Die Wiener Werkshallen in Simmering wurden Freitagnachmittag im Rahmen einer Pressevorführung zum fiktiven Tatort: Eine Gewalttat hat dort zwei Opfer gefordert – die beiden Toten sind Dummies, wie man sie aus Erste-Hilfe-Workshops vom Üben der Herzdruckmassage kennt. Neben einer der Puppen, sie trägt ein blau-weiß gestreiftes Hemd, Jeans und dunkle Sneakers, liegt eine orange Plastikpistole. Das zweite Opfer, in rotem Oberteil, brauner Stoffhose und weißen Turnschuhen, war mit einem Messer bewaffnet, die Klinge liegt neben seiner Hand.

Tatortermittler bei der Spurensuche.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Die beiden Puppen dürften zuvor mit einer dritten Person an einem kleinen Tisch Karten gespielt haben. Bei Kaffee aus Wegwerfbechern und Zigaretten dürften die Beteiligten in einen Konflikt gekommen sein. Ihre Stühle liegen zum Teil umgestoßen in der Halle, einige Karten sind als Große Straße in Herz noch auf dem Tisch aufgereiht.

Für die beiden Puppen kam jede Hilfe zu spät.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Die ersteingetroffenen Streifenpolizisten haben bereits die ersten Maßnahmen zur Tatortsicherung gesetzt, erzählt Kurt Herwey, Leiter der Tatortgruppe Wien. Ein Absperrband grenzt den Bereich, in dem der Streit stattgefunden hat, ab. Eine Kartonbox wurde gesichert, sie hätte Suchtmittel oder gar Sprengstoff enthalten können, sagt Herwey. Und auch das Gelände wurde bereits nach dem flüchtigen Täter durchsucht. Neben den Opfern stehen kleine, gelbe Kärtchen mit den Buchstaben X und Y darauf. "Hier in diesem Fall konnte leider nur noch der Tod der beiden Personen festgestellt werden", sagt Herwey.

Zwei Männer, die aussehen, als würden sie gerade eine Corona-Testung vornehmen, gehen den Ort des Geschehens ab. In ihren weißen Schutzanzügen und FFP2-Masken unterscheiden sie sich nur durch die blauen Gummihandschuhe und Schuhüberzieher vom Testpersonal der Ages. Einer der beiden hat einen Zollstock in der Hand, platziert ihn neben den zu sichernden Spuren. Sein Kollege macht Fotos von Zigarettenstummeln, Waffen und Opfern.

Gründliche Tatortsicherung

Ein zweites Team an Tatortsicherern ist mittlerweile in der Szenerie eingetroffen. Sie packen die Hände des Opfers im blauen Hemd in braune Papiertüten, um allfällige Schmauchspuren zu sichern. Das Messer des anderen Opfers kommt hingegen in ein durchsichtiges Beweissackerl. "Jede einzelne Spur, die mit einer Spurnummer versehen ist, wird gesichert", kommentiert Herwey den Ablauf. Anschließend wird ein Tatortbericht erstellt – er ergeht schlussendlich an die Staatsanwaltschaft.

So sieht er aus, der 3D-Tatortscanner.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Ist die Spurensicherung abgeschlossen, kommt das neueste technische Hilfsmittel der Polizei zum Einsatz: der 3D-Laser-Tatort-Scanner, ein viereckiger Kasten, der an Vermessungsgeräte, wie sie im Straßenbau verwendet werden, erinnert. "Der Scanvorgang selbst ist relativ unspektakulär", sagt Gerhard Ranftl vom Bundeskriminalamt. Das Gerät dreht sich zweimal im Kreis und hat nach einer Minute und 30 Sekunden mit seine Arbeit abgeschlossen. "Die wirkliche Herausforderung kommt danach", versichert Ranftl.

Und so funktioniert er.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Aus den Scans und Panoramaaufnahmen, die das Gerät gemacht hat, wird eine 3D-Rekonstruktion des Tatortes erstellt. Diesen können sich die Ermittler aus verschiedenen Perspektiven am Computer später noch einmal ansehen, aber auch millimetergenaue Nachmessungen vornehmen. Und: "Alle, die selbst nicht am Tatort waren, etwa Richter oder Geschworene, können sich den Tatort nun so ansehen, als ob sie dort gewesen wären", sagt Ranftl.

Eingesetzt wurde die 3D-Laser-Tatortdokumentation in Wien bereits bei dem Terroranschlag auf die Innenstadt Anfang November. Im Einsatz ist der Scanner seit 1. November. "Am 2. November um 21.10 Uhr habe ich Andrea Raninger, die Leiterin der Abteilung Forensik und Technik des Bundeskriminalamtes, angerufen und gesagt, dass wir die 3D-Laser-Tatortdokumentation in Wien brauchen", erzählt Gerhard Lang, Direktor des Bundeskriminalamts.

Insgesamt gibt es für den Scanner viele Betätigungsbereiche. "Wir haben etwa 490.000 Strafanzeigen pro Jahr, jede mit zumindest einem Tatort", sagte Lang. So sei zum Beispiel oft der Fundort eines Opfers nicht zugleich der Tatort. (Oona Kroisleitner, 4.12.2020)