. Nicht kommentiert wurde, ob der Präsident Unterlagen zur Behörde gebracht hat.

Brandstetter kritisiert Staatsanwaltschaft

Brandstetter sagte im Interview mit der Tageszeitung "Österreich", er bewerte das Auftauchen der Staatsanwaltschaft beim VfGH als "unnötig", da er ohnedies kooperativ sei. Den Verdacht der Informationsweitergabe bestreitet der Ex-Justizminister weiter, er selbst habe von Tojner über die geplante Hausdurchsuchung erfahren, weil dieser mit Journalistenanfragen konfrontiert war. Er habe Pilnacek aber schon zuvor als zuständigen Sektionschef darauf angesprochen, dass das Verfahren gegen Tojner in der besagten Causa Wohnungsgesellschaften "unverhältnismäßig" geführt werde und dadurch unnötige wirtschaftliche Schäden entstünden. (Theo Anders, Fabian Schmid, 27.2. 2020)