Als Akt der Gerechtigkeit verkaufen die Minister Blümel und Anschober die beschlossene Pensionserhöhung, die vor allem kleine Pensionisten stützt. Doch ist die soziale Staffelung wirklich so fair?

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Wien – Die Regierung spricht von einem Akt der Gerechtigkeit: Wie beim Ministerrat am Mittwoch beschlossen, werden Pensionen bis 1000 Euro brutto im nächsten Jahr um gleich 3,5 Prozent angehoben. Bis 1.400 Euro fällt die Steigerung linear ab, ab 2.333 Euro gibt es einen Fixbetrag von 35 Euro. Als nötigen Anschub für die Kaufkraft argumentiert Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) die Erhöhung. Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) sagt: Das Geld komme Menschen zugute, "die jeden Euro dringendst brauchen".

Doch nun regt sich Kritik. SPÖ und FPÖ loben das große Plus für die Kleinen, bekritteln aber die Benachteiligung der Mittelschicht. Gelten doch die 35 Euro für Bezieher einer Pension ab 2.333 Euro nicht einmal die Inflationsrate von 1,5 Prozent ab.

Kleine Pension heißt nicht immer Armut

Walter Pöltner stellt die Staffelung mit anderen Argumenten infrage. Erstens stecke nicht hinter jeder kleinen Pension ein armer Mensch, merkt der Leiter der staatlichen Alterssicherungskommission an. So mancher Betroffener habe noch weitere Einkünfte – über 400.000 Österreicher beziehen zusätzlich eine Pension aus dem Ausland, was aber bei der Erhöhung nicht eingerechnet wird. Außerdem profitieren etwa auch Gattinnen reicher Männer, die nebenbei halt ein bisschen Teilzeit gearbeitet haben.

Zweitens, sagt Pöltner, bestrafe die Staffelung eher jene, die viele Jahre gearbeitet und folglich lange ins System eingezahlt haben. Werde dies zur Regel, sei das Versicherungsprinzip in Gefahr: Das Versprechen der stabilen Pension werde für diese Gruppe nicht gehalten.

Warnung vor Kostenfalle

Martin Kocher sieht die Erhöhung wegen der Kosten – laut Regierung eine Milliarde – kritisch. Die langfristige Finanzierung der Pensionen werde damit noch schwieriger, sagt der Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS): "Es wird eine Pensionsreform geben müssen."

Einen speziellen Ansatz hat das IHS in einer Studie verpackt. Empfohlen werden darin verhaltensökonomische Anreize, um die Österreicher zu einem späteren Pensionsantritt zu bewegen. Dabei geht es nicht um Verbote oder Restriktionen, sondern um sogenanntes "Nudging" durch psychologische Tricks.

Tricksereien gegen die Frühpension

Das beginnt bei scheinbar kleinen Veränderungen in der Informationspolitik. So schlägt das IHS vor, im offiziellen Pensionsrechner nicht nur darzustellen, welche Verluste eine Frühpension jeweils bringt, sondern auch, wie viel Geld das Weiterarbeiten über das reguläre Pensionsalter hinaus verspricht. Überdies könnte die Korridorpension, die reguläre Frühpension, in "Abschlagspension" umbenannt werden, um dem Namen einen negativen Touch zu verpassen.

Oder, etwas kurios: Auf dem Pensionskontoauszug könnte der jeweilige Bürger per Fototrickserei so dargestellt werden, wie er einmal im Alter aussehen dürfte – das würde die Versicherten motivieren, mehr über die Altersvorsorge nachzudenken.

Auftraggeber der Studie ist die "Aktion Generationengerechtigkeit", ein von Personen mit Nähe zur ÖVP und dem Cartellverband (CV) gegründeter Verein, der einen Kollaps des Pensionssystems nahen sieht und Reformen einmahnt. Obmann Georg Feith, Industriemanager und CV-Vorsitzender, macht sich aber keine großen Hoffnungen, dass der eigene Ruf rasch erhört wird: Weder die letzte noch die aktuelle Regierung habe die Probleme angepackt – "und die nächste wird es auch nicht tun". (Gerald John, 30.9.2020)