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Dies ist ein computergeneriertes, auszugsweises Transkript zu Testzwecken. Derzeit erwägen wir Möglichkeiten, wie und ob wir künftig ausgewählte Podcasts auch in schriftlicher Form anbieten können. Die Aufnahme ins reguläre Angebot hängt unter anderem vom Leserinteresse ab. Feedback zu diesem Angebot nehmen wir gerne im Forum entgegen!

Philip Pramer
Löschen Sie ihre SMS- und WhatsApp-Nachrichten? Bundeskanzler Sebastian Kurz tut das regelmäßig, das wissen wir von seinen Aussagen im Ibiza-Untersuchungsausschuss. Darf er das überhaupt? Und wo ist bei einem Politiker die Grenze zwischen privat und öffentlich? Aloysius Widmann vom STANDARD über das besondere Verhältnis von Politikern zu ihrem Smartphone.

Luis, im Ibiza-Untersuchungsausschuss wurde Bundeskanzler Sebastian Kurz ja zu seiner Kommunikation mit Strache gefragt. Er sagte, dass er seine Chatverläufe regelmäßig löscht. Darf er das überhaupt?

Aloysius Widmann
Die Opposition hätte natürlich gerne Einblick in die Kalender und SMS des Kanzlers gehabt – und auch des Finanzministers und damaligen Regierungskoordinators Gernot Blümel. Denn die beiden haben recht große Erinnerungslücken offenbart im U-Ausschuss. Dass Kurz die SMS löscht st rechtlich aber okay, auch wenn es vielleicht für Bedenken sorgt bei der Opposition.

Philip Pramer
Bestimmte Schriftstücke müssen an das Staatsarchiv übergeben werden. Was zählt denn da dazu?

Aloysius Widmann
Gutachten, zum Beispiel Urkunden, Lebensläufe, solche Dokumente zählen dazu. Die Bundesarchivgutverordnung – klingt ein bisschen sperrig – definiert Schriftgut als Gut, das bei Amtsausübung oder in den Büros der Amtsträger anfällt. Diese Verordnung stammt aus dem Jahr 1999, wurde seither nur einmal verändert. Das Ausmaß heutiger elektronischer Kommunikation hatte man damals natürlich noch nicht vor Augen. Dass es elektronische Kommunikation geben würde hatte man sehr wohl vor Augen. Die kommt natürlich sehr auf die Definition von Schriftgut an, SMS sind aber eher Aufzeichnungen oder Notizen und haben oft mehr mit privaten mündlichen Gesprächen im Gang zu tun als mit solchen Dokumenten, die ins Archiv gehören.

Philip Pramer
Und wenn diese Dokumente im Staatsarchiv sind, was passiert denn dort damit? Wer hat darauf Zugriff?

Aloysius Widmann
Das kommt dann versiegelt in Staatsarchiv und bleibt 25 Jahre lang verschlossen. Zugriff haben nur die Amtsträger, also die frühere Minister. Und dieses Einsichtsrecht wird auch wahrgenommen, dass man hört. Zum Beispiel, bevor Anhörungen vor dem Untersuchungsausschuss stattfinden.

Philip Pramer
Die vielen politischen Enthüllungen in letzter Zeit sind ja oft auf SMS Nachrichten von Politikern zurückzuführen, wie kommt man denn an diese Nachrichten?

Aloysius Widmann
Eine Nachricht hat mindestens einen Sender und mindestens einen Empfänger, das heißt, wenn einer sie löscht, hat der andere sie womöglich noch. Es gibt auch Leute, die einen guten Grund haben, oder vielleicht einem nicht so guten Grund, einen niederen Grund, das weiß man nicht. Es gibt auch Leute, die solche Nachrichten leaken.

Philip Pramer
Kann man eigentlich dazu gezwungen werden, Passwörter zu verraten, zum Beispiel wenn bei einer Hausdurchsuchung ein Computer beschlagnahmt wird?

Aloysius Widmann
Nein, das geht nicht.

Philip Pramer
Kurze technische Frage: Wenn man seine Daten löscht, zum Beispiel am Handy, sind sie dann wirklich weg oder kann man sie wiederherstellen?

