Mit dem Agrar-Förderregime der EU stand der selbsternannte Feinkostladen Österreich schon öfter auf Kriegsfuß.

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Brüssel/Wien – Kommende Woche wollen sich die EU-Länder auf eine Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik nach 2020 einigen. Österreich fürchtet eine Benachteiligung durch das neue Ökoschema und fordert einen Rahmen, der die Weiterführung des bisherigen Systems ermöglicht, verlautet aus informierten Kreisen in Brüssel.

Österreich müsste sein Agrarsystem grundlegend verändern, wenn die Ökoambitionen über die sogenannte erste Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), die Direktzahlungen nach Fläche und Großvieheinheit vorsieht, abgewickelt werden, wird gewarnt. Besser wäre es, die Umweltleistungen weiterhin auf beide Säulen aufzuteilen. Die sogenannte zweite Säule, die Maßnahmen zur ländlichen Entwicklung bündelt, gilt als Lebensader der österreichischen Landwirtschaft, die die Erhaltung von Kleinbetrieben ermöglicht hat.

Höhere Umweltstandards

Höhere Umweltstandards müssten aufgrund des vereinbarten EU-Klimaschutzplans Green Deal, der "Vom Hof auf den Tisch"- und der Biodiversitätsstrategie eingeführt werden, dies werde nicht bestritten. Österreich befürworte auch das Vorhaben, die erste Säule ökologischer zu gestalten. Würden in der zweiten Säule aber noch höhere Ambitionen gefördert, stelle dies ein Problem dar. Dann gebe es keinen Spielraum mehr, den die unterschiedlichen Landwirtschaften der Mitgliedsstaaten jedoch bräuchten.

Auch die langfristige Planung im Rahmen der zweiten Säule wird als für nachhaltige Maßnahmen geeigneter angesehen als die kurzfristigen Planungsphasen der ersten Säule. Als Kompromiss schlägt Österreich daher vor, dass jeder Mitgliedsstaat entscheiden darf, wie er die Anrechnung der Umweltleistungen ausgestaltet.

Mehr Leistung, mehr Geld

"Erhöhte, verpflichtende Umweltauflagen in der ersten Säule, ohne die Umweltleistungen in der zweiten Säule zu berücksichtigen, wären ein No-Go", hatte Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) bereits Ende September klargestellt. "Höhere Leistungen ohne entsprechende Möglichkeiten, diese abzugelten, wären inakzeptabel." Es müsse eine gesamthafte Betrachtung der umweltbezogenen Leistungen erreicht werden, so die Ministerin.

Suche nach Mitstreitern

Österreich will dem Vernehmen nach eine Allianz aus gleichgesinnten Ländern mit einer ähnlich kleinräumig strukturierten Landwirtschaft schmieden. Bisher haben etliche EU-Mitglieder, darunter Kroatien und Lettland, den deutschen Vorschlag ebenfalls kritisiert.

Basis für die Verhandlungen der zuständigen EU-Minister am kommenden Montag und Dienstag in Luxemburg ist die von der EU-Kommission 2018 vorgeschlagene umfangreiche GAP-Reform. Der deutsche Ratsvorsitz hatte Ende September einen Entwurf präsentiert, der zu Öko-Regelungen verpflichtet, an die ein Mindestanteil der Direktzahlungen gekoppelt sei, ohne Zahlen zu nennen.

Trilog beginnt

Nächste Woche will das EU-Parlament in erster Lesung Stellung nehmen zum Vorschlag, danach geht es in die sogenannten Trilog-Verhandlungen der drei EU-Institutionen. In der ersten Hälfte 2021 unter portugiesischem Ratsvorsitz soll die Gemeinsame Agrarpolitik – die erste ohne Großbritannien als EU-Mitglied – feststehen.

Köstinger rechnet dabei mit zwei Übergangsjahren. Eigentlich hätte die neue Phase bereits 2021 starten und bis 2027 laufen sollen. Aber die EU-Parlamentswahlen im Juni 2019 und das Tauziehen um den mehrjährigen EU-Finanzrahmen verzögerten die Agrarverhandlungen.

Es geht um 58 Milliarden Euro

Derzeit ist die Agrarförderung mit einem Anteil von rund 40 Prozent der größte Posten im EU-Haushalt. Etwa 58 Milliarden Euro fließen pro Jahr an die landwirtschaftlichen Betriebe. Damit soll unter anderem die Lebensmittelversorgung in Europa gewährleistet werden. Ein Großteil des Geldes geht – in der sogenannten ersten Säule – als Direktzahlung an die Landwirte. Ein geringerer Teil geht in der zweiten Säule etwa in Programme für nachhaltige und umweltschonende Bewirtschaftung sowie in die Entwicklung des ländlichen Raums. (APA, red, 13.10.2020)