So volle Sitze wie zuletzt bei den Schloss-Spielen Kobersdorf wird es heuer in keinem Sommertheater geben. In Kobersdorf wurde die Theaterproduktion heuer deshalb abgesagt und auf 2021 verschoben.

Foto: David Anselgruber

La forza del destino hätte am Samstag beim Festival Operklosterneuburg Premiere gefeiert, und auch wenn er schon Mitte Mai abgesagt hat, schaut Intendant Michael Garschall dieser Tage doch "aufs Wetter". Anders wäre es aber nicht gegangen: Proben mit 130 Beteiligten vom Orchester bis zum Backstagepersonal wären unter Auflagen wie Tests logistisch nicht zu bewältigen gewesen, und finanziell hätte sich die dünnere Besetzung im Publikum nie gerechnet.

In Abstimmung mit der Gemeinde als Träger wurde das Programm also gecancelt – wie ein Großteil des Theaterfestes Niederösterreich, Österreichs größtem Netzwerk von Sommerfestivals.

Hinter deren heiteren Kulissen spielten sich dabei aber "Grabenkämpfe" ab, sagt Florian Krumpöck vom Kultursommer Semmering. "Manche Veranstalter haben ihr Programm abgesagt, weil es geheißen hat, man kriegt die volle Subvention trotzdem, und sie dachten, sie müssten die Künstler nicht bezahlen. Die haben nicht damit gerechnet, dass die Frau Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP, Anm.) sagen würde: Ihr müsst Künstler entschädigen." Keine Ausfallsgagen zahlen zu wollen, nennt Krumpöck "Unart".

Pflicht zum Ermöglichen

Den Eindruck, dass manche Festivals mit Blick auf Subventionen als Extrageld "ohne Not" früh abgesagt hätten, hat auch Michael Sturminger, Intendant der Sommerspiele Perchtoldsdorf. "Freie Künstler sind in keiner Position, etwas einzuklagen. Das wollten einige ausnutzen." Er sieht seine Pflicht hingegen im Ermöglichen: Romeo und Julia wurde auf August verschoben, die Tribüne vergrößert, das Team wird getestet.

Wobei die Möglichkeiten abhängig von Festivalgröße und -programm variieren. Wo sonst vor 200 Gästen Soloabende gezeigt werden, kann man sich leichter behelfen als dort, wo regulär vor 2000 Gästen mit viel Ensemble und Orchester gespielt wird.

Niederösterreichs Schauspielern geht es dabei besser als jenen im Burgenland. Dort wurde schon im März abgesagt, vom Römersteinbruch St. Margarethen abwärts: Bühnenaufbau und Proben hätten sich etwa bei den Schloss-Spielen Kobersdorf mit Vorbereitungen bis in den April gestreckt, erfährt man. Obwohl das Festival landeseigen ist, bekommen die Künstler keine direkte Kompensation. Denn Subventionen erhalte man nicht für Spielzeiten, sondern für Produktionen, und diese wurde auf Juli 2021 verschoben. "Wir haben den Künstlern eine Bestätigung gegeben, dass sie engagiert gewesen wären, mit der konnten sie beim Bund um eine eventuelle Entschädigung für den Verdienstentgang einreichen."

Gemeine profitiert

Dass Niederösterreich bei Sommerfestivals beherzter als andere Bundesländer agiert, führt Krumpöck auch darauf zurück, dass der Tourismusfaktor Kultur dort schon länger gesehen werde. So springt St. Pölten etwa auch bei Regenausfällen mit Extrageld ein.

Genaue Zahlen zur Umwegrentabilität hat die Gemeinde Gutenstein nicht. Man darf sich wegen der Absage heuer aber um die Greißlerin im Ort sorgen. Denn alles, was die Raimundspiele brauchen, werde bei ihr gekauft. Auch litten die Gasthäuser, wo das Festivalteam sonst seinen Lebensmittelpunkt habe. Wegen des Mindestabstands zwischen Sitzplätzen wäre die finanziell nötige Auslastung von 80 Prozent heuer aber unmöglich gewesen. "Da braucht man dann gar nicht weiter überlegen", so die Gemeinde. In Gutenstein wie Klosterneuburg finden aber immerhin kleinere Ersatzprogramme statt.

Keine Möglichkeit sah auch Angelica Ladurner von den Komödienspielen Porcia in Kärnten. Sie hat nach Ostern alle Werkstattarbeiten für die fünf Produktionen gestoppt. Einzig der Theaterwagen fährt noch. Die einladenden Gemeinden seien als Veranstalter für die Wahrung der Abstände verantwortlich, "aber natürlich stehen die Leute zusammen". Zuletzt kamen open air 300 Gäste. Für Ladurner andererseits ein Beweis, dass Theater "systemrelevant" sei.

Enttäuscht von der Politik

Ladurner, Krumpöck und Sturminger sind daher schockiert, wie viel "Unkenntnis" über den Kulturbetrieb sich während der Corona-Krise in der Regierung gezeigt habe und dass Kulturveranstaltungen regelrecht "stigmatisiert" worden seien. Krumpöck kritisierte öffentlich und wurde in Runden der neuen Kulturstaatssekretärin geladen. Der Wechsel im Staatssekretariat zu Andrea Mayer habe eine Wende markiert.

Das heißt aber nicht, dass jetzt alles glatt läuft. Krumpöcks kleines Team hat tausenden Kartenkäufern nachtelefoniert, ob sie in einer Gruppe oder einzeln kommen, um die Sitzordnung anzupassen. Nur durch Gruppen werde die Bestuhlung in Zeiten von Corona wirtschaftlich möglich, sagt er und freut sich über viel Interesse. Anderswo soll es Kartenkassen geben, die nach den jüngsten Infektionszahlen stillstehen. (Michael Wurmitzer, 11.7.2020)