Marlice van Vuuren lauscht angestrengt in die Stille der Savanne, doch nirgendwo ist ein verdächtiges Geräusch zu hören. Nur eine unbekannte Vogelstimme ruft in der Ferne. "Die Hunde müssen ganz in der Nähe sein", sagt die Naturschützerin und deutet auf die frischen Fährten im Sand.

Die Spuren in einem ausgetrockneten Bachbett verraten, wer hier wohl vor wenigen Stunden unterwegs gewesen sein muss. Es sieht so aus, als sei gerade eine ganze Meute durch den namibischen Busch gezogen. "Wildhunde gehörten früher einmal zu Afrika wie Löwen und Leoparden", erklärt die 44-jährige Namibierin und streicht sich die langen, blonden Haare hinters Ohr, "inzwischen sind sie aber fast überall verschwunden."

Painted Dogs

Nur wenig später ist es so weit. Vor einer Buschgruppe tollen vier halbwüchsige Hunde umher. Die Welpen purzeln durch den Sand, werfen sich vergnügt jaulend aufeinander. Ein Knäuel aus ineinander verkeilten Beinen, Köpfen und weißen Schwanzspitzen rollt durch die Savanne.

Schwarznasenimpalas kommen nur im Südwesten Afrikas vor.
Foto: Markus Arnold

"Bei Wildhunden denken viele erst einmal an eine gefährliche, verwilderte Meute", sagt van Vuuren, während sie die Tiere lächelnd aus einiger Entfernung beobachtet. "Das hat ihnen viel Unheil eingebracht. Ich selbst mag lieber ihren Zweitnamen Painted Dogs" – bemalte Hunde. Mit ihrem auffällig schwarz-weiß-goldbraun gefleckten Fell könnte man Wildhunde für eine abenteuerliche Kreuzung von Straßenkötern halten. Nur die übergroßen, schwarzen Mäuseohren muten merkwürdig fremd an.

Naankuse-Reservat

Der Afrikanische Wildhund zählt zu den gefährdetsten Arten des Kontinents. Vermutlich leben heute höchstens 6.000 Tiere über verschiedene Schutzgebiete südlich des Äquators versprengt. Ohne van Vuuren wäre die Begegnung mit Afrikas bedrohten Wolfsverwandten nur eine Autostunde von Namibias Hauptstadt Windhoek wohl kaum denkbar.

Mit dem Naankuse-Reservat hat die wohl bekannteste Naturschützerin des Landes gemeinsam mit ihrem Mann Rudie einen Rückzugsort nicht nur für Wildhunde, sondern auch für andere gefährdete Tiere wie Geparden, Löwen und Nashörner geschaffen. Die Naankuse Foundation unterhält eine Tierklinik und mehrere Wildschutzgebiete, die durch Ökotourismus finanziert werden.

Die Naturschützer Marlice und Rudie van Vuuren im Naankuse-Reservat.
Foto: Markus Arnold

Schock im Boom

Mit der Ausbreitung der Pandemie auch im südlichen Afrika wurden die Pläne, das Reservat rasch als neues Safari-Ziel auf dem boomenden Tourismusmarkt Namibias zu etablieren, jäh durchkreuzt. "2019 war ein sehr gutes Jahr für uns, und 2020 hätte das beste überhaupt werden sollen", sagt van Vuuren. Dann kam Corona. "Natürlich war es erst einmal ein Schock", sagt die Naturschützerin.

Im Allgemeinen hätten sie aber mehr Glück gehabt als andere Safari-Anbieter. Die Stiftung habe sehr viel Unterstützung erfahren, gerade von ausländischen Partnern, aber auch von Touristen und Volontären, die in der Vergangenheit hier waren.

"Bisher mussten wir keinen unserer etwa 250 Mitarbeiter entlassen. Den leitenden Angestellten haben wir das Gehalt um 50 Prozent gekürzt", sagt sie, "allen anderen Mitarbeitern konnten wir es bis August weiterzahlen." In den vergangenen Wochen machten Einheimische in den Lodges Urlaub – zu deutlich reduzierten Preisen.

