Im Skandal um die Commerzialbank Mattersburg schieben sich Aufsichtsrat und Finanzprokuratur gegenseitig die Schuld zu.

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Nachdem am Dienstag Finanzprokuraturchef Wolfgang Peschorn scharfe Anschuldigungen gegen den Aufsichtsrat der Commerzialbank Mattersburg erhoben hat, traut sich dieser nun aus der Deckung. Die Vorwürfe seien falsch, "äußerst befremdlich" und selbst "schon fast von strafrechtlicher Relevanz", sagte Oliver Scherbaum, Anwalt des Aufsichtsratsvorsitzenden Josef Giefing, am Mittwoch im Ö1-"Morgenjournal".

Am Dienstag hatte Peschorn eine Mitverantwortung an dem Skandal bei den Organen der Bank geortet – also der Geschäftsleitung und dem Aufsichtsrat sowie dem Bankprüfer TPA. "Denen hätte das auffallen müssen, was hier passiert ist", sagte Peschorn. Sie hätten nach derzeitigem Informationsstand "jahrelang kriminelle Energie in jahrelange Bilanzfälschungen gesteckt". Die Wirtschaftsprüfungskanzlei TPA fühlte sich sogleich in der Übernahme des Peschorn-Interviews falsch interpretiert. Man wolle sich nicht mit den Organen der Bank gleichgesetzt wissen, erklärte die TPA in einer Aussendung.

Scherbaum: Keine Anhaltspunkte

Bereits am Dienstag rückten der Vizeaufsichtsratschef und acht weitere Aufsichtsräte aus, um sich gegen Peschorns Anschuldigungen zu verteidigen. "Wir sind jetzt die Depperten", sagte Vizeaufsichtsratschef Wilhelm Grafl auf Ö1. Für die anderen acht gingen die Aussagen Peschorns "entschieden zu weit".

Anwalt Christoph Leitgeb von der Kanzlei DSC Doralt Seist Csoklich, der acht Aufsichtsräte vertritt, im Interview mit dem ORF.
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Mit scharfen Worten reagierte auch Scherbaum auf Peschorns Vorstoß: Solche "emotionalen Äußerungen" der Finanzprokuratur seien "äußerst befremdlich". Peschorn sei schließlich bei keiner Sitzung des Aufsichtsrats anwesend gewesen. Dieser habe keine Kenntnisse über die Vorgänge in der Bank. Außerdem sehe er keine Anhaltspunkte in den Vorwürfen. Wenn er welche haben sollte, seien diese falsch, so Scherbaum.

Verlass auf Experten?

Der Aufsichtsrat habe sich laut Scherbaum "zu Recht" auf Experten verlassen, auch auf jene der Finanzmarktaufsicht (FMA). Im Aufsichtsrat der Bank sitzen vor allem lokale Unternehmer, etwa ein Gastwirt oder ein Dachdecker. Vorsitzender ist Josef Giefing, ein ehemaliger ÖVP-Bürgermeister aus Krensdorf. Auf die Frage, ob es nicht klüger gewesen wäre, den Aufsichtsrat mit Fachleuten aus dem Bankbereich zu besetzen, antwortet Scherbaum: "Im Nachhinein gibt es sicher viele Dinge, die man besser machen kann." Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats sei aber "historisch gewachsen", und es habe nie eine Beanstandung gegeben.

Hinweise, dass der Aufsichtsratvorsitzende Gifling von den Bilanzfälschungen finanziell profitiert haben soll, weist Scherbaum zurück. Die Vergütungen für den Posten als Aufsichtsrat seien gesetzlich geregelt. Ob Gifling durch den Konkurs der Bank verloren habe oder Geld in Sicherheit bringen konnte, wollte Scherbaum nicht beantworten. Gewusst habe Gifling aber nichts.

Nachfolger von Illedits wird präsentiert

Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) will am Mittwoch ein neues Mitglied der Landesregierung präsentieren, das die Nachfolge des Anfang August zurückgetretenen Landesrats Christian Illedits (SPÖ) antreten soll. Am Vormittag treten zunächst der SPÖ-Landesparteivorstand und das Parteipräsidium zusammen, im Anschluss soll um etwa 12 Uhr eine Pressekonferenz stattfinden.

Die Wahl des neuen Regierungsmitglieds soll dann am Donnerstag im Landtag erfolgen. Ein Wahlvorschlag wurde fristgerecht eingebracht, erfuhr die APA aus dem Landhaus. Über die Nachfolge von Illedits wurde schon heftig spekuliert. Als Kandidaten genannt wurden etwa SPÖ-Landesgeschäftsführer Roland Fürst, der Landtagsabgeordnete Gerhard Hutter sowie der FH-Burgenland-Geschäftsführer Georg Pehm. Alle drei leben im Bezirk Mattersburg, wo Illedits auch Bezirksparteivorsitzender war.

Dazu kommen Doskozils Büroleiter Herbert Oschep, Energie-Burgenland-Vorstandsvorsitzender Michael Gerbavsits und der südburgenländische Nationalratsmandatar Christian Drobits. Es könnte aber auch ein externer Experte zum Zug kommen. Wer immer Illedits nachfolgt, nimmt in stürmischen Zeiten auf der Regierungsbank Platz. Denn die im Juli ausgebrochene Affäre um die Commerzialbank stellt das politische Klima derzeit auf eine harte Probe. Ihr ist auch der von der Opposition beantragte Sonderlandtag zu einem Gutteil gewidmet, auf der Tagesordnung stehen ein Dringlichkeitsantrag und eine aktuelle Stunde zu dem Bankenskandal. (red, APA, 12.8.2020)