Peter Kliens Late-Night-Show "Gute Nacht Österreich" läuft noch bis Ende Jänner in ORF 1, die letzten Folgen am Freitagabend. ORF-1-Chefin Lisa Totzauer erklärte diese Woche, sie würde das Format eher online sehen als im Fernsehen. Genau dort möchte es ORF-General Alexander Wrabetz weiterhin haben, aber bitte anders.

Die Einstellung kommt zu einem originellen Zeitpunkt: Am Dienstag erhält Klien den Publikumspreis zum Österreichischen Kabarettpreis, stolz auf die bisher meisten abgegebenen Stimmen bei dieser Auszeichnung.

Peter Klien (50), der Anchor der Show und frühere Reporter von "Willkommen Österreich", sagt im STANDARD-Interview, er habe bisher nur über die Medien erfahren, was der ORF mit seiner Show weiter vorhat – oder eben nicht.

"Gute Nacht Österreich" mit Peter Klien – fix nur bis Ende Jänner im ORF-Fernsehen.
Foto: ORF/Roman Zach-Kiesling

STANDARD: Herr Klien, kennen Sie sich noch aus, ob es mit "Gute Nacht Österreich" weitergeht – und wie? Senderchefin Lisa Totzauer hat angekündigt, dass sie das Format nach Ende Jänner auf Nachdenkpause schicken will und eigentlich eher im Internet sieht. ORF-Chef Alexander Wrabetz sagt, er hätte "GNÖ" schon gern weiter im Fernsehen, aber anders. Wissen Sie, was Sie da tun sollen?

Klien: Es ist nicht ganz leicht, den Überblick zu bewahren. Ich freue mich darauf, wenn mit mir besprochen wird, was ich da oder dort über die Sendung lese. Ich schreibe das dem allgemeinen Trubel zu, dass das noch nicht passiert ist. Klar kommuniziert wurde mir nur: Mit Ende Jänner ist das Format jetzt einmal zu Ende. Ob das eine Pause ist oder ein Ende, ist mir nicht klar kommuniziert worden.

STANDARD: Der ORF-Generaldirektor sagt, er hätte es gerne weiter im Fernsehen, aber irgendwie anders. Gab es vom Sender in den ersten eineinhalb Jahren von "GNÖ" schon Vorschläge oder Anregungen, was wie anders zu machen wäre?

Klien: Nein, mir gegenüber nicht. Aber ich bin zuversichtlich, dass es Gelegenheit geben wird, auch im persönlichen Gespräch in die Details zu gehen. Fakt ist: Über 15 Monate wurden Änderungswünsche, oder was gefällt, nicht gezielt kommuniziert.

STANDARD: Wie finden Sie denn die Sendung heute?

Klien: Ich bin der Letzte, der sagt, das wäre eine perfekte Sendung. Ich sehe die Stärken und Schwächen genau. Natürlich habe ich Ideen, die Sendung weiterzuentwickeln. Wir werden oft gemessen an internationalen Vorbildern, deutschen Late-Night-Shows, und messen uns auch selbst an diesen Shows. Aber in Österreich gibt es ein Viertel des Geldes deutscher Shows und vielleicht ein Zehntel des Geldes der Amerikaner. Da muss man sich nach der Decke strecken.

STANDARD: Was würden Sie mit dem Geld anfangen?

Klien: Ich würde mir natürlich wünschen, dass wir eine Band im Studio haben, dass es mehr Videozuspieler gibt, dass mehr Leute vor die Kamera kommen, dass es nicht nur auf meinen Schultern liegt. Dass das alles noch kleinteiliger, schneller, abwechslungsreicher wird. Da gibt es auch viele Ideen – die bisher nur teilweise umgesetzt werden konnten, wegen beschränkter Mittel, beschränkter Zeit ... Aber wir haben uns ganz gut entwickelt.

STANDARD: ORF-Generaldirektor Wrabetz hat nach unseren Infos gerade in einer Mitarbeiterversammlung von einem "pseudoinvestigativen" Zugang gesprochen, den es eigentlich nicht brauche. Den Eindruck hatte ich als Zuschauer nicht – sondern solide journalistische Arbeit, satirisch präsentiert, wofür es große internationale Satirevorbilder gibt.

Klien: Pseudoinvestigativ empfinde ich als wenig schmeichelhaft für das, was wir tun. Gerade diese Woche ist uns ein wirklicher Coup gelungen mit der Rechercheplattform "Dossier" über 93 Millionen Euro, die Österreichs Regierung zu viel bezahlt für PCR-Tests und Antigentests. Wir waren die Ersten, die das für die PCR-Tests recherchiert haben. Bei den Antigen-Massentests hat dann Ö1 das knapp vor unserer Sendung recherchiert. Ich glaube nicht, dass man das pseudoinvestigativ nennen kann.

