Der Gurgeltest soll für schnellere Klarheit bei Verdachtsfällen in Schulen sorgen.

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Timing ist alles – besonders, wenn es um die Ausbreitung des Coronavirus geht. Deshalb wunderte sich so manche Schulleiterin in Oberösterreich über ein Schreiben ihrer Bildungsdirektion. Besser gesagt: über den Zeitpunkt des Schreibens – denn am Freitag erhielten alle Schulen in dem Bundesland die Empfehlung, Lehrerkonferenzen und andere möglicherweise heiklen Versammlungen nicht persönlich abzuhalten. Da haben die Konferenzen zum Schulbeginn aber großteils bereits stattgefunden, am Anfang der Woche nämlich.

Ein Sprecher der Bildungsdirektion verteidigt den Zeitpunkt des Schreibens auf STANDARD-Anfrage: Erstens seien die Empfehlungen bereits bekannt gewesen, man habe nur nochmals darauf hingewiesen – "das war in dem Sinn keine neue Information". Zweitens hätte das auch damit zu tun gehabt, "dass die Fallzahlen steigen", was ja vor Schulbeginn nicht der Fall gewesen sei.

Grundsätzlich habe der Schulstart aber "gut funktioniert", heißt es im Bildungsministerium. Die Schulen seien gut auf die Wiederöffnung vorbereitet gewesen. Mit Stand Freitag sind 372 Schüler, 58 Lehrkräfte und 25 Verwaltungsbedienstete positiv auf das Virus getestet worden – sehr wenige also angesichts von rund 1,1 Millionen Schülern und etwa 123.000 Pädagogen. Die Ampelfarbe für die Schulen soll also weiterhin Gelb bleiben. Wobei man in Faßmanns Büro Wert auf die Feststellung legt, dass es keine eigene Schul-Ampel gebe, sondern für die Schulen nur eine eigene Farbe gelte.

Gurgel-Pilotprojekt geplant

Das größte Problem seien aber nach wie vor die Testungen: Es dauere schlicht zu lange, bis es nach einem Verdachtsfall ein Testergebnis gebe. In der Zwischenzeit herrscht an den Schulen Unsicherheit.

Um diesen Umstand zu beseitigen, hat sich Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) einen vor allem in Wahlkampfzeiten ungewöhnlichen Verbündeten gesucht: Wien, personifiziert in Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Mit ihm präsentiert er am Dienstag ein Pilotprojekt, bei dem in Wien an Schulen mobile Teams Gurgeltests durchführen. Die Wartezeit für ein Ergebnis soll dann nicht mehr als 24 Stunden betragen, "damit diese Zeit der Verunsicherung sehr begrenzt ist und die Kinder schnell wieder in die Schule können". Erweist sich das Konzept als erfolgreich, soll es in ganz Österreich ausgerollt werden. Wann das entschieden wird, sei aber noch offen, heißt es aus dem Ministerium.

Dass der Schulstart "sehr, sehr gut gelungen" sei, diesen Befund teilt auch Paul Kimberger, Vertreter der Pflichtschullehrer in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst. Er führt das allerdings nicht auf die Vorbereitungsarbeiten des Ministeriums zurück, sondern auf die "großartigen Fähigkeiten von Schulleitern und Lehrern", die diese "enorm schwierige Situation" meisterten. Denn das Testprozedere funktioniere nach wie vor nicht, es herrschten "chaotische Zustände". Dazu kämen teilweise prekäre personelle Situationen an den Schulen, weil Lehrer in Quarantäne müssen.

"Verunsicherung ist groß"

Das Gurgeltest-Pilotprojekt sieht Kimberger positiv, denn "jede Maßnahme, die uns hilft, das Prozedere zu beschleunigen, ist gut". Aber: "Ich frage mich: Warum beginnt man erst jetzt damit?" Es sei inakzeptabel, wenn Direktoren etwa stundenlang bei der Gesundheitshotline 1450 in der Warteschleife hingen.

Die Schulen gingen in teils "sinnbefreiter" Bürokratie unter. Und "die Verunsicherung ist riesengroß, weil wir doch viele Verdachtsfälle an den Schulen haben", sagt Kimberger. Das Chaos rund um die Corona-Ampel trage da nicht zur Gelassenheit bei. "Ich hätte mir eigentlich erwartet, dass die Gesundheitsbehörden aus den Erfahrungen vom Frühling lernen."

Nö Bildungsdirektor will mehr Sensibilität

Der niederösterreichische Bildungsdirektor Johann Heuras sieht die Situation in niederösterreichischen Schulen im Großen und Ganzen positiv, auch wenn Dinge passieren würden, die zufrieden stellend verlaufen würden, etwa Unsicherheit wegen langer Wartezeiten auf Tests. Er wünsche sich zudem mehr Sensibilität im Umgang mit Verdachtsfällen, meinte er am Dienstag im Ö1-"Morgenjournal": "Ein leichter Schnupfen ist nicht unbedingt ein Verdachtsfall." Die Flut an Verdachtsfällen vermehre die Unsicherheit. Kinder sollten aber jedenfalls zu Hause bleiben, wenn sie Krankheitssymptome aufweisen. In Niederösterreich soll zudem die Vorgangsweise vereinfacht werden. Schüler der selben Klasse würden aus unterschiedlichen Bezirken kommen und damit von unterschiedlichen Gesundheitsbehörden betreut. Es werde bereits daran gearbeitet, diese Vorgangsweise zu koordinieren.

Lehrer dürfen trotz Quarantäne unterrichten

Für Verunsicherung sorgte auch ein Schreiben der Wiener Bildungsdirektion an die Schulen der Bundeshauptstadt, über das die Tageszeitung Heute berichtete: Darin wurde auf die Möglichkeit für Lehrer hingewiesen, trotz Quarantäne zu unterrichten. Und zwar dann, wenn sich die Pädagogin oder der Pädagoge wegen Kontakts zu einer infizierten Person in Absonderung befindet, selbst aber negativ getestet wurde. Wer möchte, darf dann auch wieder in die Schule, soll aber nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen.

In der Bildungsdirektion ist man um Beruhigung bemüht: Man habe nur die Empfehlungen der Gesundheitsbehörde weitergegeben, die eine solche Regelung für Schlüsselarbeitskräfte erlaube. Lehrer, die diese Ausnahme in Anspruch nehmen wollen, müssten dies aber melden – und bis Montag habe das kein einziger getan. Es handle sich also derzeit um eine "fiktive Debatte". (Sebastian Fellner, 22.9.2020)