Den einstigen Vizekanzler Heinz-Christian Strache beschäftigen weitere Vorwürfe

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Eigentlich wollten die Ermittler mehr zur Causa Ibiza erfahren, als sie eine Telefonüberwachung im Umfeld des einstigen FPÖ-Chefs beantragen. Doch immer wieder sprachen FPÖ-Mitarbeiter und Abgeordnete dort über einen gewissen Herrn Grubmüller. "Die Gschicht do mit da Privatklinik", wie einer der Abgehörten sagt, "bei den ganzen Besprechungen hat er darauf hingewiesen, der muss es bekommen und der muss das bekommen!" "Das wird noch ganz dramatisch werden", repliziert eine Gesprächsteilnehmerin. Auch eine Abgeordnete der FPÖ gerät in die Telefonüberwachung. Sie spricht laut Polizei davon, dass Grubmüller eine "Spende in der Höhe von 10.000 Euro" geleistet habe, und zwar "als Vorlage". Strache habe sich "mehrmals bei Besprechungen für die Klinik Währing verwendet".

Worum geht es? Walter Grubmüller ist ein Glücksritter mit einem imposanten Lebenslauf: Er war Rennfahrer, Geschäftsführer der Admiral Sportwetten und gründete dann eine Privatklinik, die Vienna International Medical Clinic in Währing. Im Interview mit der Zeit sagte er 2016, er habe seiner Tochter, die Medizin studiert hat, eine kleine Klinik schenken wollen. Mittlerweile hat er die Räumlichkeiten an einen Schönheitschirurgen verpachtet, der ebenfalls gute Beziehungen zu Strache pflegt.

Streit ums Geld

Grubmüller stritt jedenfalls jahrelang darum, Geld aus dem Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds (Prikraf) zu bekommen. Lange Zeit war dieser Kampf vergeblich. In der Zeit erklärte Grubmüller 2016, das läge daran, dass der Prikraf geschlossen sei, und die Wirtschaftskammer seine Aufnahme verhindere. Denn: Wenn eine neue Privatklinik Geld aus dem Prikraf erhalten, erhalten alle anderen weniger als bislang.

Auftritt Heinz-Christian Strache. Schon im Februar 2017 veranstaltet er gemeinsam mit Grubmüller eine Pressekonferenz zur angeblich unfairen Behandlung von dessen Privatklinik. Am 23.10.2017, also während der türkis-blauen Koalitionsverhandlungen, gratuliert Grubmüller dem damaligen FPÖ-Chef. "Der Gesundheitsminister-in wäre für mich sehr wichtig!", schreibt Grubmüller. "Wir kämpfen!!!", repliziert Strache eine Stunde später. Und fragt dann, wieder eine Stunde danach: "Welches Bundes-Gesetz wäre für dich wichtig, damit die Privatklinik endlich fair behandelt wird? Prikraf! Lg". Wieder 45 Minuten später: "Brauche genaue Gesetzesänderung, damit ihr zu Euren Genehmigungen kommt! Lg". Grubmüller schreibt zurück, dass er die Gesetzesänderung "morgen in der Parteizentrale" hinterlegt.

"Du weißt von nichts!"

So schnell geht die Prikraf-Reform allerdings nicht. Immer wieder kommunizieren Strache und Grubmüller in den Monaten danach miteinander. Sie vereinbaren Treffen, Grubmüller lädt den Vizekanzler zu einer Flugreise nach Korfu, später nach Ibiza ein und schlägt Bekannte als "ÖBB-Vorstand" vor. Im Sommer 2018 verdichten sich dann medial Gerüchte, dass die Prikraf-Reform kommen soll. "Du weißt von nichts! Hast aber seit Jahren Gespräche geführt", schreibt Strache, nachdem Grubmüller eine Anfrage vom ORF erhalten hat. Am 3. Oktober 2018 ist es dann soweit: Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) präsentiert ihre Gesundheitsreform, die Einsparungen bei Krankenkassen und Sozialversicherungsträgern, aber eine Erhöhung des Fonds für Privatkliniken vorsieht. Den 44 Privatkrankenhäusern, die Geld daraus erhalten, wird ein Name hinzugefügt: Grubmüllers VIMC.

