Acht Jahre Haft für Karl-Heinz Grasser, sieben für seinen Trauzeugen, den Ex-Lobbyisten Walter Meischberger, sechs für den – teilgeständigen – Ex-Lobbyisten Peter Hochegger: Das ist nun also herausgekommen im größten Korruptionsprozess der Zweiten Republik. Gerade aufgerichtet, den Blick zu Boden gerichtet, nahm Grasser den – wohlgemerkt: nicht rechtskräftigen – Urteilsspruch hin. Er habe 2004 mitgecasht bei der mit seinem Zutun geschobenen Privatisierung der Bundeswohnungen der schwarz-blauen Koalition unter Wolfgang Schüssel (ÖVP), könnte man die Sicht des Richtersenats kurz zusammenfassen.

Grassers beredte Zurückweisungen – "supersaubere Weste" – haben die Richter verworfen. Sie glaubten dem Ex-Finanzminister und vorübergehenden Paradeschwiegersohn der Nation schlicht nicht – obwohl auch in der Verhandlung die rauchende Pistole, ein schlagender Schuldbeweis also, nicht aufgetaucht ist. Für die Richter unter Vorsitz von Marion Hohenecker wogen (Belastungs-)Zeugenaussagen, Unterlagen zur quer durch die Welt geschickten Provision von fast zehn Millionen Euro und von diskreten Konten schwerer.

Urteilsverkündung im Straflandesgericht Wien nach 16 Jahren Ermittlungen, Anklage und Korruptionsprozess.
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Drei Jahre lang hat Hohenecker jeden Stein umgedreht, jedes Steinchen genau besehen, jedes Staubkörnchen unter die Lupe genommen. Zuvor hatten aber schon die Ermittlungen sieben Jahre gedauert. Die Richterin sieht in der Länge des Verfahrens keine Menschenrechtsverletzung, als strafmildernd wertet sie sie aber schon.

Unterausgestattete Behörde

Egal wie die Sache in der nächsten Instanz ausgeht: Die Verfahrensdauer – elf Jahre vom ersten Ermittlungsschritt bis zum erstinstanzlichen Urteil – ist und bleibt ein Makel. Und sie zeigt eine ganz wesentliche Schwachstelle der österreichischen Justiz auf. Natürlich war das Verfahren komplex, natürlich waren Rechtshilfeersuchen ans Ausland nötig, und natürlich haben die Beschuldigten von den ihnen zustehenden Rechtsmitteln Gebrauch gemacht. Aber das ist das Kennzeichen von Großverfahren, wie sie von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geführt werden – von einer personell unterausgestatteten Behörde, die mit allen Wassern gewaschenen, hochbezahlten Anwälten gegenübersteht; einer personell unterausgestatteten Behörde, deren Image zuletzt schwer gelitten hat.

Durch die großteils rechtswidrige Razzia im Verfassungsschutz (BVT) etwa, durch den öffentlich ausgetragenen Streit mit ihren Vorgesetzten zum einen, zum anderen durch unbegründete Angriffe von außen, etwa die vom Bundeskanzler. Die alle eines zeigen: das wackelige Standing der WKStA, die in hochsensiblen Causen aktiv ist und entsprechend unterstützt gehörte – mit Personal und Überzeugung davon, wie wichtig ihre Arbeit ist. In einem anständigen Rechtsstaat wäre das so.

Dann müsste es auch keine Ermittlungen geben, deren Dauer allein die Betroffenen in ihrer Existenz bedroht. Erinnert sei hier nur an die Causen Libro, Meinl European Land (läuft noch), Eurofighter (wird scheibchenweise eingestellt) oder eben Buwog. Zumutbar sind solche Verfahren niemandem – unabhängig von ihrem Ausgang. Sie kippen Beschuldigte aus dem Erwerbsleben, strapazieren bis zerstören deren finanzielle Ressourcen, strapazieren bis zerstören deren Familien – und werden so selbst zur Strafe.

Wird aber das Verfahren zur Strafe, so wird der Rechtsstaat zur Farce. (Renate Graber, 4.12.2020)