Auch Archaeen wie beispielsweise Methanobrevibacter smithii spielen im menschlichen Körper eine wichtige Rolle.

Foto: Buck S. Samuel et al.

Graz – Lange Zeit hieß es, der Mensch sei von zehnmal mehr Mikroorganismen besiedelt als er Zellen im Körper trägt. Dieses Zehn-zu-eins-Verhältnis geht auf eine 1972 veröffentlichte Studie des Mikrobiologen Thomas Luckey zurück und dürfte in Wahrheit etwas übertrieben sein. Ron Milo und Ron Sender vom Weizmann-Institut im israelischen Rehovot haben vor einigen Jahren die Zahl der Einzeller, die wir tagtäglich mit uns herumschleppen, deutlich nach unten revidiert: Tatsächlich dürfte das Körperzellen-zu-Mikroben-Verhältnis eher bei Eins-zu-eins liegen.

Kaum beachtete Archaeen

Während die Bakterien, Pilze und Viren auf und in unseren Körpern teilweise recht gut erforscht sind, waren die Archaeen bisher im Bezug auf den menschlichen Organismus erst wenig beachtet worden. Forscher an der Med Uni Graz untersuchen im internationalen Team, welche Rolle sie für Gesundheit und Krankheit spielen.

Mikroorganismen haben unterschiedliche Anpassungsstrategien an extreme Bedingungen entwickelt und können unter schwierigen Umweltbedingungen überleben – somit auch am und vor allem im menschlichen Körper. Die Kolonisierung des menschlichen Körpers beginnt bei der Geburt.

Bekannt ist, dass Mikroben schwerwiegende Krankheiten verursachen können, Wissenschafter haben aber auch bereits gezeigt, dass viele mit dem menschlichen Körper assoziierten Mikroorganismen eine wichtige Rolle bei der Erhaltung der Gesundheit spielen. So helfen Mikroben bei der Energiegewinnung und -speicherung und haben eine Vielzahl von Stoffwechselfunktionen wie Fermentation und Aufnahme von unverdauten Kohlenhydraten. Sie interagieren mit dem Immunsystem und unterstützen die Entwicklung normaler Immunfunktionen.

Eigener Zweig im Stammbaum des Lebens

Die Haut wird überwiegend von Bakterien, aber nicht nur, besiedelt. So haben Forscher in der mikrobiellen Vielfalt der menschlichen Schutzhülle bereits vor Jahren urtümliche Mikroorganismen, die sogenannten Archaeen, entdeckt. Diese einzelligen Lebewesen ähneln Bakterien in ihrer Form, Größe und Organisation als prokaryotische Zellen, bilden jedoch einen separaten Zweig im Stammbaum des Lebens. Neben der menschlichen Haut wurden sie etwa auch im Gastrointestinaltrakt und der Mundhöhle gefunden.

"Bisher wurde unter den Archaeen noch kein einziger Pathogener identifiziert, also kein direkt krankheitsverursachendes Kleinstlebewesen", berichtete Christine Moissl-Eichinger, Professorin für Interaktive Mikrobiomforschung an der Med-Uni Graz. Sie hat gemeinsam mit Kollegen der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), des Pariser Instituts Pasteur und der Universität Clermont-Auvergne erstmals die Rolle der Archaeen bei den Interaktionen von Wirtslebewesen und Mikroorganismen erhoben. Erste Forschungsergebnisse wurden vor kurzem im Journal "Nature Reviews Microbiology" publiziert.

Methanbildner im Darm

Die Studienautoren stellten fest, dass vor allem methanbildende Archaeen prädestiniert für die Vergesellschaftung mit Lebewesen sind. "Methanogene leben bevorzugt in sauerstoffarmen Umgebungen, wie dem Darm. Dort unterstützen sie Bakterien in ihrer Stoffwechselaktivität maßgeblich", hielt Moissl-Eichinger fest. Als Endprodukt entsteht dabei Methan. Insgesamt produziert der Mensch im Durchschnitt 0,35 Liter Methangas täglich, das bei rund 20 Prozent der Bevölkerung sogar im Atem nachweisbar ist. Im Gastrointestinaltrakt machen die Methonogene nahezu zehn Prozent aller anaeroben Mikroorganismen aus und stehen oft in einer einander begünstigenden Beziehung zu anderen Bakterien.

Bei Methanobrevibacter smithii und Methanosphaera stadtmanae sei seit kurzem eine aktive Interaktion mit dem menschlichen Mikrobiom nachweisbar. Das Immunsystem des Menschen kann sie erkennen und auf sie reagieren, wie die Forscher feststellten. Sie kommen abhängig vom jeweiligen Gesundheitszustand in ganz unterschiedlicher Anzahl vor, was laut den Forschern zumindest einen Zusammenhang ihrer Häufigkeit mit der menschlichen Gesundheit und der Entwicklung von Krankheiten nahelegt.

Gesundheitsfördernde Wirkung der Archaeem

Eine erhöhte Anzahl von Methanogenen wurde auch mit Vaginosen, Parodontitis, Sinusitis, Darmkrebs, entzündlichen Darmerkrankungen und anderen Beschwerden in Verbindung gebracht. In diesem Fall wird vermutet, dass die Archaeen allerdings nicht ursächlich beteiligt sind, sondern die pathogene Aktivität der Bakterien durch den Abbau von hemmenden Stoffwechselprodukten unterstützen dürften. Laut den Forschern könnten einige Archaeen weiters eine gesundheitsfördernde Wirkung durch den Abbau der sogenannten Trimethylamine haben, deren toxische Wirkung u.a. Arteriosklerose verursachen kann.

Diese und weiteren Fragen möchte Moissl-Eichinger und ihre Forscherkollegen auch in Zukunft widmen. Derzeit laufen an der Medizinischen Universität Graz zwei vom FWF geförderte Forschungsprojekte zu dem Thema. (red, APA, 12.8.2020)