Auch Billigairlines wie Ryanair leiden unter den Reisebeschränkungen. Gehen die Beschränkungen künftig wieder zurück, könnten sie ihre Angebote aber schnell wieder hochfahren.

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Bis zur Corona-Pandemie war das Fliegen eine Erfolgsgeschichte für die Fluganbieter: immer mehr Passagiere, immer mehr Flüge, immer mehr Menschen an Bord. Rund 4,2 Milliarden Flugpassagiere gab es weltweit laut Weltbank im Jahr 2018 – so viele wie noch nie in einem Jahr zuvor. Die großen Gewinner sind seit langem die Billigflieger: Ihr Marktanteil ist in jedem Jahr gewachsen. Rund ein Drittel der globalen Fluggäste transportierten sie 2018. Das Erfolgsrezept hieß niedrige Preise, Pauschalurlauber und maximale Auslastung.

Die Corona-Krise hat vielen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die weltweiten Reisebeschränkungen haben den Flugverkehr vorerst einbrechen lassen, tausende Jobs könnten wegfallen. An eine rasche Rückkehr zur "Normalität", wie es sie vor der Krise gab, glauben in der Branche nur die Optimisten. Klar scheint, dass die Luftfahrt in den kommenden Jahren mit weniger Maschinen, weniger Passagieren und weniger Airlines wird auskommen müssen. Und während die Corona-Krise kurz- und mittelfristig zu Einbrüchen führt, könnte die Klimakrise die Luftfahrt auch langfristig auf den Kopf stellen. Könnte es künftig vorbei sein mit den Billigflügen?

Billiges Fliegen in der Krise?

"Im Flugverkehr herrschen seit Jahrzehnten Überkapazitäten", sagt Stefan Gössling, Professor für nachhaltigen Tourismus an der Universität Lund in Schweden. Die Preise für Flüge seien in den letzten 25 Jahren um rund 60 Prozent gefallen, was zu einer enormen Nachfrage geführt habe. Ermöglicht habe dies eine "krasse Subventionierung", etwa indem Kerosin nicht besteuert wird und Airlines mit Milliardensummen ausgeholfen wird. "Gleichzeitig hat die Pandemie gezeigt, dass der Flugverkehr auch Risiken schafft", sagt Gössling. Denn erst durch den Flugverkehr habe sich das Coronavirus überall auf der Welt verbreiten können.

Dabei standen besonders die Billigflieger in der Kritik: Zu wenig Platz, zu viele Passagiere, kritisierte kürzlich Jens Bischof, Chef der zur deutschen Lufthansa gehörenden Eurowings. Freilich warb er im Anschluss gleich für sein eigenes Konzept: Mehr Geld für mehr Freiraum im Flugzeug, freie Mittelsitze oder gleich eigene Kabinen.

Aus gesundheitlichen Gesichtspunkten ist die Kritik wenig stichhaltig: "Es gibt keine Statistik, die bestätigen würde, dass ein Flug auch in einem vollbesetzten Flugzeug für die Passagiere das Risiko, sich mit Corona zu infizieren, nennenswert vergrößert", sagt Philipp Goedeking, Luftfahrtexperte beim deutschen Beratungsunternehmen Avinomics. Fliegen stelle nur dann ein gesundheitliches Risiko dar, wenn sich Gäste "falsch" verhalten, also beim Ein- und Aussteigen drängeln, keine Maske tragen, oder sich nicht die Hände waschen.

Jeder will billige Tickets

An den billigen Flugpreisen und dem Erfolgsrezept der Billigflieger konnte die Pandemie vorerst wenig ändern. Schon in den Sommermonaten dieses Jahres habe sich gezeigt, wie schnell der Ticketverkauf wieder anziehen kann, sobald Reisebeschränkungen gelockert werden, heißt es vom Beratungsunternehmen Cirium. Hinzu kommt, dass viele Menschen aufgrund der Corona-Krise ein geringeres Einkommen haben, weshalb sie auch in Zukunft eher zu billigen Flugtickets greifen könnten.

Freiheitstraum oder Klimawahnsinn?

"Man muss wollen, dass die Leute viel fliegen. Schließlich hat das Fliegen auch eine neue Form der Freiheit geschaffen", sagt Goedeking. Fest steht aber auch: Trotz der immer niedrigeren Flugpreise ist das Fliegen global gesehen nach wie vor ein Privileg der Wohlhabenden. Laut dem Institut für Europäische Umweltpolitik sind nur fünf bis zwanzig Prozent der Weltbevölkerung überhaupt schon einmal geflogen, die meisten Flüge gehen auf eine geringe Anzahl häufig fliegender Menschen zurück.

"Selbst in Europa fliegt nur rund ein Drittel ein- oder mehrmals im Jahr", sagt Gössling. "Zehn Prozent der Supervielflieger sind für rund fünfzig Prozent der Gesamtemissionen des Flugverkehrs verantwortlich." Rund fünf bis acht Prozent der global ausgestoßenen Treibhausgase gehen auf das Konto der Flugindustrie, heißt es vom deutschen Bundesamt. Fliegen sei nach wie vor die klimaschädlichste Art sich fortzubewegen.

Und nicht immer führe das Fliegen zu mehr Freiheit oder Wohlempfinden, so Gössling. "Ein nicht kleiner Teil des Flugverkehrs wird von den Passagieren nicht als besonderer Mehrwert empfunden." Immer mehr Flüge seien nur dafür da, den Vielfliegerstatus zu behalten. Gleichzeitig sei die Aufenthaltsdauer am jeweiligen Ziel immer weiter gesunken.

Kann billiges Fliegen nachhaltig sein?

Werden die wahren Kosten fürs Fliegen mit eingerechnet, würde es das Billigfliegen nicht mehr geben, so Gössling. Auf rund hundert Milliarden Euro würden sich die Kosten des Klimawandels durch die Luftfahrt pro Jahr belaufen. Diese werden in den Ticketpreisen allerdings nicht berücksichtigt.

Langfristig können laut Gössling nur eine CO2-Steuer und die Umstellung auf erneuerbare Brennstoffe den Flugverkehr nachhaltig machen. So sei der Antrieb mit grünem Wasserstoff zwar theoretisch möglich, erfordere aber auch mehr Platz. "Der Flugverkehr wäre am Ende etwa doppelt so teuer wie heute." Ob die Maßnahmen umgesetzt werden, sei letztlich eine Frage des politischen Willens.

Flugticketabgabe

Ein paar Vorstöße gibt es bereits. So kündigte die österreichische Regierung an, dass künftig keine Tickets mehr unter vierzig Euro angeboten werden dürfen. Auf Flügen unter 350 Kilometer wird eine Ticketabgabe von 30 Euro fällig. Besonders auf die Billigflieger könnte damit in Zukunft mehr Druck zukommen.

"Wir müssen uns fragen, welche dieser Maßnahmen wirklich dem Klima helfen", sagt Goedeking. "Sprit teurer zu machen wäre zumindest nicht wettbewerbsverzerrend, heimische Airlines vor Billigairlines zu schützen aber schon, und zudem protektionistisch. Wir sollten Billigairlines nicht dafür bestrafen, dass sie etwas billiger anbieten können."

Unschuldig sind die Fluganbieter deshalb nicht. Wie kaum jemand anderes verstehen sie es, durch perfekte Werbekampagnen zum Vielfliegen zu verleiten, so Gössling. "Billigflieger haben jahrelang einen neuen Lifestyle propagiert: Wer viel fliegt, hat einen hohen sozialen Status. Und wenn du ein Ticket um ein paar Euro ausschlägst, bist du dumm." (Jakob Pallinger, 29.10.2020)