Das Magier-Duo Siegfried und Roy war weltweit für ihre waghalsigen Shows mit weißen Löwen und Tigern in Las Vegas bekannt. Die Interaktion mit den Großkatzen war für das begeisterte Publikum faszinierend, aber aufgrund der schweren Berechenbarkeit von Wildtieren immer ein Tanz auf Messers Schneide. Ihr Leben entsprach in vielerlei Hinsicht nicht der Norm. Illusionisten und Zauberer leben so wie viele Unternehmer immer an der Grenze. Sie sind es gewohnt das Unmögliche möglich zu machen. Übrigens ein schöner Wesenszug der Spezies Mensch. Mit dem Tod von Siegfried Fischbacher Mitte Jänner, der aus der deutschen Provinz kam, um die Welt zu erobern, geht eine Ära in Sin City zu Ende. In Zeiten der Corona-Pandemie haben nicht Künstler und Schauspieler die Bühne für sich, sondern Experten wie Mediziner, Virologen und Simulationsforscher. Einmal mehr stringent und nachvollziehbar und einmal weniger.

Auf der Suche nach der Wissenschaft: Wenn die Stunde der Experten schlägt

Durch verschiedene Aussagen und Expertisen fällt jedoch zunehmend der Vorhang der Glaubwürdigkeit und Akzeptanz in der Bevölkerung. Die Regeltreue der Österreicher geht nach bald einem Jahr der Krise in Richtung bestimmter Maßnahmen die Luft aus. Weniger ist in diesem Zusammenhang mehr. Anstatt am Anfang der Corona-Krise ehrlich zu sagen, dass man nicht weiß, wie gefährlich das Virus für welche Zielgruppen ist und wie schnell es sich verbreitet, sowie was die logischen Schlussfolgerungen und Konsequenzen wären, hat man laienpsychologisch auf die autoritäre Angstspirale gesetzt und von 100.000 Toten und dass jeder jemanden kennen wird, der an Corona verstorben ist, gesprochen. So wurden zwar anfangs die gewünschten Effekte erzielt, aber nachdem die Vorhersagen nicht eingetroffen sind, hat sich bei den Menschen eine Gewöhnung eingestellt. Alles ist im Leben eine Frage der Dosis und so wie bei Medikamenten und Impfstoffen ist ebenso mit dem psychosozialen Wirkstoff Angst mit Bedacht umzugehen. Dieses Fachgebiet wurde bei aller Krankheitsfixierung außer Acht gelassen und hat nun die lästige Nebenwirkung der immer mehr werdenden Corona-Leugner zur Folge.

Masken schützen!
Foto: AFP/CHRISTOF STACHE

Infantiler Wissenschaftsglaube

Ein weiterer zentraler Faktor ist die Annahme, dass “die Wissenschaft“, was auch immer man darunter verstehen mag (Sozialwissenschaften, Medizin, Physik, Philosophie...) unfehlbar ist. Fast könnte man annehmen, dass die Wissenschaft das neueste Glaubensbekenntnis des 21. Jahrhunderts ist. Viele denken, dass Erkenntnisse aus der Forschung analog zum Stoff in der Mittelschule in eine Dichotomie aus “richtig“ und “falsch“ einordenbar sind. So kann man natürlich leicht den Klugscheißer markieren und anderen erklären, wie die Welt funktioniert. Redet man aber mit Wissenschaftern und Forschern, so wird man schnell merken, dass sie mit Aussagen und Annahmen sehr vorsichtig sind und immer mit einer gewissen Fehlerwahrscheinlichkeit rechnen.

Tatsachen, die zu 100 Prozent der Realität entsprechen, wird man höchstwahrscheinlich selten finden. Wenn dann im Fernsehen Herren und Damen im weißen Kittel auftauchen und von bestimmten Garantien sprechen, ist nicht nur bei der Zahnpasta-Werbung eine gewisse Skepsis angebracht. Gerade in der Wissenschaft, in der es unter anderem den dialektischen Dreischritt von These, Antithese und Synthese gibt und spätestens seit Karl Popper kennen wir das Prinzip der Falsifikation. Er ließ darin Klassen von Aussagen zu, die zwar prinzipiell nicht beweisbar sind, aber als “vorläufig akzeptabel“ gelten sollen bis sie widerlegt werden. Falsifikation ist der Nachweis der Ungültigkeit einer Aussage, Methode, These, Hypothese oder Theorie.

Hoffentlich geht uns allen am Ende der Pandemie ein Licht - und zwar nicht nur jenes am Ende des Tunnels - auf. Denn es ist jeglicher Wissenschaftsdisziplin nicht zuträglich, wenn das Misstrauen in die Forschung und in wissenschaftlich fundierte Interventionen immer mehr steigt. Jenes fußt aktuell wahrscheinlich in dem Unglauben in Bezug auf die sehr schnell entwickelte Impfung und die oft plötzlich aus dem Hut gezauberten und so wie das Virus immer wieder mutierenden Maßnahmen. Mit einer leider auf persönliche Profilierung abzielenden Politik darf die Wissenschaft nicht gleichgesetzt werden. Das hat sie sich mitsamt ihren unzähligen bemühten Vertretern nämlich nicht verdient. (Daniel Witzeling, 25.1.2021)

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