Jahrelang dieselben Handgriffe zu machen kann zu Berufskrankheiten führen. Exoskelette könnten in vielen Fällen helfen.

Foto: Ottobock

Ein Job in der Logistik kann eine körperlich sehr schwere Arbeit sein. Nicht alle Tätigkeiten in der Kommissionierung lassen sich etwa per Stapler erledigen. Manchmal geht es einfach darum, anzupacken, um gewichtige Produkte oder Bauteile von einem Ort zum anderen zu bewegen – vielleicht dazu noch über Kopf oder in gebückter Haltung. Prägen diese Tätigkeiten ein ganzes Arbeitsleben, ist mit Folgeschäden zu rechnen: Abnützungserscheinungen, kaputte Gelenke, ein schmerzender Rücken.

In diesen Bereichen könnten künftig Exoskelette zu einem wichtigen Hilfsmittel der Prävention werden. Die Geräte, die am Körper getragen werden, um ihn bei schweren Arbeiten zu unterstützen, sind in einigen Produktions- und Logistikbetrieben durchaus bereits vertreten.

In den kommenden Jahren werde ihr Einsatz aber rasant steigen, prognostiziert ein Whitepaper, das das Forschungsinstitut Fraunhofer Austria gemeinsam mit dem TÜV Austria kürzlich veröffentlicht hat. Während 2019 etwa 7000 weltweit im Einsatz waren, werde es 2025 bereits einen Jahresabsatz von 1,1 Millionen Geräten geben, ist darin zu lesen.

Anwendungsmöglichkeiten

"Wir zeigen in dem Whitepaper auf, bei welchen Anwendungen die Exoskelette einsetzbar sind und was man bei der Implementierung und für eine sichere Nutzung beachten muss", skizziert Philipp Hold, der als Projektleiter im Bereich Advanced Industrial Management bei Fraunhofer Austria zu den Verfassern des Papers gehört. "Wir wollen vor allem Klein- und Mittelbetrieben beim Einstieg in das Thema helfen."

Hold unterscheidet zwei grundsätzliche Arten von Systemen. "Passive Exoskelette kann man als eine Art persönliche Schutzausrüstung sehen, die sehr einfach handhabbar ist – ähnlich einer Laborbrille", erklärt der Experte.

Meist handelt es sich dabei um eine Stützstruktur, die man ähnlich einem Rucksack trägt und die mittels Federn oder Seilzügen jene Belastungen, die sonst auf Arme oder Rücken wirken, auf weitere Körperbereiche – etwa den Hüftbereich oder die Oberschenkel – umleitet und verteilt. Es sind Exoskelette dieser Art, die heute bereits auf breiterer Basis im Einsatz sind und die sich in naher Zukunft schnell weiterverbreiten werden.

Anders sieht es mit den aktiven Exoskeletten aus. "Diese Geräte sind noch ein wenig wie Science-Fiction. Sie liefern über Motoren eine Verstärkung der menschlichen Kräfte", erklärt Hold. "Der Mensch wird dabei Teil eines Robotersystems."

Der Einsatz dieser Geräte bedarf eigener Labore und aufwendiger Messtechnologien, die das System auf den individuellen Menschen konfigurieren. Solche Robotiksysteme werden bisher nur punktuell in der Praxis genutzt und sind Spezialanwendungen, etwa in der Raumfahrt, vorbehalten.

Praxistests

Im Zuge der Whitepaper-Recherche haben Hold und seine Kollegen passive Exoskelette der Hersteller Ottobock (siehe Foto) und Laevo gemeinsam mit interessierten Unternehmen getestet, die beispielsweise schwere Kommissionier- oder Montagetätigkeiten erledigen.

Nach Erstkontakt und wenigen Stunden Arbeit mit den Stützgeräten wurde dann von den Trägern Feedback eingeholt. "Auch wenn das Ergebnis dieser Tests nur eine Trendaussage abgeben kann und kein wissenschaftliches Ergebnis ist – die Rückmeldungen der Exoskelettträger zur Usability und User-Experience waren durchwegs sehr positiv", resümiert Hold. "Negative Antwortmöglichkeiten, etwa dass die Systeme als störend, umständlich oder komplex empfunden würden, sind kaum genutzt worden."

Sicherheitsaspekte

Nachdem die Exoskelette, für die es bis dato auch noch keine eigene Produktnorm gibt, in den Unternehmen noch ein recht neues Thema sind, wurden im Rahmen der Whitepaper-Analyse mit dem TÜV Austria Sicherheitsaspekte überprüft. Es darf etwa in Gefahrensituationen durch die Geräte keine Beeinträchtigung gegeben sein.

Das Hängenbleiben an Gegenständen in der Umgebung durch lose Bänder ist dabei ein Thema, aber auch Hygieneaspekte bei Arbeiten, die mit Schmutz und Verunreinigungen einhergehen.

Hold und seine Kollegen von Fraunhofer Austria konzentrieren sich dagegen auf adäquate Möglichkeiten der Implementierung. "Es geht darum, zuerst den Arbeitsprozess mit allen dazugehörigen Tätigkeiten zu überblicken. Darauf aufbauend erfolgt eine Ergonomie-Analyse, um zu identifizieren, in welcher Weise eine Belastung des Bewegungsapparats stattfindet", erklärt Hold. "Aus diesen Informationen lassen sich Anforderungen an die Stützgeräte ableiten, die dann mit den Merkmalen der verfügbaren Modelle verglichen werden können." (Alois Pumhösel, 19.11.2020)