Trump auf dem Weg zur Kirche. Auf dem Gebiet hatten sich kurz zuvor noch Demonstrierende aufgehalten. Was diese von ihm halten, ist im Bild auf der Wand hinter ihm zu lesen.

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Donald Trump nach seiner Rede im Garten des Weißen Hauses.

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Menschen protestierten am Montag vor dem Geschäft, wo George Floyd während seiner Festnahme mutmaßlich getötet wurde.

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Die Nationalgarde im Einsatz gegen Proteste in Los Angeles.

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Immer wieder kam es zu Solidarisierungen von Einsatzkräften mit den Protesten. Im Bild zu sehen ist Andrea Drost, Mitglied der Nationalgarde, die an einem Gebet der Demonstranten in Minnesota teilnimmt.

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Joe Biden bei seiner Ansprache in Philadelphia.

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In Paris kam es Dienstagabend zu Randalen.

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Menschen entzünden Kerzen in Minneapolis im Gedenken an George Floyd.

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Washington – In einer Ansprache in Philadelphia wandte sich Joe Biden, der demokratische Kandidat für die Präsidentschaftswahlen, direkt gegen Trump. Die Wahl im November nannte er einen "Kampf um die Seele dieser Nation". Von keinem Präsidenten lasse man sich den Mund verbieten, sagte Biden: "Wir werden nicht jene Rauchgranaten werfen lassen, die das als eine Gelegenheit sehen, um Chaos zu verbreiten, und uns von den wirklichen und legitimen Klagen im Herzen dieser Proteste ablenken lassen."

Die Wahl der US-Stadt für seine Rede dürfte der 77-jährige Präsidentschaftskandidat vor allem aufgrund des großen Anteils von Afroamerikanern an der Bevölkerung gewählt haben. 42 Prozent der Bewohner der Metropole sind schwarz. Im Bundesstaat Pennsylvania sind außerdem überproportional viele Schwarze unter den Covid-19-Opfern.

Die Rede von Joe Biden in Philadelphia.
CNBC Television

Kritik der EU und britischen Opposition

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat den Tod des Afroamerikaners George Floyd in der US-Großstadt Minneapolis durch einen gewaltsamen Polizeieinsatz scharf verurteilt. "Dies ist ein Machtmissbrauch, der angeprangert und bekämpft werden muss", sagte Borrell am Dienstag in Brüssel.

Er forderte eine Aufklärung angesichts von "exzessivem Einsatz von Gewalt" durch Sicherheitskräfte. Borrell fügte hinzu: "Hier in Europa sind wir, genau wie in den USA, schockiert und entsetzt vom Tod von George Floyd."

Die britische Labourpartei und andere Oppositionsparteien fordern von Premierminister Boris Johnson, dass die Waffen- und Schutzausrüstungslieferungen in die USA ausgesetzt werden. Das berichtet der Independent und zitiert aus einem ihm vorliegenden Brief der Internationalen Handelsministerin des Schattenkabinetts an ihren offiziellen Widerpart: Für das Vereinte Königreich wäre es eine "Schande", wenn es weiterhin amerikanische Sicherheitseinheiten "zu einer Zeit ausrüstet, wenn Donald Trump sich darauf vorbereitet, das Militär einzusetzen, um legitime Proteste in ganz Amerika niederzuschlagen".

Anzeige gegen Polizei

Eine Woche nach dem Vorfall bestätigte die offizielle Autopsie am Montag, dass der 46-Jährige durch von einem weißen Polizisten angewendete Gewalt ums Leben gekommen war. Der Beamte hatte Floyd bei dessen Festnahme fast neun Minuten lang mit seinem Knie auf dessen Nacken auf den Boden gedrückt, obwohl Floyd wiederholt sagte, er bekomme keine Luft mehr.

Der US-Bundesstaat Minnesota hat am Dienstag nun Anzeige gegen die Polizei in Minneapolis aufgrund möglicher Verstößer gegen Bürgerrechte eingereicht. Es soll ermittelt werden, ob die Einheit systematisch diskriminiert. Minnesotas Gouverneur Tim Walz und die Abteilung für Menschenrechte des Bundesstaats verkündeten die Anzeige und die Ermittlungen bei einer Pressekonferenz am Dienstagnachmittag.

