Er sieht unscheinbar aus, doch er hat eine Widerstandskraft von sagenhaftem Ausmaß.
Foto: David Kisailus / UCI

Er ist um die zwei Zentimeter lang, schwarzgrau gefärbt, hat einen Panzer mit schrundiger, an Borke erinnernder Oberfläche – und das Potenzial dazu, jeden, mit dem er es zu tun bekommt, zu frustrieren. Denn Phloeodes diabolicus aus dem Südwesten der USA, ein Käfer aus der Gruppe der Zopherinae, gilt als nahezu unzerstörbar. Im Englischen trägt er den Namen diabolical ironclad beetle, also "teuflischer gepanzerter Käfer".

Insektenhasser, die aus unerfindlichen Gründen alles, was am Boden auf sechs Beinen herumkrabbelt, am liebsten zertreten möchten, werden sich selbst mit gutem Schuhwerk anstrengen müssen, diesen Panzer zu knacken. Ihre liebe Not haben aber umgekehrt auch Insektenliebhaber, die ihre Liebe dadurch ausdrücken, dass sie tote Exemplare auf Nadeln spießen und in Schaukästen sammeln: Bei Zopherinae muss oft erst einmal ein Bohrer angesetzt werden, um danach eine Nadel durchzubringen. Und Vögel, Eidechsen oder Nagetiere auf Insektenjagd scheitern an dieser Beute erst recht.

Einfach ausharren, bis der Angreifer wieder abzieht

Die Verteidigungsstrategie des Wüstenbewohners beschränkt sich ganz darauf, sich tot zu stellen. Und warum sollte er auch mehr tun? Wer auch immer einen Angriff gestartet hat, kommt anschließend ohnehin nicht weit. Der Käfer übersteht es sogar, wenn er von einem Auto überrollt wird, berichten Forscher der University of California in Riverside. Die Materialwissenschafter kamen in Labortests zum Ergebnis, dass der Käferpanzer erst bei der eineinhalbfachen Kraft, die ein durchschnittlicher Pkw-Reifen auf ihn ausüben würde, geknackt wird.

Der Käfer ist ein flugunfähiger Bodenbewohner, darum sei er weder ein Leichtgewicht noch schnell, sondern wie ein kleiner Panzer gebaut, sagt David Kisailus von der University of California, der zusammen mit Kollegen untersucht hat, was das Exoskelett des Tiers so stabil macht. Im Fachmagazin "Nature" präsentierten sie ihre Erkenntnisse zur Materialzusammensetzung und zu den Mikro- und Nanostrukturen dieses Schutzes.

Beeindruckende Laborwerte

Studienerstautor Jesus Rivera führte im Labor eine Reihe von hochauflösenden mikroskopischen und spektroskopischen Untersuchungen an den Käfern durch. Der entscheidende Teil des Panzers sind laut Rivera die Elytren, also die käfertypischen Deckflügel, die sich schützend über Hinterflügel und Körper legen. Diese setzen sich aus Schichten von Chitin und einer Proteinmatrix zusammen. Der Vergleich mit einer anderen Käferart zeigte, dass der Proteinanteil in der äußeren Schicht bei Phloeodes diabolicus deutlich höher ist, was auch die Widerstandsfähigkeit erhöht.

Purdue Engineering

Darüberhinaus ist die Mikrostruktur des Panzers auf eine möglichst optimale Kombination aus Festigkeit und Biegsamkeit angelegt, um die auf sie einwirkende Energie abzufangen und zu verteilen. Die Verbindung zwischen den beiden Teilen der Elytren ähnele einem Puzzle aus ineinander verzahnten Stücken. Unter Druck bricht diese Struktur nicht an der dünnsten Stelle, sondern gibt nur in Form eines schichtweisen Abblätterns nach. Als Rivera zusammen mit Kollegen von der Purdue University vergleichbare Strukturen im 3D-Drucker herstellte, zeigten diese ebenfalls maximale Stabilität.

Die Forscher hoffen, dass sie nach dem Vorbild des Käfers besonders belastungsresistente Kompositmaterialien herstellen können, die sich beispielsweise im Flugzeugbau einsetzen ließen. Die Qualitätsvorgabe aus der Natur ist jedenfalls beachtlich: Im Labortest zeigte sich, dass der Käfer einer Druckkraft widerstehen kann, die dem 39.000-Fachen seines Gewichts entspricht. Ein 90 Kilogramm schwerer Mensch müsste dafür einem Gewicht von dreieinhalbtausend Tonnen standhalten können. (jdo, 22. 10. 2020)

Bild nicht mehr verfügbar.

Auf eine gänzlich andere Weise sind die gut gepanzerten Zopherinae schon seit der Zeit der Maya ein begehrtes Material: Nahe Verwandte des "teuflischen" Käfers werden mit Strass-Steinen beklebt und mit einer Kette an der Kleidung befestigt. So trägt man sie als sogenannte Maquech – als lebende Broschen.
Foto: AP Photo/U.S. Customs and Border Protection