Auch das grüne Team mit Stadtvize Hebein empfing Ludwig mit Süßem. Das Gastgeschenk der Grünen: Birgit- und Michl-Bier von einer kleinen Wiener Brauerei, die im Zuge des Wien-Wahlkampfs eine Sonderedition drucken hat lassen.

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Tag zwei – und damit das zweite Sondierungsgespräch stand am Dienstag in Wien an. Bürgermeister Michael Ludwig hat alle Parteien, mit denen er sich eine Koalition vorstellen kann, zu sich ins Rathaus geladen. Nur mit der FPÖ unter Dominik Nepp hat der Wiener SPÖ-Chef die rein rechnerisch mögliche Zusammenarbeit vor der Wahl ausgeschlossen.

Am Dienstag traf sich Ludwig mit alten Bekannten. Da standen die Gespräche mit den Grünen am Plan. Seit 2010 ist die SPÖ mit der Partei der amtierenden Vizebürgermeisterin Birgit Hebein in einer Koalition – damals ließ sich Ludwigs Vorgänger Michael Häupl auf das Experiment mit der Grünen Maria Vassilakou ein. Für wen sich Ludwig bei seiner ersten Regierungsbildung entscheidet, sei völlig "ergebnisoffen", wie er betonte.

Nachdem Ludwig den Neos am Montag Punschkrapferl serviert hatte, tischte er den Grünen Süßes aus einer veganen Bio-Bäckerei auf. Das Gastgeschenk der Grünen: ein Körbchen mit je zwei Flaschen Michl- und Birgit-Bier.

Frage: Was weiß man über die Gespräche von SPÖ und Grünen?

Antwort: Das grüne Sondierungsteam führte Vizebürgermeisterin Birgit Hebein an. Ihr zur Seite gestellt wurden Planungssprecher Peter Kraus und Klubchef David Ellensohn. Das SPÖ-Team besteht bei allen drei Sondierungsrunden aus Ludwig, Landesparteisekretärin Barbara Novak und Klubchef Josef Taucher. Kommunikationschef Raphael Sternfeld protokolliert. Über inhaltliche Themen wurde von beiden Seiten Stillschweigen vereinbart.

Frage: Was spricht für Rot-Grün III?

Antwort: Inhaltlich gibt es auch aus Sicht der SPÖ mit den Grünen die wenigsten Knackpunkte. Der größte Knatsch wäre wie bisher in Verkehrsfragen zu erwarten – wie bei der autofreien City, dem Parkpickerl oder dem Lobautunnel. So wie die SPÖ wollen aber auch die Grünen auf die Themen Bildung, Arbeitsmarktchancen, soziale Gerechtigkeit und vor allem Klimaschutz setzen. Als Argumente für Rot-Grün führte Hebein vor dem Treffen auch Erfahrung einerseits, sowie "Offenheit für Neues" an. "Wer, wenn nicht Rot-Grün, schafft die Gesundheits-, Arbeitsmarkt- und Klimakrise", meinte sie.

Frage: Was spricht dagegen?

Antwort: Das Verhältnis zwischen Ludwig und Hebein soll sich eher Richtung Tiefpunkt bewegen. Ludwig selbst spricht von einer bislang professionellen Arbeitsbeziehung – auch das klingt eisig. Doch ohne Hebein gibt es keine Koalition, ließen die Grünen wissen.

Frage: Wer trifft sich am Mittwoch?

Antwort: Die letzte Runde bestreitet Ludwig mit der Wiener ÖVP. Treffpunkt ist wie schon zuvor um 16 Uhr im Rathaus.

Frage: Wer verhandelt im Rathaus?

Antwort: Der türkise Landesparteichef und Finanzminister Gernot Blümel führt das ÖVP-Team an. An seine Seite hat das Landesparteipräsidium Gesundheitssprecherin und Seniorenbund-Präsidentin Ingrid Korosec, Finanzsprecher Manfred Juraczka sowie City-Bezirkschef Markus Figl gestellt.

Frage: Was ist das Ziel der ÖVP?

Antwort: Die ÖVP Wien will mitregieren, das betont sie zumindest immer. Inhaltlich setzt die ÖVP auf die Themenbereiche Integrationspolitik, "mehr Gerechtigkeit für die Leistungsträger". Man will mehr Kontrolle und fordert die Entlastung der Unternehmen in der Stadt.

Frage: Geht sich das mit der SPÖ aus?

Antwort: Aus Rathauskreisen heißt es, die Koalitionsvariante mit der ÖVP sei die unwahrscheinlichste. Wurde die ÖVP vor der Wahl als Geheimfavoritin gehandelt, kommt diese Rolle nach der Wahl den Neos zu. Auch wenn Ludwig eine enge Beziehung zu Wirtschaftskammerchef Walter Ruck pflegt, kommt er mit der Blümel-ÖVP nicht allzu gut zurande. Inhaltlich ist der Integrationsbereich ein großer Konfliktpunkt. Die ÖVP will etwa eine Reform der Wiener Mindestsicherung durchsetzen. Hier geht Wien einen eigenen Weg – von dem viele in der SPÖ nicht abweichen wollen.

Frage: Und was ist mit den Neos?

Antwort: Die Pinken machten am Montag den Anfang. Neos-Chef Christoph Wiederkehr und Bildungssprecherin Bettina Emmerling holten sich für die Sondierungen Unterstützung aus dem Bund in Person von Bundesgeschäftsführer Nick Donig.

Frage: Wie lief das Gespräch?

Antwort: Die Neos betonten, dass es ein "sehr konstruktives" und "offenes" Gespräch war. Man habe gemeinsame Schnittmengen ausgelotet. Zu inhaltlichen Punkten wurde, wie mit der SPÖ vereinbart, keine Stellung genommen. Wiederkehr hat zuvor aber bereits deutlich mehr Geld für Kindergärten, Schulen und den Klimaschutz sowie mehr Transparenz in Wien gefordert.

Frage: Drei Tage hintereinander wird sondiert, dann folgen die Koalitionsverhandlungen. Wie schnell muss es gehen?

Antwort: Die konstituierende Sitzung des Gemeinderats wird laut Bürgermeister Ludwig voraussichtlich am 24. November stattfinden. Bis dahin soll die neue Stadtregierung jedenfalls stehen. Dort werden nicht nur die 100 Mandatare des Gemeinderats angelobt und der Bürgermeister gewählt. Auch die Stadträte werden fixiert. Es wird erwartet, dass Ludwig noch Ende dieser Woche bekanntgibt, mit welcher Partei er in Koalitionsverhandlungen treten wird.

Frage: Wie werden die Stadträte bestimmt?

Antwort: Der Gemeinderat legt die Zahl der künftigen Stadträte fest. Derzeit sind es zwölf. Ist die Zahl einmal fixiert, werden die Stadträte – nach Mandatsstärke auf die Parteien aufgeteilt – gewählt. Bleiben es zwölf, stünden der SPÖ weiter sechs zu. Die ÖVP und die Grünen, die derzeit einen Stadtratsposten haben, würden je einen zusätzlichen Stadtrat erhalten, die Neos erstmals einen. Das geht auf Kosten der FPÖ: Sie verliert drei ihrer derzeitigen vier nicht amtsführenden Stadträte. (Oona Kroisleitner, David Krutzler, 20.10.2020)