Wer Griechenland als Frontstaat in der Migrationsfrage entlasten will, kann dies praktisch nur tun, wenn Schutzsuchende oder bereits anerkannte Flüchtlinge in andere EU-Staaten übersiedeln können. Denn die Belastung Griechenlands wird weiter wachsen, weil viele Tausend neu anerkannte Flüchtlinge durch die Wirtschaftskrise in der Pandemie keinen Job finden werden. Eine sozioökonomische Integration der Flüchtlinge ist angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit in Griechenland kaum möglich.

Flüchtlinge und Migranten werden von der griechischen Insel Lesbos auf das griechische Festland umgesiedelt.
Foto: imago/Panagiotis Balaskas

Deshalb wird die Transitmigration der anerkannten Flüchtlinge ins reichere Zentrum der EU ansteigen, auch wenn sie nur in Griechenland leben und arbeiten dürfen. Dieses praktische, wenn auch inoffizielle "Resettlement" findet bereits statt, während offiziell über lächerliche Verteilungsquoten diskutiert wird. Viele Diskussionen gehen an der Realität vorbei.

Auf Lesbos braucht man jetzt gerade auch keine Hilfslieferungen wie die 400 Zelte aus Österreich, die Innenminister Karl Nehammer mit großem PR-Aufwand nach Athen fliegen ließ und die ins neue Lager Kara Tepe kommen sollen. Denn laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR gibt es auf Lesbos ausreichend Zelte, und die Obdachlosen sind bereits untergebracht. Wer zurzeit Not lindern will, könnte viel eher den in Athen auf der Straße lebenden obdachlosen Flüchtlingen eine Wohnung bezahlen. Entlasten würde auch, wenn der Staat Österreich diese Menschen aus Athen aufnehmen würde. (Adelheid Wölfl, 30.9.2020)