Ohne Quarantäne

Seit 1. September können ausländische Touristen nun wieder über den internationalen Flughafen in Windhuk einreisen. Sie müssen ein negatives Covid-19-Testergebnis vorweisen, das bei Abflug nicht älter als 72 Stunden sein darf. Touristen können auch wieder im Rahmen einer im Voraus festgelegten Route samt entsprechend registrierter Unterkünfte frei durch das Land reisen, ohne zunächst in Quarantäne gehen zu müssen.

Am fünften Tag muss der Reisende für einen weiteren Test zu Verfügung stehen und zwei Tage später für das Ergebnis erreichbar sein. Ist der Test negativ, kann die Reise wie geplant fortgesetzt werden. Ob die erleichterten Einreisebestimmungen jedoch bald wieder Scharen an Touristen anlocken werden, bleibt fraglich. Obwohl die Zahl der neuen Covid-19-Fälle in Namibia von täglich über 300 Mitte August auf zuletzt um die 50 fielen, sind viele langjährige Namibiareisende verunsichert.

Typisch für Afrikanische Wildhunde: ihre großen Ohren und das dreifarbige Fell.
Foto: Markus Arnold

Die Sonne steht schon tief über der Savanne, als van Vuuren aufbricht, um mit ihrem Geländewagen das Reservat zu erkunden. An einem Wasserloch stößt sie auf eine Gruppe Nashörner. Wie Wesen aus grauer Vorzeit wirken die mächtigen Tiere neben ein paar Warzenschweinen, die sich wohl ebenfalls gern im Schlamm des Uferstreifens suhlen.

"Schon vor der Pandemie gab es hier die Ansicht: Was bringt uns ein Tier, wenn es keinen wirtschaftlichen Wert – etwa durch den Tourismus – hat?", erklärt van Vuuren. "Nun nimmt in einigen Regionen die Wilderei zu, vor allem wegen der illegalen Fleischjagd." Auch in privaten Schutzgebieten seien Nashörner gewildert worden.

Wenn keine oder nur wenige Touristen unterwegs sind, sei das auch in den Nationalparks ideal für Wilderer. "Viele Menschen haben in der aktuellen Situation ihre Arbeit verloren und sind verzweifelt", sagt van Vuuren. "Die Wilderei verspricht einfaches und schnelles Geld." Sie fürchtet, dass die Wilderei noch zunehmen wird, wenn das Land nicht rasch aus der wirtschaftlichen Krise herauskommt.

Lebensaufgabe

Nicht nur die Natur soll von der Stiftung profitieren. Die van Vuurens haben mit ihrer Lebensaufgabe Arbeitsplätze für 250 Mitarbeiter geschaffen. "80 Prozent von ihnen sind einheimische San", sagt van Vuuren stolz. Die Pandemie bedeute für die indigene Gemeinschaft eine besondere Herausforderung. "Sie sind eher von Armut, Tuberkulose und auch HIV betroffen als andere Gruppen", sagt van Vuuren.

Bis jetzt gab es unter ihren Mitarbeitern zum Glück noch keine Covid-19-Fälle. Einst lebten die San oder Buschmänner, wie sie oft auch abschätzig genannt wurden, in weiten Teilen des südlichen Afrikas. Seit Jahrtausenden zogen sie als Jäger und Sammler durch die wildreichen Landschaften südlich des Sambesis.

Abstand halten leicht gemacht: Sundowner in der Wüste.
Foto: Markus Arnold

Im 18. und 19. Jahrhundert betrieben die Buren in der Kapregion eine regelrechte Ausrottungspolitik gegen die kleinwüchsigen Nomaden. Als die europäischen Kolonisatoren ins Landesinnere vorstießen, vertrieben sie die Familien von ihrem Farmland und aus ihren Jagdgebieten. Den San blieb zuletzt nur noch die Kalahari als Rückzugsort. Heute leben in Botswana, Namibia, Angola und Südafrika wohl weniger als 100.000. Fast alle haben ihr traditionelles Nomadentum aufgegeben.

