Präventive Corona-Kontrollen in Wohnungen sind derzeit rechtlich nicht möglich. Und auch für die Zukunft unwahrscheinlich.

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Drei Nachfragen hat es gebraucht, bis Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei der Verkündung neuer Maßnahmen zugab, dass sich diese nicht auf den privaten Bereich beziehen. Den könne man nicht regulieren, sagte er. Leider, schwang mit, immerhin findet das Gros der Corona-Ansteckungen im Privatbereich statt.

Über 1.300 Fälle gingen zuletzt auf Haushalte zurück – ein Vielfaches von jenen, die ihren Ursprung in der Gastro (57), in der Freizeit (775) oder beim Sport (25) hatten. Und dennoch sind es die letzten drei Bereiche, für die die Sechs-Personen-Regel nun gilt. Für den Haushalt nicht.

Die Regeln für Veranstaltungen, also etwa dass daran bis Freitag noch zehn, ab dann nur noch sechs Personen teilnehmen dürfen, gelten nicht für "Veranstaltungen im privaten Wohnbereich", heißt es im Covid-Maßnahmengesetz. Das soll so bleiben, ließ Kurz durchblicken. Denn verfassungskonform lasse sich da nicht eingreifen.

Regeln wären änderbar

Nur: So ganz stimmt das nicht, sagt etwa der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk. Denn erstens könne man sich fragen, "worauf sich diese Ausnahme im örtlichen Geltungsbereich bezieht". Zweitens könne man die Passage herausnehmen und festlegen, dass das Gesetz ausdrücklich auch den Privatbereich umfasst – verfassungskonform.

Die Diskussion ist übrigens keine neue. Schon im April sagte der Verfassungsjurist Heinz Mayer, Regeln für das Verhalten in privaten Wohnungen zu erlassen wäre prinzipiell möglich gewesen, auch im Einklang mit den Grundrechten. Nur: Derartige Eingriffe müssten verhältnismäßig sein, sagen Mayer und Funk.

Polizei kann aus vielerlei Gründen kommen

Die Polizei kann prinzipiell aus verschiedenen Gründen eine Wohnung betreten. Einerseits gibt es die Durchsuchung auf staatsanwaltschaftliche Anordnung, etwa wenn nach einem flüchtigen Täter gesucht wird. Andererseits gibt es die Hilfeleistung, bei der Räumen betreten und durchsucht werden dürfen. Bei Gefahr in Verzug kann die Polizei laut Innenministerium auch ohne Anordnung eine Durchsuchung machen, der Staatsanwaltschaft sei darüber aber "alsbald" zu berichten. Dazu gibt es die Nachschau, etwa bei einer Beschwerde wegen Lärmbelästigung. Der stattzugeben ist freiwillig, eine Anzeige kann dennoch folgen.

All diese Fälle seien "gar nicht so grundverschieden von Eingriffen zur Bekämpfung einer Pandemie", sagt Funk. Die Verfassung sei also auch in diesem Fall kein "unübersteigbares Hindernis".

Keine Präventivkontrollen

Was die Corona-Regeln angeht, so hat die Polizei laut Innenministerium derzeit keine Befugnis zum Betreten einer Wohnung, außer sie müsse ihrer Hilfeleistungspflicht nachkommen. Das könne etwa sein, wenn Ansteckungsgefahr bestehe, sagt auch Funk. Und: Wenn die Polizei Grund zur Annahme hat, dass jemand, der behördlich in Quarantäne ist, Besuch bekommt, könne sie Nachschau halten und gegebenenfalls einschreiten – immerhin könnte eine Gefährdung bestehen.

Jene Corona-Partys, die aufgrund von Lärmbelästigung auffielen, seien ein rechtlicher Graubereich, sagt Funk. Prinzipiell ist es ja nicht verboten, Leute zu sich einzuladen. Wenn das aber umschlägt in eine Veranstaltung, die sehr wohl verboten ist, dürfe die Polizei einschreiten und ermitteln. Die Polizei braucht für derartige Besuche aber in jedem Fall einen begründeten Verdacht. "Dass sie auf bloße Vermutung hin von Wohnung zu Wohnung geht, ist nicht zulässig", sagt Funk.

Eine derartige präventive Kontrolle des privaten Lebensbereichs sei nur dann vorstellbar, "wenn die Pandemie Ausmaße wie die Pest annimmt", sagt Funk. Das sei derzeit nicht der Fall. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) jedenfalls betonte am Dienstag: Kontrollen im Privaten werde es nicht geben – egal ob rechtlich möglich oder nicht. (Gabriele Scherndl, 20.10.2020)