Maradona führte Napoli zu zwei italienischen Meisterititeln und zum Uefa-Cup-Sieg.

Die Opus-Besetzung (von links nach rechts): Sänger Herwig Rüdisser, Günter Grasmuck (Schlagzeug), Gitarrist Ewald Pfleger und Kurt René Plisnier (Keyboard).

Foto: Opus

Wien – Drei Videos werden seit Diego Maradonas Tod in den sozialen Medien rauf und runtergespielt. Erstens die Hand Gottes, zweitens das legendäre Solo gegen England und drittens ein lockeres Aufwärmen vor dem Uefa-Cup-Semifinalrückspiel des SSC Napoli bei Bayern München 1989. Wie die argentinische Fußballlegende dabei im Rhythmus zu "Live is Life" der österreichischen Band Opus seine brillante Technik und seine kindliche Freude am Sport zeigt, hat seit Mittwoch vielen Menschen ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.

DER STANDARD hat mit Ewald Pfleger, dem Komponisten des Lieds, darüber gesprochen. Der 65-Jährige erklärt, wie es zu dem Video kam und wie es auf ihn wirkt. Dazu spricht das Opus-Bandmitglied über die Entstehungsgeschichte und das Erfolgsgeheimnis des Songs und über Lagerfeuer in südamerikanischen Tourneehallen.

STANDARD: Die Fußballwelt trauert kollektiv um Diego Maradona. Wie stark hat Sie die Nachricht seines Todes getroffen?

Pfleger: Ich war natürlich sehr traurig. Er war nicht nur einer der besten Fußballer aller Zeiten, sondern auch ein großer Fan von "Live is Life". Das Lied hat durch ihn große Promotion erfahren.

STANDARD: Sie sprechen das Video an, das ihn vor dem Uefa-Cup-Rückspiel mit Napoli beim FC Bayern beim Aufwärmen zu "Live is Life" zeigt. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie den Clip sehen? Sie haben den Song ja komponiert.

Pfleger: Es macht mich stolz. Das Video hat nicht nur "Live is Life" irrsinnig promoted, sondern auch Maradonas Ballkünste. Dass einer minutenlang den Ball jongliert, ist schon speziell. Angeblich hat er über die Videoscreens im Stadion gesehen, dass er gefilmt wird und hat dann zu jonglieren begonnen. Er wollte den Zuschauern zeigen, wie gut er gaberln kann. In den letzten Tagen haben mir viele Fans und Freunde das Video geschickt. Und gestern bekam ich sogar einen Anruf aus Belgien.

Frank Raes schnitt Maradonas Aufwärmprogramm zusammen.
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STANDARD: Wer war dran?

Pfleger: Frank Raes, der Mann, der das Video gemacht hat. Ein Sportjournalist. Er war damals im Stadion und hat eine Reportage über Maradona gedreht. Dabei hat er einige Szenen vom Aufwärmen zusammengeschnitten. Jahre später wurde der Clip auf Youtube gestellt und wurde weltberühmt. Das Aufwärmen war beim Spiel ja nicht im Fernsehen zu sehen. Ich habe das Video irgendwann in den 2000ern zum ersten Mal gesehen. Und jetzt habe ich für eine Fernsehsendung als Überraschung eine Grußbotschaft für Raes aufgenommen. Danach hat er mich angerufen.

STANDARD: Haben Sie die größere mediale Resonanz in den letzten Tagen gespürt?

Pfleger: Wir bekommen immer wieder Anfragen. Und die Zugriffe auf unsere "Live is life"-Videos sind massiv gestiegen, egal welches. Ich schätze, normal haben wir 500.000 Zugriffe pro Tag auf Youtube, gestern waren es wohl eine Million. Die Original-Aufnahme hatte gestern 100.000 Zugriffe, unser Auftritt beim Donauinselfest auch. Eine Aufzeichnung der BBC-Sendung "Top of the Pops" hatte 250.000. Und Maradonas Aufwärmvideo hatte wohl noch mehr. Aber es braucht niemand glauben, dass wir dadurch Millionäre geworden sind.

STANDARD: Wie viel verdienen Sie als Künstler dabei?

Pfleger: Es hat einmal geheißen, einen Euro für 1000 Klicks. Das ist aber der Maximalbeitrag in Nordamerika. In Europa ist es, glaube ich, weniger und in Lateinamerika dann Null Komma irgendetwas. Also da verdient man ein bissl mit. Aber ok, in den ersten zehn Jahren wurde auf Youtube gar nichts abgerechnet. Insgesamt verdienen wir genug, dass es sich ausgeht im Leben.

STANDARD: Welchen Anteil hat Maradona an der Popularität von "Live is Life"?

