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Seit 2006 engagiert sich eine österreichische Freundesgesellschaft im Zeichen der rot-grünen Fahne von Belarus.

Foto: Reuters/ Fedosenko

Belarus unter Alexander Lukaschenko sei ein "sozialer Volksstaat", dort bilde das "Streben nach Gerechtigkeit einen tragenden Pfeiler der Staatsideologie". Es sei "ein Land, das andere zum Frieden anstiftet". In Belarus habe wegen Corona "keine Panik" geherrscht, denn der Staat sei gut vorbereitet gewesen und habe über einen "umfassenden Plan zur Bekämpfung der Epidemie" verfügt. Es steche hervor als "das einzige Land, das nicht stillgelegt wurde". Der nationale Konjunkturrückgang sei zwar bedauerlich, müsse aber freilich auf den wirtschaftlichen Abschwung bei den ausländischen Handelspartnern zurückgeführt werden.

Realistische Darstellung ohne Wertung

Wer hinter diesen Darlegungen einen Staatssender aus Minsk vermutet, der irrt. Tatsächlich handelt es sich um Einschätzungen der Österreichisch-Weißrussischen Gesellschaft (ÖWG), die in den letzten Monaten auf deren Website publiziert worden sind. Gegründet wurde die Freundesgesellschaft im Jahre 2006 – Belarus hatte zu dieser Zeit schon längst den Weg zur Diktatur eingeschlagen, Lukaschenko regierte mit eiserner Hand und ließ politische Gegner brutal verfolgen.

Die ÖWG verschrieb sich damals dem Ziel, den "eigenständigen, sozial- und volksorientierten Entwicklungsweg" von Weißrussland zu unterstützen. Seither organisiert der Verein regelmäßig Reisen nach Belarus, begeht bilaterale Kulturabende und veranstaltet Vorträge zu historischen und geopolitischen Themen. Man ist stolz, im Vorfeld der wechselseitigen Staatsbesuche zwischen Österreich und Belarus im Jahr 2019 einen "bescheidenen, aber sehr aktiven Beitrag" zur Verbesserung der Beziehungen geleistet zu haben.

Kritische Bemerkungen zum Minsker Regime gab es vonseiten der ÖWG in all den Jahren nie, Kontaktbemühungen oder Verständnis für die stets unterdrückte Opposition sucht man auf der Website ebenso vergeblich. Stattdessen werden Lukaschenkos Propagandabotschaften kommentarlos bis affirmativ verbreitet und Aktivitäten mit der belarussischen Botschaft beworben. Vom STANDARD darauf angesprochen, antwortet ÖWG-Vizepräsident David Stockinger: "Die ÖWG ist keine missionarische Organisation, die die Menschen in Belarus belehrt oder sich in die dortige Innenpolitik einmischt." Man wolle die Lage möglichst realistisch darstellen, ohne Kritik im Sinne einer moralischen Wertung vorzunehmen. Das entspreche auch dem Grundsatz der österreichischen Neutralität.

Überparteilich mit viel Rot

Stockinger bekleidet auch den Posten als Vorsitzender der Schwechater SPÖ und ist nicht die einzige Verbindung zwischen der ÖWG und der niederösterreichischen Sozialdemokratie. Allein im Vorstand sitzen vier aktuelle oder vormalige rote Funktionäre aus Niederösterreich. Teil der letzten ÖWG-Delegation bei einer Reise nach Minsk war der ehemalige SPÖ-Bürgermeister von Wiener Neustadt, um sich mit dem belarussischen Städtebund zu vernetzen.

Bei der ÖWG bestreitet man die auffällige Häufung von SPÖ-Aktivisten nicht, argumentiert aber, dass der Verein überparteilich sei und alle Weltanschauungen darin Platz hätten. Die Mehrheit der Mitglieder sei ohnehin parteilos. Proponenten anderer Parteien findet man im ÖWG-Vorstand bei der Recherche übrigens nicht.

Unter diesen Bedingungen konnte es in der ÖWG schon einmal vorkommen, dass drei SPÖ-Männer einen gemeinsamen Fotovortrag hielten, mit dem sie "den Massenmedien hierzulande" etwas entgegensetzen wollten, die Belarus "einseitig" als letzte Diktatur Europas brandmarkten.

Einer der drei Vortragenden war Thomas Lösch, er ist der Stadthistoriker des rot regierten St. Pölten. Lösch ist auch als Initiator eines Geburtstagskomitees für Kim Il-sung bekannt, das 2013 für den 1994 verstorbenen nordkoreanischen Diktator anlässlich seines 101. Geburtstags gegründet wurde. Als Co-Referent der besagten Diashow (Titel: "Belarus – Ein Land geht seinen Weg") fungierte ÖWG-Kassier Stephan Pruckner, der frühere SPÖ-Finanzstadtrat von Schwechat. Der Schwechater Parteichef Stockinger wiederum klagte 2012 in einem Erlebnisbericht aus der Minsker Discoszene darüber, wie "primitiv die westliche Propaganda" zu Belarus sei, wo doch Lukaschenko große Wahlmehrheiten genieße.

Nicht über Wahlfälschung spekulieren

Doch wie positioniert sich die ÖWG jetzt, angesichts der bröckelnden Macht des Präsidenten, zur politischen Lage in Belarus? Während die EU die Wahl als "weder frei noch fair" bezeichnet und das offizielle Ergebnis deshalb nicht anerkennt, schreibt Vizepräsident Stockinger dem STANDARD, es sei aus Sicht der ÖWG "reine Spekulation", zu bewerten, ob die Wahl gefälscht oder korrekt war. Da die ÖWG nicht vor Ort gewesen sei, könne sie "mangels objektiver und belegbarer Informationen aus der Ferne unmöglich zu den Manipulationsvorwürfen eine Aussage treffen".

Über die Ursache der Eskalation auf den Straßen traut sich die ÖWG hingegen durchaus eine Ferndiagnose zu. Mitnichten seien demnach die Urheber der Gewalt bloß aufseiten des Staatsapparats zu verorten: "Einerseits gab es aufgehetzte, teils auch militante Gruppen unter den Demonstranten, die aktiv Ordnungskräfte attackierten. Auf der anderen Seite gab es Polizeigewalt." Polizeigewalt, sofern sie sich "gegen Unbeteiligte beziehungsweise unschuldige Demonstranten" richte, sei jedenfalls in aller Welt abzulehnen. Einen Aufruf für Frieden und die Einheit des Landes habe die Freundesgesellschaft auch ihren Partnern in Belarus überbracht, heißt es.

Geld hat die ÖWG vom belarussischen Staat für ihre Aktivitäten nach eigenen Angaben noch nie erhalten. Wahre Freundschaft also. (Theo Anders, 20.8.2020)