Am Montagabend wurde unter anderem vor dem Trump Tower in Las Vegas gegen rassistische Polizeigewalt in den USA demonstriert.
DER STANDARD

Erste Rede von Trump

US-Präsident Donald Trump hat in der Nacht auf Dienstag nach den tagelangen Protesten gegen rassistische Polizeigewalt erstmals eine Ansprache zum Thema gehalten. Er zeigte dabei nur kurz Verständnis für die Anliegen der Demonstrierenden und sprach vor allem über jene, die in den vergangenen Tagen an gewaltsamen Ausschreitungen teilgenommen hatten. Diese bezeichnete er als Terroristen sowie "professionelle Anarchisten, gewalttätige Mobs, Brandstifter, Kriminelle". Auch die Antifa-Bewegung beschuldigte er, hinter der Gewalt zu stecken, legte hierfür aber keine Belege vor.

Zudem kündigte Trump an, womöglich "tausende Soldaten" im Inland gegen eigene Bürger einzusetzen. Dies würde er anordnen, sollten Gouverneure und Bürgermeister sich weigern, die Proteste durch den Einsatz der Nationalgarde einzudämmen. Damit werde er "das Problem schnell lösen". Es gelte nun, mit den Sicherheitskräften "die Straße zu dominieren" und eine "überwältigende Präsenz" zu zeigen. Ob Trump eine rechtliche Grundlage für so einen Einsatz hätte, gilt als umstritten.

Militär im Inland

Der "Insurrection Act" aus dem fernen Jahr 1807 war zur Bekämpfung von Aufständen ersonnen worden, um "zivile Unordnung" sowie "Aufstände" und "Rebellion" zu beenden. 1871, 2006 und 2007 erfuhr das Gesetz größere Novellierungen. Für Trump ist dieser Tatbestand bereits mit den seit nunmehr einer Woche anhaltenden Demonstrationen und Unruhen mehr als erfüllt. Doch formal gibt es noch einige Hürden zu überwinden. So hat der US-Präsident gemäß allgemeiner Einschätzung nicht das Pouvoir, den Militäreinsatz von sich aus zu verfügen; er muss vielmehr auf ein Ersuchen eines Bundesstaates warten. Das ist bisher nicht geschehen. Dem Verfassungsrechtler Stephen Vladeck von der Texas University in Austin zufolge gebe der Insurrection Act dem Präsidenten aber durchaus die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden, zitiert ihn CNN. Trump hatte schon angekündigt, sich notfalls "selber darum zu kümmern", meldeten die Agenturen am Montag.

In den knapp 200 Jahren seit Bestehen des Insurrection Act kam das Gesetz nur sehr unregelmäßig zur Anwendung – bisher 14-mal. Aber allein in den 60er-Jahren wurde es sechsmal aktiviert, stets im Zusammenhang mit Protesten von Afro-Amerikanern. Das bisher letzte Mal kam das Gesetz Anfang Mai 1992 im Zusammenhang mit den Ausschreitungen in Los Angeles zum Tragen, als vier Polizisten in einem Verfahren wegen übermäßiger Gewalt gegen den Afroamerikaner Rodney King freigesprochen wurden – obwohl es Videobeweise gab. Im Zuge der "LA Riots" kamen 63 Menschen ums Leben, fast 2.400 wurden verletzt und über 12.000 zumindest vorübergehend festgenommen.

Floyd nur kurz ein Thema

Auf George Floyd kam Trump bei seiner Ansprache nur kurz zu sprechen. Was diesem zugestoßen sei, empfinde er als "abstoßend", sagte er. Auf das Thema der systemisch-rassistischen Polizeigewalt ging er gar nicht ein. Auch sprach Trump die Tatsache nicht an, dass zahlreiche Staaten schon jetzt die Nationalgarde gegen Ausschreitungen einsetzen.

