Premierminister Viktor Orbán musste sich wegen der Notstandsgesetze Kritik aus ganz Europa anhören.

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Budapest/Brüssel – Die Abschaffung des umstrittenen ungarischen Corona-Notstandsgesetzes ist eingeleitet. In der Nacht auf Mittwoch reichte die rechtsnationale Alleinregierung von Premier Viktor Orbán den Gesetzesentwurf über die Rückgabe der Sonderbefugnisse im Parlament ein. Das meldete das Onlineportal index.hu. Statt des derzeitigen Notstands soll es in Zukunft auf Empfehlung des Landes-Amtsarztes möglich sein, einen "Gesundheitsnotstand" auszurufen.

Am kommenden Dienstag könnte das Parlament über das Auslaufen der Sonderbefugnisse des Regierungschefs abstimmen, erklärte Justizministerin Judit Varga per Facebook. Der Corona-Notstand könnte in Ungarn am 20. Juni enden. Durch das am 30. März verabschiedete Gesetz war es Orbán möglich, per Dekret zu regieren. Kritiker warfen dem Premier die Etablierung eines autoritären Regimes vor.

Mit dem Ende des Notstands würde sich zugleich die Frage stellen, welche am 11. März verabschiedeten und mit Ende des Notstands ihre Gültigkeit verlierenden Verordnungen auf Gesetzesniveau gehoben oder in ministeriellen Verordnungen bekräftigt werden, so Varga.

Einige Übergangsregeln geplant

Laut früheren Angaben des Staatssekretärs für Parlament und Strategie, Balázs Orbán, sollte es sich um zwei Gesetzesentwürfe handeln, die eingereicht würden. Zum einen um den Entwurf über die Beendigung des Corona-Notstandsgesetzes und die Abschaffung des Notstandes. Der andere Entwurf würde damit verbundene Übergangsregelungen beinhalten.

Zu den Übergangsregelungen zählte der Staatssekretär, der trotz Namensgleichheit nicht mit dem Premier verwandt ist, das Fortbestehen des Krisenstabes, der die Vorbereitung auf eine eventuelle zweite Epidemiewelle leiten solle. Weiters sollten bis 1. Juli Familienbeihilfen, kostenfreies Parken, Steuerermäßigungen bestehen bleiben. Das Moratorium für Kreditrückzahlungen gelte bis 31. Dezember. Die Ahndung der Verbreitung von "Falschnachrichten" könne nur im Falle der Sonderbefugnis angewandt werden. Während der Tatbestand bestehen bleibe, könne auf dessen Grundlage jedoch kein Verfahren eingeleitet werden. Während des Notstandes konnten "Falschnachrichten" mit hohen Gefängnisstrafen geahndet werden.

Auf den Notstand folgt der "Gesundheitsnotstand"

Laut einer Gesetzesvorlage soll es in Zukunft auch möglich sein, dass die Regierung auf Empfehlung des Landes-Amtsarztes einen sogenannten "Gesundheitsnotstand" ausruft. Nach dem Gesetzesentwurf etwa, wenn eine Epidemie von internationaler Tragweite drohe, wenn Menschenleben, die Gesundheit oder die medizinische Versorgung in Gefahr seien. Der Landes-Amtsarzt würde demnach die Situation laufend evaluieren. Falls die Voraussetzungen für den Gesundheitsnotstand nicht mehr bestünden, werde er die Rücknahme der Regierungsverordnung initiieren, wobei die Regierung laut Vorlage verpflichtet sei, dem zuzustimmen.

Dauern darf der "Gesundheitsnotstand" höchstens sechs Monate, außer die Bedingungen seiner Anordnung bestehen weiter. Darüber müsse die Regierung im Parlamentsausschuss für Gesundheitswesen Rechenschaft ablegen, eine parlamentarische Zustimmung ist aber nicht notwendig. Der Notstand kann über ganz Ungarn oder auch nur ein bestimmtes Gebiet verhängt werden. Mit der Maßnahme können unter anderem der Personen- und Warenverkehr und persönliche Kontakte eingeschränkt, Geschäfte und Institutionen geschlossen oder Veranstaltungen verboten werden. Ausgangssperren können demnach nicht verhängt werden.

Die Regierung erhält laut Text die Vollmacht, die Anwendung einzelner Gesetze auszusetzen, von gesetzlichen Verfügungen abzuweichen und sonstige außerordentliche Maßnahmen treffen zu können. (APA, 27.5.2020)