Extrem hohe UV-Strahlung, die robuste Mikroben nach wenigen Minuten dahinrafft, macht diesem Bärtierchen nichts aus. Es verfügt nämlich über ein einzigartiges, blau fluoreszierendes UV-Schutzschild.

Harikumar Suma und Sandeep Eswarappa, Biology Letters 2020

Bärtierchen sind winzige Kreaturen, die unter dem Mikroskop betrachtet ziemlich komisch aussehen: in etwa wie ein zerknautschter Staubsaugerbeutel mit acht Beinen dran. Die nicht einmal einen Millimeter langen und im Wasser oder auf Moos lebenden Tierchen faszinieren die Forschung schon seit langem, handelt es sich bei ihnen doch um einzigartige Überlebenskünstler. Ihnen macht das Vakuum des Weltraums ebenso wenig aus wie extremste Temperaturen, völlige Trockenheit oder hoher Druck.

Forscher gehen deshalb davon aus, dass es diese Tierchen auf der Erde geben wird, bis die Sonne stirbt. Indische Wissenschafter haben nun eine neue Bärtierchen-Art entdeckt, die eine weitere Superwiderstandskraft besitzt, die vor allem dann brauchbar sein wird, wenn sich die Sonne in sehr ferner Zukunft zu einem riesigen Ball aufblähen wird: Diese Spezies kann nämlich extrem hohe Dosen ultravioletten Lichts ertragen, die vermutlich kein anderes Lebewesen überstehen würde – nicht einmal die zähesten Bakterien und Viren.

Indische Zufallsentdeckung

Die Entdeckung war eigentlich ein Zufall: Forscher um den Biochemiker Sandeep Eswarappa (Indian Institute of Science in Bangalore) suchten auf ihrem Campus nach Wasserbärchen und wurden in Moospolstern auf einer Betonwand fündig. Danach wollten sie die gefundenen Exemplare extremen Bedingungen aussetzen. Da sie zufällig eine keimtötende UV-Lampe im Labor hatten, traktierten sie die Wasserbärchen damit.

Die Dosis von einem Kilojoule pro Quadratmeter, die Bakterien und Spulwürmer bereits nach fünf Minuten hinwegraffte, war auch für die meisten Bärtierchen der bekannten Art Hypsibius exemplaris tödlich, allerdings erst nach 24 Stunden. Doch rotbraune Exemplare einer anderen und bis dahin unbekannten Bärtierchen-Art hatten mit dem extremen UV-Licht überhaupt keine Probleme. Selbst als die Wissenschafter die Dosis um das Vierfache erhöhten, überlebten etwa 60 Prozent dieser Art, die zur Gattung Paramacrobiotus gehört, mehr als 30 Tage lang.

Blaues Leuchten unter UV

Damit nicht genug: Wie die Forscher im Fachblatt "Biology Letters" berichten, leuchtet die neue Art unter UV-Licht hellblau, was wiederum darauf hindeutet, dass der extrem gute UV-Schutz etwas mit der Fluoreszenz zu tun haben muss.

Um diese Frage zu klären, opferte das Team einige Vertreter der neuen Bärtierchen-Art und stellte aus ihnen ein Extrakt aus den fluoreszierenden Pigmenten her, mit dem die UV-empfindlichen Exemplare von Hypsibius exemplaris versetzt wurden. Wie neuerliche Versuche zeigten, bot der Extrakt zumindest einen gewissen Schutz und verdoppelte die Lebensdauer der damit ausgestatteten und mit UV-Licht bestrahlten Tiere.

Der noch nicht restlos aufgeklärte Fluoreszenzmechanismus scheint also tatsächlich auch das Geheimnis hinter der Super(widerstands)kraft zu sein.

Warum aber der ganze Aufwand mit dem fluoreszierenden Schutzschild? Die Erklärung scheint für die Forscher buchstäblich sonnenklar: Die Bärtierchen entwickelten den neu entdeckten Schutzmechanismus vermutlich deshalb, um die hohen UV-Dosen tolerieren zu können, wie sie für die extrem heißen und sonnigen Sommertage in Südindien typisch sind. (tasch, 16. 10. 2020)