STANDARD: Haben Sie eine Erklärung dafür, dass es ausgerechnet zu diesem Thema keine APA-OTS-Aussendung des ORF zur Ankündigung der Sendung gab?

Klien: Wo das genau stecken geblieben ist, ob das Zufall war, entzieht sich meiner Kenntnis.

STANDARD: Funktioniert "Gute Nacht Österreich" ohne dieses Erklärstück – wie Wrabetz ja damit als Wunsch andeutet?

Klien: So, wie wir das Format jetzt aufgesetzt haben, ist das natürlich das Herzstück der Sendung. Nan muss sich grundsätzlich entscheiden: Möchte man die Erklärstrecke haben oder nicht. Möchte man seriöse Auseinandersetzung mit Themen, natürlich satirisch aufbereitet ...

STANDARD: ... oder nur Stand-up.

Klien: Was uns da nicht gerade in die Karten gespielt hat, war Corona. Es ist schwer, eine Show neu aufzusetzen, wenn sie gleich nach einem halben Jahr ohne Publikum und unter erschwerten Bedingungen laufen kann. Aber mit Corona hat jeder von uns zu kämpfen.

STANDARD: Das Erklärstück sorgte ja nach unseren Recherchen in der kurzen Geschichte von "Gute Nacht Österreich" schon für einige Aufregung und Besorgnis im ORF. Da gab es einen Beitrag über das Netzwerk von Sebastian Kurz, der kurzfristig aus der Sendung entfernt werden musste, und Themen, die offenbar nicht beim ORF durchzubringen waren. Können Sie mir dazu etwas sagen?

Klien: Sie scheinen sehr gut informiert zu sein, ich frage mich, woher Sie das haben. Von mir haben Sie's jedenfalls nicht.

STANDARD: Fehlt im ORF der Mut zur politischen Satire – die ja laut Kurt Tucholsky angeblich alles darf?

Klien: Ich glaube, der ORF sieht sich schon herausgefordert, gute Satire zu machen. Das Bestreben möchte ich dem ORF nicht absprechen. Aber im ZDF ist Jan Böhmermann gerade dem deutschen Staatsheiligtum Volkswagen massiv zuleibe gerückt. In Österreich ist das nicht oder kaum denkbar. Das nehme ich schon als Erfahrung mit: Da oder dort gibt es rote Linien – woher auch immer die kommen. Dennoch: Wie sich der ORF um unabhängigen Journalismus bemüht, so ist er auch eine gute Adresse für angriffige Satire.

STANDARD: Auch wenn offenbar nicht alles geht.

Klien: Das scheint so zu sein. Betrifft aber wohl die Privatsender genauso.

STANDARD: Haben Sie die erste Ausgabe des "Browser Ballett" im ARD-Hauptprogramm gesehen? Die Satire auf "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt und seine Methoden ist eher schwer vorstellbar im ORF, umgelegt auf österreichische Boulevardgrößen.

Klien: Leider noch nicht. Aber ich verfolge die Truppe und ihre tollen Videos schon seit Jahren sehr aufmerksam.

STANDARD: Sie bekommen im Jänner für die vorerst letzten vertraglich vereinbarten "Gute Nacht"-Folgen einen neuen Sendeplatz in ORF 1 nach "Was gibt es Neues?" und müssen dann nicht mehr gegen die "ZiB 2" antreten.

Klien: Ich habe mir immer 22.30 Uhr als Sendeplatz gewünscht, nach dem Ende der "ZiB 2". Es ist halber Selbstmord, gegen die "ZiB 2" antreten zu müssen. Man sieht das bei "Willkommen Österreich" am Dienstag. Christoph Grissemann und Dirk Stermann tun sich in der ersten halben Stunde immer schwer mit den Zuschauerzahlen, in der zweiten halben Stunde nach dem Ende der "ZiB 2" legen sie massiv zu. Wir hatten keine zweite halbe Stunde, aber mit Nachrichtensatire genau dasselbe Publikum wie die "ZiB 2". Damit war ich von Anfang an sehr unglücklich.

STANDARD: Und nun auf den vorerst letzten Metern der Freitag um 23 Uhr?

Klien: Der Sendeplatz ist mir deutlich lieber als Mittwoch, 22 Uhr. Ideal wäre 22.30 Uhr, der Tag ist mir nicht so wichtig.

STANDARD: Der ORF erklärt seine Unzufriedenheit meist mit der Quote von "Gute Nacht".

