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Zwischen der Neigung zu Untreue und einer tiefen Männerstimme scheint es einen Zusammenhang zu geben.

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Frauen und Männer gleichermaßen weisen der männlichen Stimmlage unbewusst eine hohe Bedeutung zu. So zeigte sich bei einer Studie von Forschern der Pennsylvania State University vor vier Jahren, dass Frauen hinter einer tieferen Stimme einen attraktiven Mann vermuten, während Männer einen Bass mit Dominanz verbinden und sich von ihm eher einschüchtern lassen. In der Politik wird eine tiefe männliche Stimme mit Vertrauenswürdigkeit, Durchsetzungsvermögen und Intelligenz assoziiert – mit anderen Worten: Ein sonores, tiefes Organ gilt für viele als ein Zeichen von Führungsqualität.

Nun aber deutet eine Untersuchung an, dass es mit der Zuverlässigkeit eines Mannes mit tiefer maskuliner Stimmlage nicht weit her sein könnte: Frequenzanalysen von Sprechproben sollen statistisch relevante Hinweise darauf geliefert haben, dass bei Männern mit tiefer Stimme die Bindung zu einer Partnerin bzw. einem Partner geringer und die Neigung zu Seitensprüngen dafür umso stärker ausgeprägt ist. Bei Frauen dagegen ergab sich kein Zusammenhang zwischen Stimmlage und Stabilität der Paarbeziehung.

Grundfrequenz, Schwankungsbreite, Obertöne

Für ihre im Fachjournal "Personality and Individual Differences" veröffentlichte Studie hat ein Team von chinesischen Forschern um Yong Zheng von der Southwest University in Chongqing 254 heterosexuelle chinesische Studentinnen und Studenten im Alter von 18 bis 26 Jahren rekrutiert. Die Wissenschafter analysierten das Frequenzmuster der Aussprache von fünf vorgegebenen Wörtern. Dabei isolierten sie die für die Tonhöhe charakteristische Grundfrequenz, die Schwankungsbreite und die Obertöne, die für die Klangfarbe verantwortlich sind. Darüber hinaus ermittelten die Psychologen bei den Studienteilnehmern, basierend auf einem standardisierten Fragenkatalog, die Einstellung und Neigung zur Untreue sowie die Qualität der aktuellen oder zurückliegenden Partnerschaften.

"Wir haben dabei entdeckt, dass das Wesen der Stimme zuverlässige Hinweise auf Untreue und Stärke der Paarbindung liefern kann", berichten die Wissenschafter. Konkret soll sich bei der Untersuchung für die Männer eine enge Verbindung zwischen der stimmlichen Grundfrequenz und ihrer Schwankungsbreite einerseits und den jeweiligen Aussagen zu Untreue und Qualität der Paarbeziehungen andererseits ergeben haben: Je tiefer die Stimmlage und je geringer die Schwankungsbreite der Tonhöhen demnach waren, desto wahrscheinlicher wurden untreues Verhalten und eine schwächere Paarbindung festgestellt. Ähnliche Korrelationen konnten bei den weiblichen Probanden dagegen nicht entdeckt werden. Freilich seien diese Resultate mit Vorsicht zu genießen, so die Wissenschafter. Es bedürfe noch weiterer Studien, die die Ergebnisse bei älteren Teilnehmern, länger andauernden Beziehungen und Menschen anderer Kulturen bestätigen – oder vielleicht auch widerlegen.

Testosteron als Schlüssel zu Untreue und tiefer Stimme

Einen biologischen gemeinsamen Nenner zwischen tiefer Stimme und Promiskuität könnte es allerdings tatsächlich geben, denn beides ist dem Spiel der Hormone zu verdanken: Die Unterschiede der Stimmlagen bei Frauen und Männern gehen auf Veränderungen des Kehlkopfs und des Vokaltrakts während der Pubertät zurück. Die verstärkte Produktion des Sexualhormons Testosteron lässt bei Buben den Kehlkopf und damit auch die beiden Stimmlippen wachsen. Nach der Pubertät sind diese gut doppelt so lang wie in der Kindheit, und die Stimme erklingt um etwa eine Oktave tiefer. Dabei gilt: je mehr Testosteron, desto tiefer die Stimme.

Auch bei Mädchen wird in dieser Zeit Testosteron ausgeschüttet, allerdings in weitaus geringerem Ausmaß: Die Stimmlippen verlängern sich bei ihnen um nur vier bis fünf Millimeter, und die erwachsene weibliche Stimme wird um etwa eine Terz tiefer. Im Laufe der Evolution dürfte es sich für Frauen als vorteilhaft erwiesen haben, Sexualpartner mit möglichst tiefer Stimme zu bevorzugen, denn der höhere Testosteronspiegel bewirkt höhere Aggressivität und ein dominanteres Verhalten, was unter anderem den Aufstieg in der sozialen Hierarchie begünstigt.

Dass es einen Zusammenhang zwischen hohen Testosteronwerten und promiskuitivem Verhalten bei Männern gibt, wurde schon in früheren Studien festgestellt. Vergleichbares gilt übrigens auch für Frauen: Ein hoher Östrogenlevel korrelierte bei Untersuchungen auch mit vermehrter weiblicher Untreue. (tberg, red, 19.10.2020)