Fleischlose Burger sind in Optik und Geschmack solchen mit Fleisch mittlerweile zum Verwechseln ähnlich.

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Es war eine Fahrt auf der Hochschaubahn. Im März schoss in Österreich die Nachfrage nach Grundnahrungsmitteln und Fertiggerichten durch die Decke. Ob Mehl, Nudeln oder Konserven: Der Bedarf an Lebensmitteln explodierte um elf Prozent. Die Nahrungsmittelindustrie fuhr zusätzliche Schichten, produzierte vielerorts rund um die Uhr. Bis der Markt ab April um mehr als acht Prozent abrupt einstürzte. Der Lockdown war vorbei, die Hamsterkäufe waren beendet und die Vorratslager der Konsumenten gut gefüllt. Erst im Juni nahmen ihre Einkäufe wieder um ein Prozent zu.

Letztlich kam die Lebensmittelindustrie mit einer roten Null und einem blauen Auge durch das erste Halbjahr, zieht Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin des dafür zuständigen Verbands, Bilanz. Sorgen vor Engpässen bei wichtigen Rohstoffen blieben unbegründet. Mehr Nerven kosteten die Unsicherheit an Staatsgrenzen und Engpässe in der Logistik. Nicht an Essen fehlte es in Zeiten von Corona– vielmehr wurden Verpackung und Paletten knapp.

Nicht nur Lippenbekenntnisse

Harte Kost ist für die Branche der Einbruch in der Gastronomie und Eventwirtschaft, von der Krise des Wintertourismus nicht zu sprechen.

Michael Blass, Chef von AMA Marketing, beobachtet eine Machtverschiebung hin zum Lebensmittelhandel. Briefe, in denen etwa der Supermarktkonzern Spar Lieferanten klarmacht, keine Betriebsurlaube rund um Weihnachten oder Mindestbestellmengen zu dulden, seien nur eine Ausdrucksform dafür. "Mit Partnern geht man anders um." Die Art und Weise, in der sich der Handel nun positioniere, entscheide darüber, wie gut Landwirte und verarbeitende Unternehmen in einigen Jahren aufgestellt seien. Es brauche hier nicht nur Lippenbekenntnisse.

Pläne der Regierung, importierte Lebensmittel im Dienste eines größeren regionalen Konsums stärker zu besteuern, hält Blass für riskant. Nahrungsmittel zu verteuern gehe zulasten des Wohlstandes. Und was bei weitgereisten Lebensmitteln beginne, könne bei dubiosen Vorgaben für regionale Produkte enden.

Koßdorff warnt davor, sich über neue Regulierungen von Lebensmitteln nach außen hin abzuschotten. "Wir brauchen den starken EU-Binnenmarkt. Renationalisierung ist wirtschaftlich eine Einbahnstraße."

Zwei Drittel über die Grenzen

Österreichs erlebt seit Ausbruch der Pandemie einen Boom an Nahrungsmittelexporten. Erstmals gibt es eine ausgeglichene Außenhandelsbilanz. Im Handel mit Deutschland wurde Österreich sogar Nettoexporteur. Alles in allem gehen zwei von drei hierzulande hergestellten Lebensmitteln über die Grenzen.

Gespannt gen Brüssel blickt dieser Tage auch die Fleischwirtschaft: Heute will das EU-Parlament entscheiden, ob, wo Wurst draufsteht, auch Wurst drin sein muss. Denn der Agrarbranche ist die wachsende Zahl vegetarischer und veganer Anbieter ein Dorn im Auge. Sie will Begriffe wie Steak, Schnitzel und Burger allein für Fleisch bewahrt wissen. Die fleischlose Konkurrenz müsse sich mit weniger bekömmlichen Namen wie Bratflecken, Grillquadraten und Veggie-Disks zufriedengeben. Alles andere sei irreführend.

Konkret stehen heute zwei Vorschläge zur Abstimmung an. Einer davon ist die Hardcore-Variante, der andere ein Kompromiss, der jedoch aus Sicht von Felix Hnat, Chef der Veganen Gesellschaft Österreich, erheblich Verwirrung stiftet.

Keine Verwechslungen?

Demnach soll es bei Formen wie Burgern oder Würsteln erlaubt bleiben, auf Fleisch zu verzichten – sofern dies auf der Verpackung klar ausgewiesen wird. Haben sie jedoch wie Steaks oder Koteletts anatomischen Bezug, sollen sie Fleischprodukten vorbehalten bleiben.

Letztlich sei beides absurd, meint Hnat. "Hand aufs Herz: Kennen Sie jemanden, der statt Fleisch fälschlicherweise vegetarische Lebensmittel gekauft hat?" Konsument seien mündig. "Es glaubt auch keiner, dass in einer Fleischtomate Fleisch enthalten ist." Hnat sieht Konsumentenschützer auf seiner Seite, da auch diesen keinerlei Beschwerden über Verwechslungen bekannt seien. "Es ist alles billiger Aktionismus einiger weniger Agrarfunktionäre."

Blass und Koßdorff sehen die Sache gelassen. Was immer die neue rechtliche Vorgabe sei, die Industrie halte sie ein. (Verena Kainrath, 20.10.2020)