Das von Novak Djokovic am 13./14. Juni veranstaltete Tennisturnier in Belgrad hatte fatale Folgen. Er selbst und drei weitere Profis (Dimitrow, Coric, Troicki) wurden Corona-positiv getestet. Dominic Thiem (26) machte bei diesem Event auch mit. Sein Manager Herwig Straka hofft auf einen Lernprozess.

STANDARD: Die mittlerweile abgebrochene Adria Tour bleibt als Horrorshow in Erinnerung, vier Spieler wurden positiv auf Covid-19 getestet. ATP-Präsident Andrea Gaudenzi hat die Teilnehmer, also auch Dominic Thiem, als sture Bengel bezeichnet. Hat er recht?

Thiem und Straka "haben geredet."
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Straka: Das ist seine Meinung, ich verstehe mich gut mit Gaudenzi. Die Frage ist: Was können wir als ATP tun? Die Spieler sind selbstständig, die Veranstaltung lag nicht in unserem Bereich. In diesem Fall haben sie übertrieben. Ich muss Djokovic die Hauptschuld geben. Okay, die anderen haben mitgemacht, aber er war sehr dahinter. Ursprünglich aus ehrenwerten Motiven, es stand der Charity-Gedanke im Zentrum. Aber es ist in eine völlig falsche Richtung gegangen, wurde als Publicity-Show missbraucht. Das muss man Djokovic anlasten.

STANDARD: Die anderen Spieler haben sich mittlerweile entschuldigt, Thiem nicht. Das irritiert die Öffentlichkeit.*

Straka: Wofür soll er sich entschuldigen? Weil er mitgespielt hat? Die anderen entschuldigen sich, weil sie positiv sind.

STANDARD: Mit Verlaub. Aber die Bilder aus Belgrad waren beängstigend. Es wurde gegen sämtliche Hygienemaßnahmen und Verhaltensregeln verstoßen, es gab überfüllte Zuschauertribünen, die Spieler umarmten sich, wurden mit dutzenden Ballkindern abgelichtet. Und sie tanzten, einige mit nacktem Oberkörper, in einer vollen Disco. Thiem war schon mittendrin?

Straka: Ja. Im Nachhinein ist klar, dass es ein Blödsinn war. Auch wenn es erlaubt war. Jeder weiß, es war dumm, da hilft keine öffentliche Entschuldigung. Der Einzige, der sich entschuldigen muss, ist Djokovic, weil er alles inszeniert hat. Die anderen waren nur dabei, haben keinen umgebracht.

STANDARD: Aber ein Topsportler wie Thiem hat doch eine Vorbildfunktion. Der wurde er nicht gerecht.

Straka: Keiner, der dabei war, hat seine Vorbildfunktion erfüllt. Das ist traurig und richtig.

STANDARD: Ist das nicht für die ganze Branche verheerend? Ausgerechnet der beste Tennisspieler setzt so ein Zeichen. Djokovic muss sich gefallen lassen, als verantwortungslos und unreif zu gelten.

Bild nicht mehr verfügbar.

Die Antithese zum Social Distancing: der Tenniszirkus in Belgrad.
Foto: Reuters/Djurica

Straka: Das weiß er nun hoffentlich auch. Er ist Präsident der Spieler und wurde der Rolle nicht gerecht. Aus Sicht der ATP war es eine unnötige Veranstaltung.

STANDARD: Was haben Sie bei den Bildern aus Belgrad empfunden?

Straka: Im Vorhinein habe ich darauf bestanden, dass wir klare Covid-19-Richtlinien kriegen. Das ist dringestanden, dass maximal 1.000 Zuschauer kommen dürfen, Social Distancing wurde garantiert. Nur unter diesen Voraussetzungen habe ich Dominic freigegeben. Das war zwei Tage davor. Sie haben sich nicht daran gehalten, für mich war das ärgerlich.

STANDARD: Sie werden mit Thiem geredet haben. Empfindet er Scham?

Straka: Wir haben geredet. Aber nicht für die Öffentlichkeit.

STANDARD: War eine freiwillige Quarantäne angedacht?

Straka: Nein, er lässt sich regelmäßig testen, ist negativ. Vielleicht hat er doch ein Quäntchen mehr Abstand gehalten. Oder er hatte nur mehr Glück.

STANDARD: Sie sind Direktor mehrerer Turniere, sitzen im ATP-Board. Ist der Veranstalter Straka sauer auf den Manager Straka?

Straka: Nein. Aber ich bin nicht erfreut. Das war ein außergewöhnliches Privatturnier, das einen eigenartigen Verlauf genommen hat. Die Spieler sind Djokovic zuliebe hingefahren. Er hat sie selbst dauernd angerufen. Das war außerhalb der Kontrolle von einem Manager, da geht es um Beziehungen und Freundschaften unter den Spielern. Ruft ein Roger Federer oder Rafael Nadal an, kommt man eben.

STANDARD: Es hat Djokovic angerufen. Er und einige seiner Familienmitglieder gelten als Verschwörungstheoretiker. Ist er als Spielervertreter tragbar?

Straka: Das müssen die Spieler selbst entscheiden, die wählen ihn.

STANDARD: Wackelt nun der Re-Start der Tour im August?

Straka: Nein, im Gegenteil. Die Amerikaner haben auf der Basis der jetzigen Situation die Turniere erlaubt, und die Lage in den USA ist ja dramatisch. Da hat sich nichts geändert. Die Spieler haben endlich verstanden, warum es diese strengen Vorschriften gibt. Insofern hat die Geschichte auch etwas Gutes.

STANDARD: Die österreichische Bundesregierung lässt ab September bis zu 5.000 Zuschauer in Hallen. Reicht das für Erste Bank Open im Oktober in der Wiener Stadthalle, oder gibt es ein Defizit?

Straka: Mit 50 Prozent Zuschauern, und das wären die 5.000 in der Stadthalle, ist es machbar. Es reicht natürlich nicht, wir müssen rote Zahlen schreiben. Wir wollen es der Öffentlichkeit nicht zumuten, ein Jahr zu pausieren. Unter 40 Prozent wäre es unmöglich.

STANDARD: Fürchten Sie, dass Thiems Reputation gelitten hat?

Straka: Er war nicht der Leithammel der Geschichte, es war alles andere als ideal. Keine Frage. Es ist aber passiert, er muss und wird daraus Lehren ziehen. Es war keine kriminelle Handlung. Die Eigenverantwortung hätte einen höheren Schutz gebieten müssen. Aber ich glaube nicht, dass er massiv verloren hat. Er spielt sehr gut Tennis. Hält er das aufrecht und kommen wieder die Erfolge, wird er als Vorbild gelten. (Christian Hackl, 25.6.2020)