Das Somnium auf dem Haus der Technisch-naturwissenschaftlichen Fakultät an der Kepler-Uni in Linz. Die geplante TU könnte eine Schwester-Uni sein, sagt man an der JKU. Die Latte müsse aber sehr hoch liegen.

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In Salzburg hat man angeblich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, als Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vor etwa zwei Wochen eine eigene Technische Universität (TU) für Linz ankündigte. Die Reformpläne der Universität in der Mozartstadt gehen in eine ganz ähnliche Richtung: Man will dort die Naturwissenschaftliche Fakultät in eine für Life-Sciences und eine für digitale und analytische Wissenschaften trennen, um Lehre und Forschung in diesen Bereichen sichtbarer zu machen. Da käme eine Neugründung in der oberösterreichischen Landeshauptstadt, etwa 100 Kilometer Luftlinie entfernt, nicht wirklich gelegen: zu viel Konkurrenz auf zu kleinem Raum?

"Die Luft wird enger", bestätigt Hendrik Lehnert, Rektor der Uni Salzburg, der Uni-Gründungen in diesem Bereich grundsätzlich begrüßt. Man werde sich keinesfalls von den Plänen abbringen lassen, die sehr in Richtung gesellschaftlicher Wandel im digitalen Zeitalter zielen, sich also von der TU-Idee wohl unterscheiden. Dennoch soll Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) hartnäckigen Gerüchten zufolge sogar bei Kurz angerufen haben, um seiner Verwunderung Luft zu machen.

Überraschung war, wie berichtet, auch die erste Reaktion vieler Innovationsexperten und Uni-Rektoren. Dabei wurden nicht nur die Gründungspläne selbst, sondern auch die Art der Bekanntgabe diskutiert. Hinter mehr oder weniger vorgehaltener Hand sprach man von "Wissenschaftspolitik per Dekret" und fordert eine Bedarfsanalyse ein, wie sie auch vor der Gründung des IST Austria in Maria Gugging erstellt wurde. Aus dem Bildungsministerium verlautet, die Vorarbeiten hätten begonnen, das erste Arbeitsgespräch zwischen Minister Heinz Faßmann und Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (beide ÖVP) sei bereits absolviert worden.

Zu viele Unis

Die TU Linz soll bereits 2024 gegründet werden. Experten sprechen von einer hastigen Gründung und weisen auf die Zahl an Hochschulen in Österreich hin: Es gebe bereits 22 öffentliche, 16 private, daneben noch 21 Fachhochschule und 14 pädagogische Hochschulen. Eine erkleckliche Anzahl angesichts der geringen Größe des Landes. Der Industrielle Hannes Androsch, dessen Funktionsperiode als Chef des Forschungsrats kürzlich auslief, hat unmittelbar nach Bekanntgabe der TU-Pläne gesagt: Schon jetzt habe Österreich "doppelt so viele öffentliche Unis wie die Schweiz mit einer annähernd gleichen Bevölkerungsgröße, aber nur halb so viel Budget dafür".

Harald Kainz, Rektor der TU Graz, meinte, dass Österreich bereits sehr gut mit Technischen Universitäten versorgt sei, und bezog sich nicht nur auf Graz, sondern auch auf die TU Wien und die Montan-Uni Leoben. "Wir müssen aufpassen, dass wir uns durch zu viele kleine Einheiten nicht selbst schwächen."

Klar technologisches Profil

Auch Meinhard Lukas, Rektor der Kepler-Universität (JKU) Linz, der einzigen Universität Österreichs mit allen Fakultäten, wusste von den Plänen nichts. "Der Plan hat uns überrascht, weil die JKU gerade in den letzten Jahren ein klar technologisches Profil entwickelt hat. Die digitale Transformation ist unser prägender gesamtuniversitärer Schwerpunkt. Unser KI-Pionier Sepp Hochreiter hat ein international vielbeachtetes Studium der künstlichen Intelligenz aus dem Boden gestampft", sagt er.

Er verlangt, die TU mit der JKU wie "Schwesteruniversitäten zu verschränken". Die JKU und die neue TU können nur mit verteilten Rollen und unterschiedlichen Innovationszugängen ungeahnte Schlagkraft entwickeln. Das zeigt aber zugleich, dass man sich die Latte für die neue TU nicht hoch genug legen kann."

Uni-politische Machtpolitik?

Beobachter aus der Regionalpolitik behaupten, Landeshauptmann Stelzer setzte die Uni-politische Machtpolitik seines Vorgängers Josef Pühringer fort, der auf die Gründung der Med-Uni Linz drängte. Kaum ein Experte in Österreich glaubte, dass der latente Ärztemangel mit einer weiteren Medizinerausbildung in Linz zu beheben sei. Pühringer setzte das Projekt dennoch durch, auch gegen Widerstand in den eigenen Reihen. Seit 2014 ist eine eigene medizinische Fakultät an der JKU angesiedelt.

Gespräche über die TU-Idee soll es bereits 2017 zwischen Stelzer und Kurz gegeben haben. Stelzer wurde mit 6. April 2017 Landeshauptmann, Kurz stand vor der Kür zum Bundesparteiobmann (Mai 2017). Damals galt es, sich den Rückhalt im schwarzen Kernland zu sichern. Und vor allem die Wogen nach dem unsanften Abgang von Reinhold Mitterlehner als Parteiobmann im "Hoamatland" zu glätten. Und so soll in einem Gespräch zwischen Kurz und Stelzer damals der Uni-Pakt beschlossen worden sein.

Viel Ärger und noch mehr Gerüchte. Die Wissenschaftsforscherin Helga Nowotny, Mitglied des Forschungsrats, glaubt als eine der wenigen Befragten "an einen Sieg der eigennützigen Vernunft". Es bedarf eines Gesamtkonzepts. "Statt eine Mini-TU aufzubauen, gilt es daher bestehende Kräfte und die in Linz und Oberösterreich vorhandenen Einrichtungen zu bündeln und zu stärken."

Konzept vorlegen

Man müsse die JKU und die Fachhochschule Hagenberg und ähnliche Einrichtungen überregional vernetzen. Mit der TU Austria, einem Verbund der bestehenden Technischen Universitäten (TU Wien, Graz, Montan-Uni Leoben), sei ein guter Anfang in diese Richtung gemacht worden. "Nun bietet sich die Gelegenheit, der Politik ein Konzept vorzulegen, das auf neuen, dem digitalen Zeitalter adäquaten Organisationsstrukturen aufbaut, um Wissen und Innovationskompetenz zu generieren." (Peter Illetschko, Lisa Nimmervoll, Markus Rohrhofer, 11.9.2020)