Schon damals hagelt es Kritik: Die SPÖ spricht davon, dass Gesundheitspolitik "für die Reichen" gemacht werde. Die Neos sagen: "Eine Schönheitsklinik eines – laut Aussagen des Vizekanzlers – Freundes von Heinz-Christian Strache soll Geld aus dem Privatkrankenanstaltenfinanzierungsfonds PRIKRAF bekommen". Was die Oppositionsparteien ahnen, aber nicht wissen: Wie intensiv sich Strache persönlich im Hintergrund um Grubmüller kümmert. Etwa bei einem Wirtschaftskammer-Funktionär, der Manager eines Privatklinikenbetreibers ist, der wiederum an die ÖVP gespendet hat.

Mit ÖVP "abgestimmt"

Dieser bedankt sich bei Strache am 6. Juli "für die zwischen uns besprochene Lösung zur Aufnahme der Privatklinik Währing in den Prikraf und gleichzeitig teilweisen Abbau der deutlichen Benachteiligung der Prikraf-Spitäler im Vergleich zu den landesfondsfinanzierten Spitälern." Die Lösung sei "so wie zwischen uns vereinbart, mit Herrn Kanzleramtsminister Gernot Blümel und Herrn Finanzminister Hartwig Löger abgestimmt".

In der Causa werden als Beschuldigte Strache und Grubmüller geführt – es gilt die Unschuldsvermutung. Der STANDARD versuchte bereits im April, mehr über die Ermittlungen zu erfahren – doch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wollte nicht einmal die Existenz der Ermittlungen bestätigen. Auch Straches Anwalt Johann Pauer und Helmut Grubmüller, Anwalt und Bruder von Walter Grubmüller, zeigten sich damals überrascht. "Der Anwalt von HC Strache erfuhr nämlich erst durch Journalisten, dass ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde", bestätigt HC-Generalsekretär Christian Höbart in einer Aussendung.

Jetzt ist klar, dass die Ermittlungen, über deren Inhalte "Die Presse" am Wochenende berichtete, bereits weit fortgeschritten sind. So versuchten die Ermittler der Soko Tape bereits, die Piloten des Privatjets zu befragen, der das Ehepaar Strache auf Einladung von Grubmüller nach Ibiza gebracht hat. Außerdem versucht sie herauszufinden, ob Strache auch privat Geld erhalten habe. Der Wiener FPÖ-Obmann Dominik Nepp bestätigt der Presse derartige Gerüchte. Denn erst mit einer derartigen Gegenleistung an Strache wäre der Tatbestand der Korruption erfüllt.

Neuer Stoff für U-Ausschuss

Der ehemalige Vizekanzler und Grubmüller, die auch vom STANDARD mit den Vorwürfen konfrontiert wurden, weisen jedenfalls alle Vorwürfe von sich – der STANDARD betont, dass die Unschuldsvermutung gilt. Der Presse sagte Grubmüller, bereits seit den 1990er-Jahren mit Strache befreundet zu sein. Die Einladungen seien "freundschaftlich" gewesen, der Flug nach Ibiza sei von Strache bezahlt worden. Höbart spricht von einer "Hexenjagd": "Den kolportierten Flug 2018 nach Korfu gab es überhaupt nicht, da HC Strache 2018 nicht auf Korfu war. Und einen Flug von ihm und seiner Familie auf eine spanische Ferieninsel bezahlte sich HC Strache nachweislich selbst."

Die Causa soll nun jedenfalls auch im parlamentarischen Ibiza-Untersuchungsausschuss behandelt werden, vermutlich werden Ex-Gesundheitsministerin Hartinger-Klein und Grubmüller geladen werden. Die SPÖ forderte am Sonntag die sofortige Rücknahme der türkis-blauen Prikraf-Reform; die Grünen sprechen davon, dass "Gesetzesänderungen für Freunde Sittenbild eines alten politischen Systems" seien. (Fabian Schmid, 31.5.2020)