Pfleger: In der Fußballwelt einen großen. Durch ihn sind Millionen Fans mit dem Song in Berührung gekommen. Wenn Freunde von mir in Neapel sind, bekomme ich oft Videos, weil der Verein "Live is Life" vor Heimspielen zum Aufwärmen spielt. Bei Fenerbahce Istanbul ist oder war es die Torhymne, auch bei Eishockeyteams, etwa beim mehrmaligen finnischen Meister Tampere.

Vor einem Napoli-Heimspiel 2013 ertönte "Live is Life" beim Aufwärmen der Spieler. Entscheiden Sie selbst, wie gut Starstürmer Edinson Cavani im Songrhythmus gaberlt.
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STANDARD: In Südamerika war Opus zweimal auf Tournee, in den Jahren 1985 und 1986. Also vor Maradonas Auftritt.

Pfleger: Genau. Das Publikum war irrsinnig enthusiastisch. Wir haben in Venezuela in der Poliedro de Caracas gespielt, in der größten Halle. Sie war ausverkauft, bis zu 15.000 Zuschauer passen da rein. Während dem Konzert haben die Indios mitten im Saal ein Lagerfeuer gemacht. Ich hab mir gedacht: "Boah, wir sollten das Konzert vielleicht unterbrechen", aber nein, nix. Die haben ums Feuer getanzt und dann irgendwann gelöscht. In Chile haben wir zweimal vor 30.000 Zuschauern gespielt. Das wurde live im Fernsehen übertragen, rund fünf Millionen haben zugesehen. Wir waren auch in Guatemala und in Mexico City in der größten Stierkampfarena der Welt. In Lateinamerika haben wir einen Großteil unserer Fans. Die haben immer versucht, alle Songs mitzusingen.

STANDARD: Der einfache Text von "Live is Life" erleichtert das. Wie kam es zu dem Song?

Pfleger: Wir haben damals eine Live-Schallplatte geplant. Das Titellied dafür sollte das Gefühl wiedergeben, das viele Interpreten bei Auftritten haben. Egal ob Phil Collins oder Joe Cocker: Sie wollen das Publikum einbinden, dass es mitsingt. Das ist schon so, seit es Popmusik gibt. Das wollte ich in den Song packen. Und dazu habe ich mir was einfaches überlegt: Man singt was vor und die Fans singen es nach. Das hat ganz gut geklappt. Ich kenne auch Leute in China und in Südkorea, die "Live is Life" beim Karaoke singen.

STANDARD: Warum wurde das Lied ein Welthit? Der Song wurde in Österreich, Frankreich und Deutschland Nummer eins, in der Schweiz landete er auf Platz zwei, in England auf der Sechs, in den USA auf Platz 32.

Pfleger: Als wir uns für englischsprachige Rockpopmusik entschieden haben, haben wir gewusst: Wenn wir einen Hit landen, können wir damit über die Grenzen kommen. Der Austropop schaffte es vorher nach Deutschland und in die Schweiz, aber nicht weiter. Außerdem war unser Glück, dass unsere erste Aufnahme beim Konzert in Oberwart abgebrochen werden musste, weil das Tonband aus war. Wir mussten das Lied dann nochmals spielen. Dadurch hat das Publikum den Song schon gekannt und hat gut mitgemacht. Und der Text ist nicht schwer zu merken. So wurde es ein Welthit. Nicht viele haben daran geglaubt. Es gibt kaum Liveaufnahmen, die es auf die Nummer eins geschafft haben. Deshalb ist "Live is Life" ein außergewöhnliches Evergreen. Und gut für uns, weil wir haben die Rechte drauf.

STANDARD: Was ist die Botschaft des Songs?

Pfleger: Unsere Message war: "Live auf der Bühne zu stehen ist unser Leben". Im Sportbereich ist die Botschaft mehr: Ja, so ist das Leben. Wenn es einmal schlechter läuft, ist es trotzdem gut. Wir nehmen das Leben so wie es ist.

STANDARD: Wenn man Maradona aufwärmen sieht, hat er Ihre Botschaft gut getroffen. Man merkt ihm die Freude an, Fußball war sein Leben.

Pfleger: Sein Leben hatte goldene und Schattenzeiten. Aber für die Fußballwelt war Maradona ein Gott, vor allem in Südamerika und Italien. In dem Video steckt so viel Lebensfreude drinnen. Man muss den Ball auch erstmal so jonglieren können. Also die Kombination aus Fußballgott und Lebensfreude ergibt einfach eine irrsinnig positive Message. Leider habe ich ihn nie persönlich kennengelernt.

STANDARD: Wussten Sie, dass "Live is Life" auf Maradonas Hochzeit gespielt wurde?

Pfleger: Ja, ein Freund hat mir das Video damals geschickt. Maradona hat dazu getanzt und mitgesungen. Mich hat das total überrascht. Aber das Video hat uns sehr stolz gemacht. (Andreas Gstaltmeyr, 27.11.2020)

"Live is Life" auf Maradonas Hochzeitsfeier.
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