Darstellung der Verbreitung der neuen Sars-CoV-2-Variante 20A.EU1 in Europa. Der "Stammbaum" der Sequenzen (rechts unten; farblich nach Ländern codiert) zeigt an, dass 20A.EU1 mehrfach zwischen den Ländern gereist ist.

Grafik: Nextstrain, Mapbox, OpenStreetMap

Wissenschafter haben eine neue Sars-CoV-2-Variante identifiziert, die sich in den letzten Monaten offenbar europaweit verbreitet hat. Es gibt derzeit keine Hinweise darauf, dass die neue Variante mit der Bezeichnung 20A.EU1 gefährlicher ist als andere, nach Angaben des spanisch-schweizerischen Forscherteams dürfte sie in Europa aber zu den erfolgreichsten Mutationen des Virus zählen. Ihre Verbreitung könnte Einblicke in die Wirksamkeit der Reiserichtlinien geben, die viele europäische Länder im Sommer erlassen hatten.

Inzwischen existieren hunderte Varianten des Coronavirus, die sich durch kleine Mutationen im Erbgut voneinander unterscheiden. Die nun entdeckte Variante dürfte erstmals im Spanien aufgetreten sein, wie die Forscher der Uni Basel, der ETH Zürich und des Konsortiums "SeqCOVID-Spain" berichten.

Ausgangspunkt in Nordspanien

Demnach fanden sich die frühesten Hinweise auf 20A.EU1 im Zusammenhang mit einem Superspreader-Ereignis unter Landarbeitern im Frühsommer im Nordosten Spaniens. Danach verbreitete sich die Variante rasch über das ganze Land und gelangte schließlich in andere europäische Länder sowie nach Hongkong und Neuseeland. Die Forscher vermuten, dass die Lockerung von Reisebeschränkungen und Social-Distancing-Maßnahmen im Sommer die Ausbreitung erleichterte.

Obwohl der Anstieg der Prävalenz von 20A.EU1 parallel mit der in diesem Herbst steigenden Zahl von Fällen verläuft, sei die neue Variante nicht unbedingt ursächlich für den Anstieg, so die Epidemiologin Emma Hodcroft von der Uni Basel. Sie ist Erstautorin der Studie, die allerdings noch nicht von anderen Fachleuten begutachtet worden ist. "Es ist wichtig festzuhalten, dass es derzeit keinen Hinweis darauf gibt, dass die Verbreitung der neuen Variante auf einer Mutation beruht, die die Übertragung erhöht oder den Krankheitsverlauf beeinflusst", so Hodcroft.

Urlauber als Virenimporteure

Hodcroft und ihre Kollegen vermuten, dass Spaniens relativ hohe Fallzahlen und Beliebtheit als Urlaubsziel die Verbreitung in andere Länder im Sommer begünstigt haben. Der Studie zufolge entsprechen derzeit 90 Prozent der aktuellen Virus-Genomsequenzen aus dem Vereinigten Königreich, 60 Prozent der Sequenzen aus Irland und zwischen 30 und 40 Prozent der Sequenzen aus der Schweiz und den Niederlanden der neuen Variante 20A.EU1. Damit sei diese Variante derzeit eine der am weitesten verbreiteten in Europa. Auch in Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Lettland, Norwegen und Schweden wurde sie identifiziert.

Die Wissenschafter empfehlen eine Evaluation der Wirksamkeit von Grenzkontrollen und Reisebeschränkungen zur Eindämmung von Sars-CoV-2 während des Sommers, um für die Zukunft zu lernen. "Langfristige Grenzschließungen und strenge Reisebeschränkungen sind weder durchführbar noch wünschenswert. Aber anhand der Ausbreitung von 20A.EU1 scheint klar zu sein, dass die getroffenen Maßnahmen oft nicht ausreichten, um die Weiterverbreitung der neuen Variante zu stoppen", so Hodcroft. Es müssten bessere Wege gefunden werden, die Infektionszahlen auch nach der Lockerung scharfer Maßnahmen auf einem niedrigeren Niveau zu halten. (red, 29. 10. 2020)