Das Coronavirus ist für die hohen Sterbezahlen mitverantwortlich.

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Lange Zeit war es ein zentrales Argument für Corona-Verharmloser: So schlimm können das Coronavirus und die Krankheit, die es auslöst, nicht sein, wenn es keine Übersterblichkeit gibt; Leute sterben eben, auch ohne Corona. Zumindest Anfang März war das tatsächlich noch so.

Doch als die zweite Welle anrollte, schrieb sich das Virus in den Todeszahlen nieder. Grafiken, die auf der Website "Our World in Data", die von der Oxford-Universität und dem Global Change Data Lab betrieben wird, publiziert werden, zeichnen ein bedrohliches Bild.

Spätestens seit Oktober, so zeigen die Daten, wurden in Österreich in jeder Kalenderwoche mehr Todesfälle verzeichnet als im Vergleichszeitraum der vergangenen fünf Jahre. Und die Übersterblichkeit nahm rasant zu: sieben Prozent Mitte Oktober, 47 Prozent Mitte November, 59 Prozent Anfang Dezember. Es war im Oktober, als Österreich die Werte der USA überschritt, und es war Mitte November, als Österreich selbst Spanien übertraf und damit eines der europäischen Länder, das am schwersten mit dem Virus zu kämpfen hatte – im Frühling starben in Spanien um 156 Prozent mehr Personen als in den Vorjahren. Schweden, Deutschland, selbst Großbritannien kamen und kommen besser durch die zweite Welle als Österreich. Einzig die Schweiz stand zwischenzeitlich auch im Herbst ebenso schlecht da.

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Höhere Spitzen als sonst

Jedes Jahr gibt es Spitzen in Statistiken wie diesen. So gab es etwa Anfang 2017 einen hohen Anstieg an Sterbefällen. Während in den Vorjahren in der Kalenderwoche eins zwischen 1.500 und 1.800 Personen starben, waren es 2017 etwa 2.300. Laut Erich Neuwirth, ehemals Universitätsprofessor für Statistik und Informatik an der Universität Wien, liegt das an einer besonders heftigen Grippewelle zu dieser Zeit. Neuwirth widmet sich im Ruhestand statistischen Analysen zum Verlauf der Covid-19-Pandemie.

Seine Berechnungen zeigen, dass 2020 dennoch eindeutig das Coronavirus für die hohen Sterbezahlen mitverantwortlich ist. Denn: Zieht man die bestätigten Covid-19-Todesfälle ab, sieht man, dass das Jahr 2020 zumindest über viele Monate hinweg unauffällig gewesen wäre. Gäbe es da nicht den Herbst: Selbst wenn man Personen, die an oder mit Covid verstorben sind, aus der Sterbestatistik hinausrechnet, wären etwa im Oktober immer noch jede Woche mehrere hundert Personen mehr verstorben als in einem normalen Jahr.

Prognosen unmöglich

Das kann, sagt Neuwirth, zweierlei Gründe haben: Entweder sei das Gesundheitssystem so sehr ausgelastet gewesen, dass die Menschen auch anderen Todesursachen erlagen. Oder aber es gab mehr Covid-Todesfälle als jene, von denen die Behörden wussten.

25 Prozent der Übersterblichkeit während der Pandemie sind auf Patienten ohne Covid-19 zurückzuführen, zeigt eine länderübergreifende Studie der Austrian Health Academy über die erste Phase der Pandemie. Sie starben, weil sie Angst davor hatten, zum Arzt zu gehen, und weil Intensivstationen ausgelastet waren, konstatierten die Autoren.

Prognosen dazu, wie sich die Zahlen weiterentwickeln, traut sich Neuwirth aber nicht abzugeben. Das sei ohnehin schon schwierig, aufgrund der Virusmutation unmöglich, sagt er. Doch zumindest in Bezug auf die Infektionszahlen könne man sehen, dass die bisherigen Lockdowns gewirkt hätten. (Gabriele Scherndl, 5.1.2021)