Beim ersten Schneefall im Winter geht den Touristikern für gewöhnlich das Herz auf. Heuer ist Corona-bedingt alles anders. Reisewarnungen lassen Schlimmes für den Winter befürchten.

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Ein kleines, unsichtbares Virus stellt die Wintersportgroßmacht Österreich auf ihre bisher größte Probe. Anders als im Sommer ist im Winter die Abhängigkeit der Branche von Auslandsgästen riesig. Drei von vier Gästen kommen von jenseits der Grenze. Warnungen vor Reisen nach Österreich haben Anfragen und Vorausbuchungen fast zum Erliegen gebracht. Mancher Hotelier überlegt, ob er überhaupt aufsperren soll.

In der ORF-Sendung Im Zentrum ließ Rechtsanwalt, Hotelier und Immobilienunternehmer Christian Harisch am Sonntag mit der Forderung eines "Lockdowns light" aufhorchen. Der Grundtenor: "Opfern wir den November und retten die restliche Wintersaison."

"Alkoholzustellung verbieten"

Im STANDARD-Gespräch präzisierte Harisch, was er mit "Lockdown light" meint. "Es geht darum, die Infektionszahlen rasch zu senken. Sonst bekommen wir die Reisewarnungen nie weg. Weil touristisch noch wenig los ist, sollten wir den Betrieb zurückfahren, damit wir nicht auch noch den Dezember, Jänner und Februar verspielen", sagte Harisch. "Um das Infektionsrisiko zu senken, sollte man auch die Alkoholzustellung mittels Lieferservice verbieten." Der Großteil der Infektionen erfolge nämlich im privaten Bereich, und Alkohol wirke als Beschleuniger.

Von den zur Harisch-Gruppe gehörenden Hotels hat derzeit nur der Lanserhof in Lans (Tirol) geöffnet. Alle anderen Betriebe, darunter das Hotel Schwarzer Adler, Weißes Rössl und das Schloss Lebenberg in Kitzbühel, will Harisch am 4. Dezember wieder aufsperren. Weil im Frühjahr anstehende Instandhaltungs- und Renovierungsarbeiten Corona-bedingt nicht möglich waren, werden diese jetzt nachgeholt.

Verschärfte Corona-Auflagen

Am Montag hat die türkis-grüne Regierung verschärfte Corona-Auflagen beschlossen. Ein Lockdown soll vermieden werden. Ab Freitag dürfen sich bei privaten Zusammenkünften in geschlossenen Räumen nur noch maximal sechs (erwachsene) Personen treffen, im Freien höchstens zwölf. Davon betroffen sind Restaurantbesuche genauso wie Geburtstagsfeiern oder Hochzeiten. Harisch ist froh, dass nun zumindest Klarheit besteht und damit Planungssicherheit gegeben ist.

Bleiben die Reisewarnungen, "ist die Branche tot"

Unterstützung für noch schärfere Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionen und somit auch für einen "Lockdown light" erhält Harisch aus Vorarlberg. "Aus Sicht eines Hoteliers aus einer Wintersportdestination im Westen macht das absolut Sinn", sagt Gregor Hoch vom Hotel Sonnenburg in Lech. "Mir ist klar, dass es nicht ganz einfach ist. Andererseits – wenn die Reisewarnungen über den Winter bestehen, ist die Branche tot."

Bei der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) hat man eine differenziertere Sicht der Dinge. "Ein softer Lockdown mag aus Sicht von Einsaisonbetrieben, die jetzt noch geschlossen haben und erst vor Weihnachten aufsperren, richtig scheinen. Gesamtwirtschaftlich aber wäre der Schaden zu groß," sagte Martin Stanits von der ÖHV. "In der Südsteiermark und auch in anderen Regionen gibt es Tophäuser, die auch jetzt noch Gäste haben und vielleicht mit einem blauen Auge davonkommen; denen wäre mit einer Sperre alles andere als geholfen."

Drohung mit Quarantäne

Sorgen bereitet der Branche, dass Deutschland seine Landsleute auch bei negativem Corona-Test fünf Tage in Quarantäne schicken will, wenn sie vorher in einem Risikogebiet waren. Das deutsche Außenamt hat schon vor einiger Zeit Reisewarnungen für Wien, Tirol und Vorarlberg verhängt. Österreich ist damit nicht allein. Berlin warnt mittlerweile auch vor Reisen in viele andere Regionen, darunter die Balearen. Bei 50 Infektionen je 100.000 Einwohner springt die Ampel auf Rot. Dänemark hat ganz Österreich als Risikogebiet eingestuft. Für die Niederlande sind Wien, Niederösterreich, Vorarlberg und Nordtirol, nicht aber Osttirol, hochriskant.

Hotelier Harisch rechnet im heurigen Winter im besten Fall mit einem Minus von 20 Prozent: "Wenn sich alle Deutschen und Holländer an die Reisewarnungen halten, verlieren wir 75 Prozent unserer Gäste. Hält sich nur ein Teil daran, sind es entsprechend weniger." Am besten jedenfalls wäre es, wenn die gesetzten Maßnahmen der Bundesregierung greifen und die Reisewarnungen aufgehoben werden. (Günther Strobl, 20.10.2020)