Aloysius Widmann
Also ich bin jetzt nicht der größte Technik-Experte, aber es ist selbst mir schon gelungen, Nachrichten oder Dokumente oder Mails wiederherzustellen. Backups oder andere Programme helfen ganz gut dabei, Nachrichten und Daten zu rekonstruieren. Das dürfte bei Nachrichten, um die es im U-Ausschuss geht, mitunter auch möglich sein.

Philip Pramer
Kann man sich die Chatverläufe, zum Beispiel im U-Ausschuss nicht von den Mobilfunkern holen oder zum Beispiel von Facebook, wo ja WhatsApp dazugehört?

Aloysius Widmann
Sofern die Anbieter überhaupt selbst Zugriff haben, müssen sie auch nur dann damit herausrücken, wenn seinen dringenden Tatbestand gibt. Also der Wunsch der Opposition im U-Ausschuss wird sicherlich nicht dafür ausreichend sein, dass Mobilfunkanbieter ihre Nachrichten preisgeben.

Philip Pramer
Finanzminister Gernot Blümel sagte ja im U-Ausschuss, dass es sich gar nicht sicher sei, ob er zur genannten Zeit einen Laptop besessen hat. Jetzt gibt es aber viele Fotos, die Blümel mit Laptop zeigen. Kann er sich da einfach so aus der Affäre ziehen?

Aloysius Widmann
Das ist ein interessanter Punkt. Also zuerst mal muss man vorsichtig sein, wenn zum Beispiel ein Instagram-Post, der ihn mit Laptop zeigt,das kann genauso gut gestellt sein. Das beweist natürlich nichts. Aber wir nehmen gerade diesen Podcast mit dem Handy auf, ich sitze im Fernbus, und das Ganze wäre wesentlich einfacher, wenn ich einen Laptop mit Headset hätte. Das heißt, es ist unglaubwürdig, dass der größtenteils mit Handy gearbeitet hat, wie er gesagt hat. Er meinte er, das sei effizienter, aber es ist nicht ganz glaubwürdig, dass er ohne Laptop auskam.

Philip Pramer
Sebastian Kurz sagte, dass in seinem Handy auch private Nachrichten und Notizen gespeichert waren. Wo ist dann bei einem Regierungschef und anderen Politikern eigentlich die Grenze zwischen privat und beruflich zu ziehen? Darf man da nicht noch einen privaten, sagen wir G-Mail-Account haben? Da gab es ja auch diese Debatte in den USA rund um die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton, die einen privaten E Mail Account hatte.

Aloysius Widmann
Natürliches ist mit der Digitalisierung die Grenze zwischen privatem Verkehr und amtlichen Verkehr irgendwo eingerissen, beides passiert teilweise auf denselben Devices, auf denselben Handys, auf denselben Laptops. Und wie sollte es auch anders sein? Das ist hier schon ein bisschen viel verlangt, wenn man immer zwei Handys haben müsste und unter strengen Kriterien entscheiden müsste, welche Nachricht auf dem einen, welche Nachricht auf dem anderen versendet wird. Gleichzeitig, wie man sieht, bringt das Ganze natürlich auch gewisse Probleme, weil gewisser amtliche Verkehr natürlich relevant ist und womöglich, je nachdem, wie man Schriftgut definiert, auch archiviert werden muss. Da die Grenze zu ziehen ist schwierigen und natürlich liegt da vieles auch im Ermessen der Betroffenen selbst.

Philip Pramer
Was ist denn deine persönliche Meinung? Brauchen wir ein neues Bundesarchivgesetz, das ans Digitale zeitalter angepasst ist?

Aloysius Widmann
Es wäre schon gut, wenn es Bundesarchivgesetz up-to-date ist. Man soll schon immer wissen, was ein Schriftgut ist und was ins Archiv gehört und was nicht. Auch, um solche Fragestellungen zu klären wie wir sie gerade haben im U-Ausschuss. Af der anderen Seite glaube ich schon, dass die Einschätzung von Experten, wonach SMS eher im Bereich des mündlichen Gesprächs, Notizen fallen, dass das plausibel ist. Also man muss auch Regierungsmitgliedern schon auch den Raum lassen, sich privat zu unterreden. Es sollte nicht immer alles archiviert, dokumentiert und überwacht werden in der Hinsicht. Ist glaube ich eine recht schwierige Aufgabe, aber vermutlich lösbar.

Philip Pramer
Danke Aloysius Widmann für diese Einschätzung und Gute Fahrt noch!

Aloysius Widmann
Danke!

(red, 26.6.2020)