Schutzmasken, Gesundheitspass, Temperaturchecks und massiv längere Wartezeiten: Darauf könnten sich Flugpassagiere in Zukunft einstellen müssen.

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"Keimfreies" Fliegen, und wie es nach Simpliflying aussehen könnte.

Grafik: Simpliflying

Im Zuge der angekündigten Lockerungen im internationalen Reiseverkehr soll es im Juni wieder einen – fast – regulären Flugbetrieb geben. Heiß diskutiert wird momentan allerdings, wie das Fliegen "post corona" aussehen wird.

So hat die Airline-Beratungsfirma Simpliflying eine Prognose ausgearbeitet, inwiefern sich das künftige Fliegen vom bisher gewohnten unterscheiden könnte. In dem Dokument wurden ganze 70 Punkte definiert. So geht man etwa davon aus, dass es künftig einen Gesundheitspass geben wird, der beim Check-in, egal ob online oder vor Ort, vorgewiesen werden muss. Das Check-in-Personal, hinter Plexiglasschreiben sitzend, könnte allenfalls die Sitze manuell zuweisen – damit Distanzregeln eingehalten werden und dennoch etwa Familien beieinander sein können. Was den Check-in-Prozess deutlich verlangsamt.

Längere Wartezeiten

Sprich, man sollte genug Zeit einplanen: Simpliflying geht davon aus, dass man sich mindestens vier Stunden vor Abflug am Flughafen wird einfinden müssen. Dies, weil es dort noch – Gesundheitspass hin oder her – Gesundheitschecks zu absolvieren gilt. Es werde Maßnahmen geben wie Temperaturchecks (am Flughafen Wien bereits gang und gäbe) oder den Gang durch einen Desinfektionstunnel. Selbst Bluttests sind denkbar, wie etwa bereits bei Emirates Praxis. Zudem wird auch das Gepäck einen Desinfektionsprozess durchlaufen und als "keimfrei" deklariert werden müssen.

Auch der Security-Check soll nach Simpliflying Hygienerichtlinien folgen und erfordert daher mehr Zeit. Auch das Handgepäck müsse desinfiziert werden. Ob die Sicherheitskameras bei all den maskierten Menschen allerdings noch ihren Dienst tun, ist fraglich.

Abstand halten sei auch das oberste Gebot am Gate und beim Boarding: Es werden wohl nicht mehr alle Sitzplätze zur Verfügung stehen. Damit das Boarding tröpfchenweise erfolgen kann, könne man individuell über das Handy zum Boarding aufgerufen werden. In der Gangway gibt es daher keine Warteschlangen mehr, da man nach Aufruf unverzüglich boarden muss. Es kann sein, dass in der Gangway ein (weiterer) Desinfektionstunnel angebracht wird. Verpflegung gibt es möglicherweise nur noch aus kontaktlosen Verkaufsautomaten.

Masken an Bord

An Bord tragen Reisende wie Flugpersonal Masken (außer beim Essen) und möglicherweise auch Handschuhe. Zu den Sicherheitshinweisen vor Abflug gesellen sich Informationen zu hygienischen Maßnahmen. Das Essen wird vorgepackt und versiegelt serviert (in allen Klassen), und das Inflight-Entertainment verlagert sich noch stärker auf persönliche Geräte wie Tablet oder Mobile, damit man keine Touchscreens mehr anfassen muss. Bordmagazine sind wohl ein Ding der Vergangenheit, dafür gibt es einen neuen Job: einen Mitarbeiter, der regelmäßig die Kabine und insbesondere die Bordtoiletten reinigt und desinfiziert.

Auch bei der Ankunft wird man nochmals durch Thermalscanner geschleust – wer allenfalls während dem Flug krank geworden ist, kann immer noch in Quarantäne gesteckt werden. Und auch hier muss der Gesundheitspass vorgelegt werden. Für die Flugzeuge selbst wird es wohl nach jedem Flug eine gründliche Reinigung geben – was die Turnaround-Zeiten deutlich verlängern wird. So die Prognose bzw. die Empfehlungen von Simpliflying.

Globale Ausbreitung

Die Airlines wiederum sprachen sich derweil beispielsweise gegen das Freilassen des Mittelsitzes aus. Ihr Argument: Die Kapazität der Flugzeuge werde dadurch massiv reduziert, sodass nicht mehr wirtschaftlich geflogen werden könne, oder aber die Preise stark erhöht werden müssten – was sich wiederum negativ auf die Nachfrage auswirken würde. Des Weiteren argumentieren die Airlines, dass solch extreme Maßnahmen übertrieben sind: Zum einen, weil die rezirkulierte Luft im Flugzeug dank Hepa-Filtern ohnehin schon keimfrei sei, zum anderen, weil es bislang praktisch keinen Fall von Coronavirus-Übertragung innerhalb eines Flugzeugs gibt, und dies noch vor Umsetzung von Maßnahmen. Allerdings steht außer Frage, dass sich das Virus dank dem globalen Luftverkehr global ausbreiten konnte. Dennoch: Selbst wenn nur ein Teil der oben beschriebenen Maßnahmen umgesetzt wird: Die Zeit des unbeschwerten Fliegens ist vorerst vorbei.

In der Zwischenzeit hat die EU Leitlinien zu Flugreisen während der Corona-Pandemie vorgelegt. Passagiere und Bordpersonal seien aufgerufen, medizinische Schutzmasken zu tragen, teilten die EU-Behörde für Luftfahrtsicherheit (Easa) und die EU-Krankheitsbekämpfungsbehörde (ECDC) am Mittwochabend (27.5.2020) mit. Zudem müssten Abstandsregeln "im Rahmen des Möglichen" eingehalten werden.

Leitlinien der EU

Die EU wolle erreichen, dass sich Reisende auf ihren Flügen sicher fühlen, erklärte EU-Verkehrskommissarin Adina Valean. Der Luftverkehrsindustrie könne so geholfen werden, die Folgen der Pandemie in den Griff zu bekommen.

Sichere Hygieneregeln seien ein "entscheidender Faktor" für die Wiederaufnahme kommerzieller Flüge, sagte Easa-Chef Patrick Ky. Er rief die Fluggesellschaften und Flughäfen auf, die Empfehlungen der EU umzusetzen.

Konkret empfehlen die EU-Behörden allen Passagieren und der Crew, beim Betreten des Flughafens medizinische Schutzmasken anzuziehen und diese erst abzulegen, wenn sie ihr Reiseziel erreicht haben. Ausnahmeregeln seien für Kinder unter sechs Jahren denkbar. Die Masken sollen alle vier Stunden gewechselt werden. Die EU-Behörden riefen Reisende auf, genügend Masken mitzunehmen. Zugleich sollen die Fluggesellschaften einen ausreichenden Vorrat anlegen.

Kostensteigerungen

Um einen Abstand von 1,5 Metern zwischen den Fluggästen zu gewährleisten, soll nach dem Willen der EU möglichst ein Sitz pro Reihe oder jede zweite Reihe im Flugzeug freigelassen werden. Der Bordservice soll auf das Nötigste reduziert werden.

Die Internationale Luftverkehrsvereinigung (Iata) lehnt Vorgaben zur Einhaltung der sozialen Distanzierung an Bord allerdings ab. Sie warnte Anfang Mai vor "dramatischen Kostensteigerungen". Abstandsregelungen in Flugzeugen würden "die Wirtschaftlichkeit der Luftfahrt grundlegend verändern", erklärte die Iata. Die Folge seien deutlich teurere Flugtickets. (max, APA, AFP, 29.5.2020)