Trump, der sich in seinen Bemerkungen als "Ich, Ihr Präsident von Law and Order" vorstellte, betonte Härte gegen jene, die bei den Protesten Gewalt anwenden. Er sagte auch, ein solches Durchgreifen diene dazu, das Recht auf friedlichen Protest zu wahren. Während Trump dies sagte, ging die Polizei vor dem Weißen Haus mit Tränengas und Gummigeschoßen gegen Demonstranten vor, die sich dort zuvor friedlich versammelt hatten. Sie trieb diese noch vor Einsetzen der Ausgangssperre um 19 Uhr (1 Uhr MESZ) auseinander. Einen konkreten Grund dafür gab sie nicht an. Die Washington Post zitiert später einen Mitarbeiter im Justizministerium, wonach Justizminister William Barr offenbar persönlich den Einsatz angeordnet hat.

Offensichtlich sollte der Einsatz dem Präsidenten aber eine Fotogelegenheit ermöglichen: Trump ging nach seiner Rede zu Fuß vom Weißen Haus zur nahe gelegenen St.-John's-Kirche. Auf dem Gebiet hatten sich vor seiner Ansprache noch Demonstranten aufgehalten, im Keller der Kirche war am Vortag Feuer gelegt worden.

Vor der Kirche angekommen, machte Trump halt. Dort ließ er auch ein Pressefoto aufnehmen, auf dem er eine Bibel in die Höhe hält. Die für die Kirche zuständige Bischöfin Mariann Edgar Budde zeigte sich danach empört. Trumps Botschaft stehe "im Gegensatz zur Lehre Jesu. ... Wir folgen jemandem, der ein Leben der Gewaltlosigkeit und aufopfernder Liebe führte." Ihre Kirche distanziere sich daher von der aufhetzenden Sprache des Präsidenten. Die Demonstrierenden würden völlig zu Recht "ein Ende von 400 Jahren des systemischen Rassismus und der weißen Vorherrschaft in diesem Land" verlangen.

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Trump posierte mit einer Bibel vor der St.-John's-Kirche in Washington, wo kurz zuvor Demonstrierende mit Tränengas und Gummigeschoßen auseinandergetrieben worden waren.
Foto: AP / Patrick Samansky

Trump hatte Montagabend vor seiner Rede Gouverneuren in einer Telefonkonferenz geraten, Härte zu zeigen: "Sie müssen Menschen festnehmen, vor Gericht stellen, und diese müssen lange in Haft kommen", sagte er laut der "New York Times". Der Zeitung war eine Aufzeichnung des Gesprächs zugespielt worden. Trump bezeichnete in der Unterredung zudem Demonstranten als "Abschaum" und riet Gouverneuren, "nicht zu vorsichtig" zu sein. Die USA haben bereits jetzt die mit Abstand höchste Inhaftierungsrate der Welt. Rund 0,7 Prozent der US-Bevölkerung saßen im Jahr 2016 im Gefängnis, unverhältnismäßig oft trifft die Haft schwarze Amerikaner.

Gewalt bei Protesten

Seit Tagen demonstrieren in zahlreichen Städten tausende Menschen wegen der Tötung Floyds friedlich gegen rassistische Polizeigewalt. Daneben kommt es aber auch zu schweren Ausschreitungen, in ganzen Häuserzügen wurden Fassaden, Fenster und Gärten zerstört. In der Nacht auf Dienstag wurden in St. Louis/Missouri und Las Vegas/Nevada mehrere Polizisten angeschossen. Supermärkte und Läden wurden vielerorts geplündert und Autos in Brand gesteckt.

Weil es in New York auch am Montagabend zu Plünderungen kam, verlängerte Bürgermeister Bill de Blasio die nächtliche Ausgangssperre um drei Stunden. Am Dienstag beginnt diese schon um 20 Uhr (Ortszeit) und das soll die verbleibende Woche so bleiben. Doch de Blasio und die New Yorker Polizei hätten versagt, übte der Gouverneur des Bundesstaats, Andrew Cuomo, scharfe Kritik: "Das NYPD und der Bürgermeister haben vergangene Nacht ihren Job nicht gemacht", sagte er bei einem täglichen Pressebriefing und verwies auf die schweren Plünderungen: "Ich glaube, dass der Bürgermeister das Ausmaß des Problems unterschätzt."

