Das erste Fußballcamp für Mädchen in der schönen Anlage Sportcenter Donaucity steht in seiner ersten Woche. Im August sind weitere Camps geplant. Das Angebot richtet sich an Sechs- bis 16-Jährige. Im Fokus stehen Ballbeherrschung, Ballmitnahme, Passen und Abschluss.

Foto: Heribert Corn

Aufwärmprogramm.

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Wien – Sophie ist zwölf Jahre alt und weiß ganz genau, was sie einmal werden will. "Fußballerin will ich werden", sagt sie. "Ich will damit Geld verdienen, und ich will im Nationalteam spielen." Derzeit kickt Sophie im ersten Fußballcamp für Mädchen, es läuft seit Montag unter dem Titel "Be The One" im Sportcenter Donaucity, ganz in der Nähe der Alten Donau in Wien-Donaustadt.

Den zehn Mädchen, die an der ersten von etlichen Wochen in diesem Sommer teilnehmen, steht ein eigener Kunstrasenplatz zur Verfügung, als Coaches fungieren Laura Krumböck und Besijana "Besi" Pireci. Die beiden 20-Jährigen spielen bei der Wiener Austria in der Bundesliga und sind Nationalteam-Aspirantinnen. Bei den Trainingsmatches der Mädchen über die Spielfeldbreite stehen Pireci und Krumböck oft im Tor, um zu verhindern, dass Sophie allzu viele Goals erzielt. Die Zwölfjährige verfügt über einen für ihr Alter sehr bemerkenswerten Schuss – mit dem rechten und auch mit dem linken Fuß.

"Be The One" war die Idee des im Marketing von Adidas Österreich tätigen Dominic Kollinger. Ihm ist auch in Gesprächen mit Krumböck und Pireci aufgefallen, dass Frauen- und Mädchenfußball in Österreich im internationalen Vergleich viel Aufholbedarf hat. Bei der EM 2017 hatte das Nationalteam mit dem Erreichen des Semifinales für Furore gesorgt, bis zu 1,35 Millionen Zuseher verfolgten die ORF-Übertragungen. Doch fast so schnell, wie der Hype entstanden war, verflüchtigte er sich auch wieder. Frauenbundesligapartien ziehen üblicherweise einige Dutzend bis wenige Hundert Zuseher an.

Laura Krumböck und Besijana "Besi" Pireci sind Coaches bei "Be The One". Sie wünschen sich, "dass Mädchen die gleichen Chancen vorfinden wie Burschen" und betonen: "Fußball ist ein Sport für alle, nicht nur für Männer."
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Da ist die Leistung!

Kollinger sagt, Fußballerinnen müssten "ein Bewusstsein dafür entwickeln, was sie leisten". Der Aufwand für Trainings und Spiele lässt sich oft durchaus mit jener der Männer vergleichen – bei der Anerkennung und der Entlohnung sieht es ganz anders aus. Die allermeisten Fußballerinnen in Österreich arbeiten oder studieren nebenbei, nur die besten schaffen es als Profis ins Ausland. "Mädchen, die Fußball spielen, sollen die gleichen Chancen vorfinden wie Burschen", sagt Pireci. "Ich will ihnen sagen, sie brauchen keine Angst haben, müssen Vorurteile ignorieren. Mir hat der Fußball geholfen. Ich hab viel mehr Selbstvertrauen, seit ich Fußball spiele." Krumböck ergänzt: "Fußball ist ein Sport für alle, nicht nur für Männer."

Dominic Kollinger "will Mädchen für Fußball begeistern".
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Während in Deutschland der Cut erst mit 17 gezogen wird, können Mädchen in Österreich nur bis zum 14. Lebensjahr bei den Burschen mitkicken. Dann hören viele auf, weil sie für Frauenteams noch zu jung sind. Krumböck und Pireci würden sich wünschen, dass alle Männerbundesligisten auch ein Frauenteam inklusive Nachwuchsabteilung stellen müssen. Eine solche Verpflichtung könnte mit der Lizenzierung verknüpft sein. Pireci: "Hätten Salzburg oder Rapid ein Frauenteam, so hätten sie sicher auch den Ehrgeiz, vorn mitzuspielen. Das könnte viel bewirken."

Wo ist die Unterstützung?

Vielleicht würden sogar sexistische Transparente aus den Stadien verschwinden. Nicht nur Rapid tat sich da hervor, auch bei der Austria hing ein Banner mit "Herd statt Horr", weil das Champions-League-Finale der Frauen im früher "Horr" genannten Austria-Stadion in Favoriten stattfinden sollte. Wie gesagt, Österreich hat Aufholbedarf.

Auch der Fußballbund (ÖFB) konnte sich noch nicht dazu durchringen, die Fußballerinnen für Trainingslager und Länderspiele gleich zu entlohnen wie die Fußballer. Mag aber sein, dass der ÖFB bald einen historischen Schritt setzen wird. Nach dem Wechsel von Dominik Thalhammer zum LASK ist der Frauenteamchefposten vakant – und Thalhammers bisherige Assistentin Irene Fuhrmann gilt als aussichtsreiche Kandidatin. Sie ist die einzige Österreicherin mit Uefa-Pro-Lizenz und könnte zur ersten Teamchefin aufsteigen.

Mädchen im Matchmodus.
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Die "Be The One"-Organisatoren wollen "mehr Mädchen für Fußball begeistern". Das günstige Angebot könnte mithelfen. Da das Sportcenter Donaucity, der Bezirk und die Stadt entgegenkommend sind, liegt der Preis für eine Campwoche im August bei 122 Euro, Verpflegung und Dress inklusive. Vielleicht steigen bald weitere namhafte Fußballerinnen und Fußballer ins Boot der "Be The One"-Supporter, in dem Ex-Austria-Kapitän Manuel Ortlechner bereits sitzt. Ihm ist klar: "Die soziale Ungerechtigkeit zwischen Mann und Frau zeigt sich im Fußball ganz besonders."

Die zwölfjährige Sophie, die Fußballerin werden will, zerbricht sich darüber – noch – nicht den Kopf. Sie findet das Camp in der Donaustadt "sehr cool" und freut sich auf den Wiederbeginn des Trainings bei der Vienna, wo sie seit einem Jahr kickt. "Ich will aus meinem Talent etwas machen", sagt Sophie. "Ich geb mein Bestes." (Fritz Neumann, 15.7.2020)