Viele Landwirte sind von den Direktzahlungen aus Brüssel abhängig, fürchten aber zugleich zu hohe Umweltauflagen.

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Brüssel – Knapp zehn Hektar Land bewirtschaftet ein kroatischer Bauer im Schnitt, an die 20 Hektar sind es in Österreich, und mehr als sechsmal so viel Fläche haben tschechische Landwirte zu bestellen. Die Unterschiede sind enorm, nicht nur in der Größe, sondern auch in dem, was und wie die Landwirte produzieren. Dennoch fallen sie alle unter den gleichen Förderschirm – die GAP, kurz für Gemeinsame Agrarpolitik der EU. Die Weichen für deren Zukunft wurden in der Nacht auf Mittwoch in Luxemburg gestellt.

Bereits zwei Jahren dauern die Verhandlungen rund um den größten Fördertopf der EU an. Einer der Knackpunkte ist seit langem die flächenabhängige Förderung – also mehr Geld für viel Fläche. Künftig soll ein Teil dieser Direktzahlungen an Umweltleistungen gebunden werden. Der Rat der Agrarminister schlägt hier 20 Prozent vor, das EU-Parlament empfiehlt 30 Prozent. Die Grünen plädieren gar für eine 50-prozentige Zweckbindung.

Derzeit ist die Agrarförderung mit einem Anteil von knapp 40 Prozent der größte Posten im EU-Haushalt. In der kommenden Periode bis 2027 sollen es mit rund 387 Milliarden Euro noch 31 Prozent sein. Derzeit fließen 58 Milliarden Euro pro Jahr an die gut zehn Millionen landwirtschaftlichen Betriebe. Manche bewirtschaften 133 Hektar, andere drei. Auch nach Österreich fließen einige Milliarden – zuletzt knapp acht. In der Hauptsache als Direktzahlungen und als "Programm für ländliche Entwicklung".

Ökoregeln mit Lernphase

Mehrere EU-Staaten hatten verpflichtende Ökoregeln im Laufe der Verhandlungen noch abgelehnt. Nach Nachbesserungen am deutschen Vorschlag stand der Kompromiss dann am frühen Mittwochmorgen fest. Demnach ist nun unter anderem eine zweijährige "Lernphase" in der Sache vorgesehen. Sie soll einerseits sicherstellen, dass ungenutztes Geld aus diesen Umweltprogrammen für die EU-Staaten nicht verlorengeht. Außerdem sollen die Länder auch Umweltleistungen, die in der sogenannten zweiten Säule erbracht werden, bei diesen "Eco-Schemes" anrechnen lassen können. Jene Lernphase startet aber nicht sofort, sondern erst mit der Periode 2023/2024.

Auch das sogenannte Capping soll freiwillig bleiben, EU-Staaten können die Obergrenze für Direktförderungen aber eigenständig umsetzen. Dabei sollen direkte Fördermittel bei einem bestimmten Betrag – der Vorschlag lag bisher bei 100.000 Euro – gekappt werden, die eingesparten Mittel an kleinere Betriebe umverteilt werden. Österreich hat sich in der Vergangenheit für eine solche Regelung auf EU-Ebene eingesetzt – mit einer einfacheren Verhandlungsposition als so manch anderer EU-Staat: Immerhin gibt es hierzulande derzeit nur 16 Betriebe, die mehr Flächenprämien erhalten. Ein Capping sei daher einstweilen nicht geplant, heißt es aus dem Ressort von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP). Hierzulande sei der Kuchen sowieso mehr zugunsten kleinerer Betriebe aufgeteilt als in vielen anderen Ländern.

"Wir haben auf EU-Ebene durchgesetzt, dass der österreichische Weg respektiert und unterstützt wird", sagte die Ministerin am Mittwoch in einer Pressekonferenz. "Das Ergebnis ist ein wesentlicher Schritt in Richtung mehr Klima- und Umweltschutz in der europäischen Agrarpolitik, und gleichzeitig bekommen die Bäuerinnen und Bauern die Mehrleistungen abgegolten." Anstelle der befürchteten Einbußen von mehreren Hundert Millionen Euro bekäme Österreich nun in der kommenden Periode 35 Millionen Euro mehr. Österreich sei "der Feinkostladen Europas, von der Almwirtschaft im Westen bis hin zum Ackerbau im Osten". Auf EU-Ebene habe man sich jedenfalls für höhere ÖkoStandards eingesetzt.

Zu wenig für das Klima

Die Klimaauflagen sind bei weitem nicht ausreichend, lautet hingegen die Kritik von Österreichs Grünen im EU-Parlament, das erst im Laufe der Woche seine endgültige Linie festlegen wird. Wenig Freude kam auch bei Umweltschutzorganisationen auf: "Das ist ein dunkler Tag für die Umwelt und die Zukunft Europas", kritisierte der Umweltdachverband. Trotz des Green Deals würden Umwelt- und Biodiversitätsschutz bei der Verteilung der Agrarhilfen "weitgehend ignoriert". Weitermachen wie bisher sei keine Option, heißt es auch bei Global 2000. Für die Initiatoren des Tierschutzvolksbegehrens geht die EU-Agrarpolitik "in die völlig falsche Richtung". Und auch über der Grenze klingen die NGO-Rückmeldungen ähnlich: Der deutsche WWF sieht die "zerstörerische Subventionspolitik" zugunsten großer Agrarkonzerne fortgesetzt.

Die deutsche Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und viele ihrer europäischen Kollegen hätten sich für eine klassische Klientelpolitik für Großbetriebe und Agrarwirtschaft zulasten bäuerlicher Familienbetriebe und der Umwelt entschieden. "390 Milliarden Euro Agrarsubventionen sollen weiterhin weitgehend bedingungslos verteilt werden, statt damit gezielt Umwelt- und Klimaschutz in der Landwirtschaft zu fördern", poltert Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Lasse van Aken.

Die Vertreter der Kleinbauern, Via Campesina, sehen sich am Weg zurück in die Vergangenheit: "Wenn Köstinger vom 'österreichischen Weg' spricht, dann hat das heute dazu geführt, dass EU-weit Schlupflöcher geschaffen wurden, um Umweltregelungen und Eco-Schemes nicht umsetzen zu müssen. 20 Prozent Eco-Schemes sind völlig unzureichend." Auch in den Flächenförderungen müsse umgesteuert werden.

Fix sind die Pläne jedenfalls noch nicht. Bis Ende März kommenden Jahres – so die Hoffnung – soll der Trilog abgeschlossen werden. (Regina Bruckner, Nora Laufer, 21.10.2020)