Das Panel in Alpbach zu den EU-Erweiterungen.

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Für die sechs beitrittswilligen Länder des Westbalkans "wird es in den nächsten fünf Jahren sicher keine Mitgliedschaft" in der EU geben. Aber "binnen zehn Jahren" sollte es doch möglich sein, dass die nächste Runde der Erweiterung über die Bühne geht. Diesen Rahmen sieht der Vertreter der EU-Kommission in Österreich, Martin Selmayr, als durchaus realistisches Szenario.

Aus Sicht der Betroffenen ist das enttäuschend, wie Majlinda Bregau vom Regionalen Kooperationsrat (RCC) in Sarajewo Montag bei einer Debatte u. a. mit Europaministerin Karoline Edtstadler beim Forum Alpbach einwendete. Seit 2005 habe man auf rasche Fortschritte gehofft, nun gehe es erst darum, wie man Verhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien in Gang bringt.

Bis man überhaupt in die Nähe von Beitritten komme, werde auf beiden Seiten – in der EU wie den Kandidatenländern – noch sehr viel Arbeit und Reformen nötig sein, entgegnete Selmayr. Denn: "Die nächste Erweiterung muss die EU stärken, nicht schwächen." Um das zu erreichen, hat die Kommission eine neue Methode der Verhandlungen auf den Weg gebracht. Es sollen zunächst noch im Prozess der Gespräche die wirtschaftlichen Beziehungen geöffnet werden, dann der Binnenmarkt, erst dann kommt die volle Mitgliedschaft, wobei diese erst gewährt wird, wenn Rechtsstaatlichkeit, funktionierende Justiz, Grundrechte abgesichert sind.

Fehler von 2004 vermeiden

Die EU will nicht die Fehler der Erweiterung 2004 und 2007 wiederholen, die dazu geführt haben, dass gegen Ungarn und Polen mühsame Verfahren geführt werden müssen, weil diese das Herzstück der EU, die Herrschaft des Rechts, ständig infrage stellen. Deshalb ist beim Thema EU-Erweiterung seit langem ein neuer Realismus – Ernüchterung – eingekehrt, wie sich bei der von STANDARD-Korrespondentin Adelheid Wölfl moderierten Diskussion überdeutlich zeigte.

Umso wichtiger ist es aber laut Edtstadler gerade in Coronakrisenzeiten, "dass der Dialog weitergeht". Österreich gehört zu jenen EU-Ländern, die sich für den Westbalkan immer starkgemacht haben. Aber die Union ist gespalten. Vor allem Frankreich fürchtet eine Schwächung der EU, wenn die Bewerberstaaten Korruption und Justiz nicht in den Griff bekommen.

Auf der anderen Seite muss die EU erst noch ihre internen Reformen angehen, um die Entscheidungsfähigkeit zu verbessern. Laut Edtstadler werden die Beitrittswerber bei der Reformkonferenz, die im Herbst beginnen soll, konsultativ einen Platz bekommen.

Vorläufig bleibt nur, die Annäherung über wirtschaftliche Beziehungen zu stärken. So hat man nach Ausbruch der Pandemie die "grünen Korridore" der EU zur Versorgung mit wichtigen Gütern auf den Westbalkan ausgedehnt, wie Emir Djikic berichtete. Vor allem die Jugend brauche Perspektiven, sonst werde die Abwanderung weitergehen, warnte Djuro Balnusa, Vertreter der Jugendkooperation in Albanien. (Thomas Mayer, 31.8.2020)