Ein aktueller Bericht erhebt schwere Vorwürfe gegen Xhamster.

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Die Frage, welche Inhalte auf einer Onlineplattform veröffentlicht werden dürfen und welche nicht, ist bei pornografischen Webseiten besonders drängend. Immerhin ist es kein großes Geheimnis, dass hier von Nutzern oft aus Rache eigentlich im privaten Kontext aufgenommene Clips hochgeladen werden. Auch der Schutz Minderjähriger ist in diesem Zusammenhang ein besonders hohes Gut. Umso erschreckender ist, was nun eine aktuelle Recherche zutage fördert.

Moderation

Über mehrere Wochen hinweg haben sich Journalisten von "Vice" in das Moderations-Team einer der weltweit meistbesuchten Webseiten eingeschlichen: Xhamster. Dass dies überhaupt so einfach möglich war, zeigt bereits das erste große Problem auf: Die Moderation der Inhalte wird nämlich von einem Team aus mehr als hundert Freiwilligen vorgenommen. Diese entscheiden weitgehend nach eigenem Ermessen darüber, welche Inhalte problematisch sind und welche nicht.

Eine Schulung soll es dabei nicht geben, stattdessen gibt es ein simples Handbuch mit einigen einfachen Regeln. In der Folge entscheiden die Moderatoren nach eigenem Ermessen über die Inhalte, wie "Vice" betont. So bestimmen sie etwa, ob es sich bei einer gezeigten Vergewaltigung um eine echte Aufnahme oder eine vorgespielte Szene handelt, die dann online bleiben darf. Im Zweifel sei immer für die Veröffentlichung zu entscheiden. Auch die Frage, ob in einem Clip Minderjährige zu sehen sind, soll ausschließlich nach Augenschein vorgenommen werden, eine weitere Prüfung werde nicht vorgenommen.

Sexualisierte Gewalt

Ein anderes Thema findet im Regelwerk gar keine Erwähnung: die Veröffentlichung von illegal in Duschen oder Toiletten getätigter Aufnahmen – und dies, obwohl die Publizierung solcher Aufnahmen mittlerweile in vielen Ländern illegal ist. Auch der Umstand, dass Xhamster schon im Vorjahr für die Publizierung genau solcher Videos in der öffentlichen Kritik stand, scheint an dieser Praxis bislang nichts geändert zu haben.

"Vice" hat das gesamte aktuelle Regelwerk der Pornoseite parallel zu seinem Bericht online gestellt. Dessen Kern ist gerade einmal 2.800 Zeichen lang und mit 38 Beispielfotos illustriert.

Anonym

Was das gesamte System noch problematischer macht: Die Moderatoren können für ihre Tätigkeiten einfach ihre privaten Accounts auf der Plattform nutzen – und zwar anonym. Eine Überprüfung der Identität durch Xhamster gebe es nicht, wirft "Vice" den Betreibern vor. Dies bedeutet natürlich auch, dass sich hier Personen beteiligen könnten, die gezielt nach Inhalten suchen, die auf der Plattform sonst nicht veröffentlicht würden. Dieser Verdacht erhärtete sich offenbar auch bei den Recherchen: Mehrere der anderen Moderatoren gaben als Motivation an, dass sie mehr Privilegien auf der Seite haben wollten, andere handeln laut dem Bericht gar mit den von ihnen geprüften Materialien.

Die Betreiber von Xhamster äußern sich zu den erhobenen Vorwürfen nur knapp. Die Nutzer sollten versichert sein, dass Kontrollen existieren, wird in einer Stellungnahme versichert. Auf Detailfragen zu Ablauf und Regeln der Moderation wollte man hingegen nicht eingehen – aus technischen Gründen und wegen der "Sicherheit". (red, 28.10.2020)