Klien: Die Quote ist die Achillesferse der Show. Nun ist die Frage: Muss ich mich ständig in diese Achillesferse verbohren, oder will ich dem Ganzen eine gute Chance geben zu wachsen. Die Quote war am Anfang nicht dort, wo wir uns das erhofft haben. Sie steigt aber mit jedem halben Jahr, und wir sind im Herbst bei 232.000 Zuschauern im Schnitt. Das ist noch nicht auf dem gewünscht hohen Niveau von "Willkommen Österreich". Aber wir gehen in die Richtung.

STANDARD: Nun soll ORF-Chef Wrabetz in der Mitarbeiterversammlung am Donnerstag erklärt haben, "GNÖ" habe ein Viertel bis ein Drittel der Quote von "Willkommen Österreich".

Klien: Das kann ich nur als rufschädigend sehen. Wir haben im Schnitt so zwei Drittel der Quote von "Willkommen Österreich". Diese Woche war ein Ausnahmefall – in der "ZiB 2" befragte Armin Wolf Sebastian Kurz parallel zur Lockerung des Lockdowns vor fast 900.000 Zuschauern.

STANDARD: Sie haben gesagt, Sie messen sich und werden gemessen an Böhmermann und "Heute-Show" – auch quotentechnisch?

Klien: Die "Heute-Show" hatte im ersten Jahr weniger Zuschauer in Deutschland als wir in Österreich – wenn man die Bevölkerungsgrößen der beiden Länder berücksichtigt. Und wir sind deutlich besser als Böhmermanns "Neo Magazin Royale" 2019. Das hat sich im Fernsehen niemand angesehen, das war ein reines Internetphänomen. So wie wir auch dort sehr stark sind. Aber das interessiert im Moment niemand.

STANDARD: ORF-1-Chefin Lisa Totzauer schlägt doch vor, dass Sie nach einer Nachdenkpause im ORF-Player wiederkehren sollten, der vor dem Sommer 2021 starten soll.

Klien: Wir haben diese Marke "Gute Nacht Österreich" zu einer gewissen Höhe geführt, haben im Internet extrem hohe Zugriffszahlen. Das Erklärstück wird im Schnitt 200.000-mal abgerufen, verdoppelt also die TV-Quote. Das Erklärstück zu den Corona-Tests diese Woche geht komplett durch die Decke. Das ist unser erfolgreichstes Thema nach Ungarn. Die Frage ist: Was mache ich mit der Marke "Gute Nacht Österreich" nach Jänner? Soll ich der Fangemeinde auf den verschiedenen Kanälen einmal im Monat sagen: Wir kommen dann eh irgendwann wieder?

Das dieswöchige "Erklärstück" über Corona-Tests geht online "durch die Decke", sagt Klien.
Gute Nacht Österreich

STANDARD: "Gute Nacht" als reines Onlineformat dürfte budgetär herausfordernd werden.

Klien: Wenn wir entsprechend Geld bekommen – ich bestehe nicht auf dem linearen Fernsehen. Das wächst doch ohnehin alles zusammen. Wenn man eine junge Zielgruppe erreichen will, warum spricht man eigentlich ständig davon, wie viele Menschen eine Sendung am Mittwoch um 22 Uhr im Fernsehen erreicht hat? Damit kann man eine Sendung auch kleiner reden, als sie ist.

STANDARD: Der ORF-Chef hat gerade vor seinen Aufsichtsräten Social Media zur gleichberechtigten dritten Säule des Unternehmens neben Rundfunk und der eigenen Plattform ausgerufen. In seinen ORF-Charts auf Instagram und Facebook kam "Gute Nacht" nicht vor.

Klien: Ich schaue mir das sehr genau an. Es gibt zwei sehr erfolgreiche Accounts des ORF: die "Zeit im Bild", also Information, und dahinter Ö3. Dann kommen schon wir, also "Gute Nacht Österreich" zusammen mit "Peter Klien", gleichauf mit ein paar anderen Seiten, wenn man sich Likes, Interaktionen, Reaktionen, Nutzung anschaut. Etwa gleichauf mit "Willkommen Österreich".

STANDARD: Wie würde denn ein Erklärstück über "Gute Nacht Österreich" und die jüngsten Entwicklungen aussehen?

Klien: Das werde ich im ORF nicht machen. Besprechen wir jetzt lieber die nächsten Schritte. Sonst kann ich das ja später im Internet nachliefern. (lacht)

STANDARD: Sie bekommen am kommenden Dienstag den Publikumsspreis beim Österreichischen Kabarettpreis ...

Klien: Das Schöne ist: Wir haben diesen Preis nur durch die vielen Stimmen unserer Fans gewonnen. Ich bin dafür sehr dankbar. Aber ein interessanter Zeitpunkt, "Gute Nacht Österreich" einzustellen. Man könnte das auch verstörend nennen. (lacht) (Harald Fidler, 4.12.2020)