Nationalgarde: Weniger Gewalt insgesamt

Auch gegen Menschen kam es zu Gewalt, es gibt Verletzte. Berichte über Todesopfer werden untersucht. Zum Ende der Ausschreitungen haben sowohl Vertreter der Protestbewegung als auch Gouverneure und Bürgermeister aufgerufen.

Der Chef der Nationalgarde, General Joseph Lengyel, sagte am Dienstag zu Journalisten, dass es am Montag zu weniger Gewaltausbrüchen gekommen war. Zwar bleibe die Anzahl und die Vehemenz der Proteste gleich oder steige, aber es würde zu weniger Übergriffen kommen. Angehörige der Nationalgarde wurden laut Lengyel nicht verletzt.

Gegen Demonstrierende und Medien

Zugleich gibt es im Zuge der Demonstrationen auch Berichte, Fotos und Videos, die Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten und gegen Journalisten dokumentieren. Darunter fällt der Einsatz von Gummigeschoßen, teils auch ins Gesicht, von Pfefferspray gegen bereits Festgenommene und von augenscheinlich grundlosem Arrest. Auch Menschen, die nur in der Nähe der Demonstrationen waren, wurden von Gummigeschoßen getroffen.

Sechs Polizeibeamten in Atlanta wird von der Anklagebehörde eine Serie an Verbrechen vorgeworfen, unter anderem schwere Körperverletzung, das illegale Zielen mit einem Taser und Beschädigung von fremdem Eigentum. Videoaufnahmen zeigen die Beamte wie sie Samstagnacht zwei Studenten in ihrem Auto anhielten, um die Sperrstunde durchzusetzen – sie feuerten mit Taser auf sie und zerrten sie aus dem Auto. Zwei der Polizisten wurden entlassen.

Auch eine zweite Autopsie hat ein Tötungsdelikt durch den Polizisten festgestellt. Eine Beauftragte der Staatsanwaltschaft hält fest, dass eine vorherige Beeinträchtigung Floyds durch ein Betäubungsmittel eine Rolle gespielt haben könnte, betont zugleich, dass seine Fixierung auf dem Boden ursächlich für seinen Tod war. Ein Anwalt der Familie Floyds weist auch den anderen Polizisten, die auf dem restlichen Körper gekniet waren, eine Mitschuld zu. "Neben dem Knie auf dem Hals war auch das Gewicht der beiden anderen Polizisten auf seinem Rücken verantwortlich für Georges Tod. Dadurch wurde der Blutfluss zum Gehirn verhindert und auch die Luftzufuhr in seine Lunge", sagte Antonio Romanucci. Floyd war vorgeworfen worden, mit einem gefälschten 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben.

Uno ruft zu Zurückhaltung auf

Jay Bob "JB" Pritzker, der demokratische Gouverneur von Illinois, reagierte als Erster der demokratischen Opposition auf Trumps Rede. Er nannte dessen Vorschläge "verrückt" und bezeichnete ihn als einen Rassisten. Sein Staat werde keine Hilfe des Militärs anfordern, ihre Anwendung wäre auch illegal, sagte er dem Sender CNN. "Das ist nicht die Art, wie wir uns in den USA verhalten. Unsere Sicherheitskräfte sind auf der Straße, um die Menschen zu schützen. Es ist nicht unser Geschäft – jedenfalls nicht hier in Chicago –, friedliche Proteste niederzuschlagen."

Ausschreitungen in Paris

In mehreren Metropolen weltweit kam es seit dem Wochenende zu Solidaritätskundgebungen. Für Dienstagabend war auch in Paris eine Demonstration angemeldet. Sie sollte vor allem an den Tod des 24-jährigen Adama Traoré erinnern, der 2016 in Polizeigewahrsam gestorben war. Die Kundgebung wurde offiziell untersagt. Das hinderte aber nicht 10.000 Menschen auf die Straße zu gehen. Polizeibeamte gingen gegen die Protestierenden vor. Es kam zu Ausschreitungen. (red, 2.6.2020)