Alle Augen in der Welt der Wirtschaft und Politik waren am Mittwoch auf Ursula von der Leyen gerichtet. Die Präsidentin der EU-Kommission legte dem Europäischen Parlament ihren Wiederaufbauplan vor, der zur Gänze mit dem EU-Budgetrahmen bis 2027 verschmolzen wird. Das war nicht zuletzt deshalb so wichtig, weil es die EU-Abgeordneten sind, die in Sachen EU-Budgets das letzte Wort haben, was immer Regierungen auch ausdealen.

Nach all den Streitereien unter den Regierungschefs der EU-27 um Höhe und Art der Vergabe der Aufbaugelder für notleidende Staaten im Süden wartete man gespannt, welche Zahlen von der Leyen vorlegen werde. Ihre Antwort war simpel. Die Kommission will nicht nur die im deutsch-französischen Vorschlag genannten 500 Milliarden Euro an nicht rückzahlbaren Subventionen vergeben. Es werden noch einmal 250 Milliarden Euro für Aufbaukredite draufgelegt, wie das die "Sparsamen Vier" Österreich, Niederlande, Schweden, Dänemark verlangen. So finden sich beide wieder für einen Kompromiss ohne Gesichtsverlust.

Das Europäische Parlament in Brüssel,
Foto: EPA/OLIVIER HOSLET

Daneben ging die wichtigste Nachricht des Tages beinahe unter. Die kam von Christine Lagarde, Chefin der Europäischen Zentralbank. Sie habe keine Hoffnung mehr, dass der Absturz der Wirtschaft "milde" ausfallen werde, sagte sie vor Jugendlichen. Die EZB rechne damit, dass die Wirtschaftsleistung im EU-Schnitt um acht bis zwölf Prozent sinken werde – eine Katastrophe für Eurozone und Binnenmarkt. Weil der Abstand zwischen starken und schwachen Ländern noch größer wird, drohen die Sicherheitsnetze heuer zu reißen, wenn nicht sehr rasch sehr viel passiert.

Laut Lagarde sei daher "der Einsatz von Schulden nicht nur zu empfehlen, sondern der richtige Weg", weil die Zinsen bei null lägen. Das führt direkt zum EU-Wiederaufbauplan. Dieser ist gut, stark und vernünftig – in Wahrheit ein Absturzverhinderungsplan. Die Union könnte so wie die USA riesige Summen mobilisieren, weil einzelne Staaten das nicht vermögen. Und das Geld soll in die Zukunft, in Klimaschutz, Digitalisierung und Gesundheit, gepumpt werden. Vorteil: Die Finanzierung wird nicht allen EU-Staaten durch höhere Budgetbeiträge auferlegt, sondern soll von Klimasteuern und Solidarabgaben von Großkonzernen kommen.

Nun sind die Regierungschefs mit all ihren national-egoistischen Wünschen am Zug. Die sollten auch einmal länger mit Frau Lagarde telefonieren. Das könnte dem einen oder anderen auf die Sprünge helfen. Viel Zeit bleibt nicht. (Thomas Mayer, 27.5.2020)