Von Unterstützern wurden die Aktivistinnen und Aktivisten mit Essen und Trinken versorgt.

Foto: Zoidl

"Wir haben Platz" war auf einem der Transparente zu lesen.

Foto: Zoidl

In das seit Jahren leerstehende Haus an der Hetzgasse 8 in Wien-Landstraße ist Leben eingekehrt – allerdings nicht so, wie sich das der Eigentümer, ein Wiener Immobilienentwickler, vorgestellt hat. Denn am Freitagnachmittag haben Aktivistinnen und Aktivisten des neuformierten "Autonomen Zentrum Hetzgasse" (AZH) das Gründerzeithaus besetzt.

Freitagabend waren die – wohl nicht nur aus Corona-Gründen –vermummten Besetzer an den Fenstern des Hauses anzutreffen, wo sie mit circa 30 Schaulustigen unten auf der Straße plauderten und von Unterstützern mit Essen und Bier versorgt wurden, das sie mit einer Kiste mit einem Seil nach oben zogen.

"Wir wollen an diesem Ort Raum für Begegnungen schaffen", heißt es in einem Flugzettel, der im Gegenzug in der Kiste nach unten geschickt wurde. "Ein Platz, an dem kollektiv und basisdemokratisch Projekte geschaffen werden können, welche die politische Bildung, Jugendarbeit und Kulturarbeit voranbringen, ohne kommerzielle Barrieren überwinden zu müssen." Nachbarn und Gleichgesinnte werden eingeladen, das Projekt mitzugestalten.

An einigen Fenstern waren Transparente angebracht, hier war unter anderem "Wir haben Platz" zu lesen. Es gebe zu wenig Platz für obdachlose Menschen und Menschen auf der Flucht, für minorisierte Gruppen und Künstler, heißt es in einer Aussendung des Kollektivs. Durch Spekulation mit Leerstand wie in der Hetzgasse werde leistbarer Wohnraum vernichtet.

Haus geräumt

Für den morgigen Samstag plante das AZH-Kollektiv Workshops, gemeinsame Mahlzeiten, Lesungen und Musik. Ähnliches war schon für den Freitagnachmittag geplant gewesen – allerdings wurden aufgrund der hohen Polizeipräsenz nicht, wie ursprünglich angekündigt, Besucher ins Haus gelassen. Selbiges wurde am frühen Abend zwar probiert – allerdings, wie die Aktivisten betonten, nur unter Corona-Auflagen –, nach dem Eingreifen eines Polizisten aber abgebrochen.

Später berichtete das Kollektiv auf Twitter, dass die Straße von der Polizei abgesperrt und eine Räumung angekündigt wurde, die in den Nachtstunden schließlich erfolgte. Die Aktivistinnen und Aktivisten hätten das Haus verlassen, sie seien nicht in Gewahrsam und wohlauf, hieß es auf dem Twitter-Account des "Autonomen Zentrum Hetzgasse":

Das unscheinbare Eckhaus an der Hetzgasse 8 lässt seit Jahren die Wogen hochgehen. Es gehörte ursprünglich der Stadt Wien, die das Haus 2001 verkaufte. 2015 wurde das Haus im Wien-Wahlkampf zum Politikum, als die Grünen ihren Miethai vor dem Haus aufstellten, um verbliebene Altmieter zu unterstützen und ein Zeichen gegen Immobilienspekulation zu setzen. Der frühere Eigentümer durfte 2016 mit dem Abbruch beginnen, wenige Wochen später wurde im Weißgerber- und Radetzkyviertel allerdings eine Schutzzone errichtet, der Abbruch gestoppt.

Der Fall beschäftigte jahrelang die Gerichte. Im Vorjahr verkaufte der Eigentümer das Haus an einen Immobilienentwickler, der plant, hier Luxuswohnungen zu errichten. Auf eine Anfrage des STANDARD reagierte er bisher nicht. Vor dem Haus steht bereits ein Bauzaun. (Franziska Zoidl, 25.9.2020)