Angelika Amon war zuletzt 2019 für eine Lecture am IMP.

Foto: Bacher/IMP

Um klare Worte war Angelika Amon selten verlegen, auch zu Themen jenseits der Wissenschaft. Über US-Präsident Donald Trump sagte die Molekularbiologin einmal: "Er ist schrecklich." Aber auch mit den Demokraten ging sie hart ins Gericht: Sie hätten die Arbeiterklasse verloren und seien zu elitär geworden, meinte sie.

Zum Thema Frauen in der Forschung hörte man von Amon, Mutter zweier Kinder, ebenfalls nichts Beschönigendes: Es brauche ein sehr straffes Zeitmanagement, wovon sie Studentinnen nur ungern erzählen würde. "Sonst geht dann niemand von ihnen in die Forschung." Immerhin gebe es in den USA bessere Angebote zur Kinderbetreuung als in Österreich. Und Mütter mit Jobs werden in den USA auch nicht so schief angesehen.

Forscherin aus Leidenschaft

Angelika Amon war eine gern gehörte Stimme in vielen Fragen zur Lebensrealität von Forscherinnen. Vor allem aber war sie mit Leib und Seele Wissenschafterin. Sie forschte gut zwanzig Jahre am Phänomen der Aneuploidie. Das sind Gendefekte, die bei der Zellteilung entstehen und zu Doppelungen oder Defiziten von Chromosomenpaaren führen. Diese Anomalien haben gravierende Folgen: zelluläre Stressreaktionen und letztlich Krankheiten.

Amon gelang deren systematische Analyse, und sie erwarb sich damit viel Anerkennung in der Wissenschaftswelt. 2017 etwa wurde sie in die American Academy of Arts and Sciences gewählt. Dazu wurde sie mit vielen wichtigen Preisen geehrt. Was ihr wichtiger war: Irgendwann einmal sollten dank dieser Arbeiten Medikamente entstehen, sagte sie. Zugleich betonte sie aber auch, dass das ein sehr langer Prozess sei. Man müsse zunächst einmal die Krankheit verstehen lernen – und eben: Grundlagenforschung betreiben.

Karrierebeginn in Wien

Die Karriere der Wienerin begann am Vienna Biocenter. 1989, vier Jahre nach Gründung des Forschungsinstituts für Molekulare Pathologie in Wien, wurde Amon eine der ersten Studentinnen von Kim Nasmyth, der wenig später die Leitung des IMP übernehmen sollte. Beim britischen Genetiker schrieb sie auch ihre Doktorarbeit. Amons bevorzugter Modellorganismus war schon damals Hefe.

1994 ging sie in die USA zur einflussreichen Evolutionsbiologin Ruth Lehmann an das Whitehead-Institut für biomedizinische Forschung in Cambridge, Massachusetts. Zwei Jahre später gründete sie ihre erste Forschungsgruppe. Schon bald wurde ihr eine Stelle am Koch-Institut für integrative Krebsforschung am Massachusetts Institute of Technology (MIT) angeboten, seit 2011 hatte sie den Kathleen-and-Curtis-Marble-Lehrstuhl für Krebsforschung inne.

KochInstituteMIT

Gewinnerin des Breakthrough-Preises 2019

Wirklich sprachlos war Amon wohl nur, als sie 2019 den Breakthrough-Preis erhielt, dotiert mit umgerechnet 2,6 Millionen Euro. Damals sagte sie dem STANDARD, sie sei "baff" und wisse gar nicht, was man mit so viel Geld machen könne. Aber schon bald ging es im Gespräch um neue Forschungsfragen: Warum haben bestimmte Krebsarten wie das Ewing-Sarkom, ein hauptsächlich bei Kindern auftretender Knochenkrebs, Doppelungen des immer gleichen Chromosomenpaars? Die Neugier trieb sie auch in Zeiten der größten Erfolge an.

Angelika Amon starb in der Nacht auf Donnerstag viel zu früh an einem Krebsleiden, das sie schon in den vergangenen Jahren begleitete. Ihre Neugier und Freude an der Arbeit hat die leidenschaftliche Forscherin, die einen Mann und zwei Kinder hinterlässt, bis zuletzt nicht verloren. (Peter Illetschko, 29.10.2020)