"Niemand kennt die Natur besser als die San", sagt van Vuuren, "wir müssen von ihnen lernen, um die Wildnis Afrikas zu bewahren." Sie selbst ist auf einer Farm mit San-Kindern aufgewachsen und spricht ihre Sprache. In Naankuse sind fast ausschließlich San für die Überwachung der Wildtiere und ihren Schutz vor Wilderern verantwortlich.

Prominente Freundin

Vor drei Jahren wurde das private Schutzgebiet der van Vuurens um die Ländereien einer ehemaligen Farm erweitert und ist nun auf eine Fläche von 9000 Hektar angewachsen. "Eigentlich wollten Investoren das Gelände bereits in eine Siedlung umwandeln", erzählt van Vuuren, "die hatten Pläne, hier 400 Häuser zu bauen."

Wohlwissend, dass die Savannenlandschaft damit für den Naturschutz verloren gewesen wäre, wandte sich die Namibierin an ihre prominente Freundin Angelina Jolie. Van Vuuren hatte die Schauspielerin kennengelernt, während sie in Namibia für den Film "Jenseits aller Grenzen" vor der Kamera stand, der 2003 in die Kinos kam.

Sie selbst hatte einen Geier als Nebendarsteller mit zum Set gebracht. "Wir haben uns auf Anhieb bestens verstanden", erzählt die Naturschützerin, "seither sind wir befreundet und sehen uns immer wieder. Sie liebt Namibia." Es war wohl auch kein Zufall, dass ihre erste leibliche Tochter aus der Ehe mit Brad Pitt, Shiloh Nouvel, 2006 in Namibia geboren wurde.

Auch im Süden Namibias ist ein privates Schutzgebiet entstanden: das Sonop-Reservat.
Foto: Markus Arnold

Rettung in letzter Minute

Als van Vuuren Jolie von dem gigantischen Bauprojekt vor ihren Reservatsgrenzen erzählte, stellte die Schauspielerin ihr den Hotelier Arnaud Zannier vor, der damals bereits in den Alpen und Kambodscha zwei Luxushotels eröffnet hatte. Der in Belgien lebende Franzose kam nach Namibia, war begeistert von der Weite der Landschaft und entwickelte den Plan für eine vornehme Lodge in dem erweiterten Schutzgebiet.

"Es war Rettung in letzter Minute", sagt van Vuuren, "wir hätten das Geld niemals selbst aufbringen können." Zannier konnte das Land aufkaufen und sein erstes Hotel in Afrika planen. "Und wir hatten plötzlich ganz neue Möglichkeiten für den Naturschutz." Über einem Wasserloch mit magischer Aussicht auf die nahen, ockerrot leuchtenden Berge hat im vergangenen Jahr die Omaanda Lodge eröffnet.

Perfekter Moment

Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne brechen durch das struppige Dickicht. Van Vuuren beobachtet eine Gruppe Giraffen, deren grazile Hälse in den roten Abendhimmel ragen. "Es gibt in Namibia wie überall Menschen, die Angst haben, dass mit der Öffnung die Zahl der Covid-19-Fälle stark zunehmen wird", sagt die Naturschützerin.

Köcherbäume sind in Namibia und in Südafrika weitverbreitet.
Foto: Markus Arnold

"Aber die meisten wollen die Touristen zurück, natürlich mit den notwendigen Regeln. Das ganze Land hängt ja vom Tourismus ab. Namibia ist vermutlich einer der sichersten Orte der Welt. Wir haben eine der niedrigsten Bevölkerungsdichten der Erde. Eigentlich wäre jetzt der perfekte Moment, um nach Namibia zu kommen." (Win Schumacher, RONDO, 18.10.2020)