Künstlerische Darstellung eines Sauropoden, der vor 160 Millionen Jahren im heutigen China lebte.

Illustration: Xing Lida

Es sind winzige Bissspuren auf der Halsrippe eines zu Lebzeiten rund 20 Meter langen und mehrere Tonnen schweren Sauropoden, die belegen: Frühe Säugetiere verschmähten auch ein schönes Stück Dinosaurier nicht. Bei dem Fund aus China, den Forscher um Felix Augustin und Hans-Ulrich Pfretzschner von der Universität Tübingen im Fachblatt "The Science of Nature" beschreiben, handelt es sich um die bisher ältesten bekannten Nagespuren von Säugetieren auf Dinosaurierknochen.

"Die frühen Säugetiere lebten für mehr als 160 Millionen Jahre im Schatten der Dinosaurier. Sie erreichten im Durchschnitt ein Gewicht von etwa hundert Gramm", sagt Augustin, der Erstautor der Studie. "Inzwischen weiß man aber, dass sie dennoch eine erstaunliche Artenvielfalt entwickelten und eine Vielzahl ökologischer Nischen besetzten."

Kulinarische Opportunisten

So gab es neben den zahlreichen insektenfressenden Bodenbewohnern auch teilweise im Wasser lebende, baumbewohnende, grabende – und sogar gleitende kleine Säuger. Diese Vielfalt spiegele sich in unterschiedlichen Ernährungsweisen wider, die in der Forschung allerdings hauptsächlich über die Form von Zähnen und Gebissen indirekt rekonstruiert werden müsse, so Augustin. "Direkte Nachweise wie Bissspuren auf Knochen oder ein Mageninhalt sind sehr selten."

Die bisher ältesten bekannten Belege stammten aus der Kreidezeit und sind etwa 100 Millionen Jahre alt. Der nun beschriebene angeknabberte Sauropode lebte aber im Jura, der Fund ist etwa 160 Millionen Jahre alt. Die Wissenschafter gehen davon aus, dass sich die damaligen kleinen Säugetiere auch von Aas ernährt haben – selbst erlegt können sie den Koloss schließlich nicht haben.

Ähnlichkeit zu Spitzmäusen

Entdeckt wurde der Knochen schon im Jahr 2000 im Rahmen einer chinesisch-deutschen Expedition in der Provinz Xinjiang im Nordwesten Chinas. Damals entdeckten die Forscher im Junggar-Becken zahlreiche Fossilien von Wirbeltieren wie Schildkröten und Krokodilen, Dinosauriern und Säugetieren aus dem Jura. Die winzigen Nagespuren auf einem Knochenbruchstück fielen den Wissenschaftern nun bei der erneuten Durchsicht auf. Vergleichende Analysen bestätigten den Verdacht: "Die Nagespuren ähnelten denen von heutigen insektenfressenden Säugetieren, wie zum Beispiel Spitzmäusen, stark", sagt Augustin.

Den Wissenschaftern zufolge ist der Fund der erste Nachweis, dass sich kleine Säuger im Jura auch von Aas ernährten. Dieses Verhalten sei auch von heutigen kleinen Säugern, etwa Nagetieren, bekannt. Die umliegenden Gesteine im Junggar-Becken lieferten zusätzliche Informationen über die damaligen Umweltbedingungen und deuten darauf hin, dass der Nordwesten Chinas zu Lebzeiten der Dinosaurier durch offene Flusslandschaften und ein sehr trockenes, warmes Klima geprägt war. (red, 31.7.2020)