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Viktor Orbán ist bekannt für eine restriktive Grenzpolitik.

Foto: Reuters/BORUT ZIVULOVIC

Wegen der steigenden Zahl an Corona-Infektionen verhängt Ungarn ab Dienstag, 00.00 Uhr, eine Einreisesperre für Ausländer. Ungarische Staatsbürger, die ab diesem Zeitpunkt in ihr Land zurückkehren, müssen sich in eine 14-tägige Quarantäne begeben. Ministerpräsident Viktor Orbán hatte die Maßnahme in der vergangenen Woche damit begründet, dass es zu verhindern gelte, dass "das Coronavirus nach Ungarn eingeschleppt wird".

Tatsächlich nimmt sich das Infektionsgeschehen in Ungarn selbst im Lichte des jüngsten sprunghaften Anstiegs an Neuinfektionen eher schwach aus. Von April bis Mitte August hatte die tägliche Zahl im einstelligen oder niedrigen zweistelligen Bereich gelegen. Erst in den letzten Tagen stieg sie auf über 100 an und erreichte am Sonntag den Rekordwert von 292. Am Montag lag der Tageswert bei 178.

Nur wenige Ausnahmen

Die neue Einreisesperre beinhaltet nur wenige Ausnahmen. Ausländer, die über einen Wohnsitz oder ein Aufenthaltsrecht in Ungarn verfügen, sind ungarischen Staatsbürgern gleichgestellt. Ausgenommen sind auch Transitreisende, die die vorgegebenen Autobahn-Korridore nicht verlassen, sowie Diplomaten, Sportler, Tagespendler und Lkw-Fahrer. Geschäftsreisen sind nur zwischen Mutter- und Tochterunternehmen, also innerhalb internationaler Konzerne erlaubt. Einfache Kundenbesuche, Verhandlungen mit Geschäftspartnern, Auftragserledigungen und Pendeln über mehrere Tage hinweg sind nicht mehr möglich.

Was die Sperren für Menschen in Österreich bedeuten, hat die Landespolizeidirektion Burgenland deutlich gemacht. Sie hat Details zu den Grenzschließungen beziehungsweise Einreisebeschränkungen nach Ungarn bekanntgegeben. Sieben Grenzübergänge bleiben rund um die Uhr und drei weitere tagsüber geöffnet. Internationaler Personen- und Gütertransitverkehr ist ausschließlich über den Autobahngrenzübergang Nickelsdorf (Ostautobahn A4) möglich.

Von 0 bis 24 Uhr geöffnet sind neben Nickelsdorf A4 (Bezirk Neusiedl am See) weiters die Übergänge Pamhagen, Klingenbach (Bezirk Eisenstadt-Umgebung), Deutschkreutz (Bezirk Oberpullendorf) sowie Rattersdorf, Schachendorf (Bezirk Oberwart) und Heiligenkreuz (Bezirk Jennersdorf). In St. Margarethen (Bezirk Eisenstadt-Umgebung) ist der Grenzübergang von 5 Uhr bis 19 Uhr geöffnet, in Andau (Bezirk Mattersburg) sowie in Nickelsdorf von 5 bis 21 Uhr.

Zweifel an Sinnhaftigkeit

Ungarische Experten bezweifeln die Sinnhaftigkeit der strengen Einreiseregeln. "Einschleppungen aus dem Ausland waren tatsächlich noch Anfang Juli ausschlaggebend", sagte der Mathematiker Gergely Röst von der Universität Szeged am Montag dem Portal portfolio.hu. "Derzeit beträgt aber der Anteil der Einschleppungen nicht einmal mehr zehn Prozent." Orbán gefällt sich aber als martialischer Grenzen-Zusperrer. Den ganzen Sommer über urlaubten zehntausende Ungarn in Kroatien. Unter ihnen waren Orbán selbst, sein Außenminister Péter Szijjártó – er erholte sich auf der Luxusjacht eines regierungsabhängigen ungarischen Oligarchen – und zahllose weitere Funktionäre des Staates.

Dass das Virus sich schon längst wieder im Inneren des Landes ausbreitet, scheint sie wenig zu bekümmern. Orbán und andere Regierungsvertreter tragen in der Öffentlichkeit selten eine Maske, einige steckten sich auf Partys an. Die Brandmarkung des "Auslands" als einziger Gefahrenherd dient auch dazu, davon abzulenken. (Gregor Mayer aus Budapest, red, 31.8.2020)