Österreichs meistgenutzte Onlineplattform ORF.at bekommt einen neuen Chefredakteur.

Foto: Screenshot ORF.at

Österreichs weitaus meistgenutzte Nachrichtenseite ORF.at bekommt nach STANDARD-Infos einen neuen Chefredakteur oder eine Chefredakteurin– eine/n zweite/n, heißt es auf dem Küniglberg. Mehrfach wurde in den vergangenen Jahren die Ablöse von Langzeitchefredakteur Gerald Heidegger kolportiert, kolportiert auf Druck vor allem der ÖVP. Nun soll Heidegger in der Funktion bleiben, ein weiterer Chefredakteur aber vor allem das Bewegtbildangebot auf der blauen Seite ausbauen – und für tagesaktuelle Berichterstattung dort zuständig sein.

  • Update: Mögliche Besetzung für ORF.at-Chefredaktion Wer könnte Chefredakteur von ORF.at werden? Im ORF wird vor allem einer hoch gehandelt – Christian Staudinger (49*), derzeit Sendungschef der "ZiBs" (außer der "ZiB 2"). ORF-2-Chefredakteur Matthias Schrom hat den langjährigen Reporter, Redakteur und Chef vom Dienst der "Zeit im Bild" erst im Februar 2019 zum "ZiB"-Sendungschef befördert, als er die Sendungsverantwortung für "Zeit im Bild" und Tages-"ZiBs" zusammenlegte und die bisherigen Sendungschefs damit ihre Funktionen verloren. Der neue Chefredakteur soll jedenfalls Fernseh-Erfahrung haben.

Ausschreibung für weiteren Redaktionschef

Der ORF schreibt den Job eines weiteren Chefredakteurs oder einer Chefredakteurin nach STANDARD-Infos in diesen Tagen formell aus. Den Anlass dürfte das Großprojekt eines neuen Social-Streaming-Angebots bieten. Dieser sogenannte ORF-Player soll das Online-Videoangebot auch der blauen Nachrichtenseite des ORF deutlich erhöhen und in den Vordergrund rücken.

  • Update: Funktion am Dienstag ausgeschrieben Der ORF hat die Funktion eines zweiten Chefredakteurs am Dienstag formell ausgeschrieben. Die Bewerbungsfrist endet am 6. September. Der ausgeschriebene Chefredakteur übernimmt laut Ausschreibung etwa die "fachliche und disziplinäre Leitung der gesamten redaktionellen Online-Tätigkeiten des Unternehmens" und "Themenfindung, -planung und -koordination der Online-Redaktion im Verbund mit den anderen Medien des ORF". Die Ausschreibung erklärt die neue Funktion mit der Erweiterung des Tätigkeitsbereiches der ORF-Onlinetochter um den ORF-Player.

Meistgenutztes Onlineangebot

ORF.at ist mit gut 120 Millionen Besuchen etwa im Juli 2020 das meistgenutzte Onlineangebot in der ÖWA, der Österreichischen Web-Analyse (an deren Erhebung sich internationale Riesen wie Facebook, Google/Youtube, Amazon nicht beteiligen). Sie ist damit auch das gewichtigste Nachrichtenangebot der österreichischen Onlinewelt, nach Visits doppelt so groß wie krone.at und derStandard.at.

Die blaue Seite wird laut ÖWA Plus pro Monat von 50,2 Prozent der österreichischen Bevölkerung ab 14 Jahren genutzt, die tägliche Reichweite beträgt 15,4 Prozent. Auch das ist ein Spitzenwert in der Nutzungsstudie ÖWA Plus.

Kanzler-Fokus auf ORF.at und Ö3

Zu diesem gewaltigen Publikum zählt auch einer mit besonderer politischer Bedeutung: Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) waren Ö3 und ORF.at schon erkennbar wesentlich, als er noch wenig Verständnis für den übrigen ORF durchklingen ließ – also vor der auch medialen Ausnahmesituation von Corona und Lockdown.

Kolportiert wurde etwa 2019, noch unter ÖVP/FPÖ, das Drängen des Kanzleramts, doch den langjährigen bürgerlichen ORF-Journalisten und Doku-Chef Gerhard Jelinek zum ORF.at-Chefredakteur zu machen und Heidegger abzulösen. Jelinek winkte im Mai 2019 auf STANDARD-Anfrage ab, er wisse davon nichts und gehe im Herbst 2019 in Pension.

Auch die Ende 2019 fällige Vertragsverlängerung von Karl Pachner als Geschäftsführer der ORF-Onlinetochter bot Anlass für Spekulationen über eine mögliche Ablöse Heideggers als Chefredakteur. Sozialdemokrat Pachner wurde Ende 2019 fürs Erste verlängert, Heidegger blieb Chefredakteur.

Im Frühsommer 2020 bekam die ORF Online und Teletext Gmbh, die ORF.at verantwortet, einen weiteren Geschäftsführer: Roland Weissmann, Vize-Finanzdirektor des ORF, Finanzchef des ORF-Fernsehens und bürgerlicher Hoffnungsträger für das ORF-Management, übernahm mit dem Zusatzjob bei ORF.at auch die Projektverantwortung für das Projekt ORF-Player.

Mehr Video auf der blauen Seite

Die – medienpolitisch gewichtigen – Verlagshäuser in Deutschland, aber auch in Österreich haben in den vergangenen Jahren häufig die gebührenfinanzierten, aber frei zugänglichen Textangebote öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten im Internet als Konkurrenz kritisiert und jedenfalls in Deutschland gefordert, die Öffis sollten sich auf Bewegtbildangebote konzentrieren.

Auch damit könnte der ORF versuchen, die Verleger auf eine geplante ORF-Novelle einzustimmen, die bestehende Onlinebeschränkungen für den Österreichischen Rundfunk beenden soll – etwa Sendungen nur sieben Tage nach Ausstrahlung anzubieten. Der ORF will alleine fürs Web und/oder zuerst fürs Web Beiträge produzieren dürfen, auch das untersagt das ORF-Gesetz bisher.

Schlüsselrolle im multimedialen Newsroom

Aktuelle Video- und Audiobeiträge sollen künftig zunächst etwa für ORF.at produziert werden, bevor sie in den TV-Nachrichten und Radiojournalen laufen. Damit bekommt der oder die ORF.at-Chefredakteur/in für Video und Tagesaktuelles ein besonderes Gewicht; er oder sie hat auch eine zentrale Rolle im geplanten multimedialen Newsroom des ORF.

  • Update: Das würde auch erklären, warum ein Sendungschef der "ZiBs" diese gewichtige TV-Funktion aufgeben könnte, um zu ORF.at zu wechseln. Die Gewichte dürften sich mit dem Umbau der ORF-Information zu einer multimedialen Redaktion in den nächsten Jahren verschieben. Denkmöglich wäre auch, dass Staudinger neben der ORF.at-Chefredaktion weiterhin eine Funktion in der TV-Information hat.

Diesen Donnerstag lädt der ORF zu einer Dachgleichen-Feier für diesen Newsroom (und die künftigen Räumlichkeiten von Ö1 und Ö3) auf dem Küniglberg. Der Newsroom soll nach bisherigen ORF-Ankündigungen 2022 in Betrieb gehen – nach den nächsten Generalswahlen im ORF im Sommer 2021 und dem Dienstbeginn der nächsten ORF-Führung am 1. Jänner 2022. (fid, 25.8.2020)