Auf dem Wahlvorschlag, der dem erweiterten grünen Bundesvorstands vorgelegt wurde, stand nur ein Name: Andrea Mayer.

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Nach dem Rücktritt von Ulrike Lunacek als Kulturstaatssekretärin am Freitag war die Liste ihrer potenziellen Nachfolgerinnen nicht gerade lang. Eine Frau musste es sein, wie es die grüne Geschlechterparität vorschreibt, Ahnung vom Metier sollte sie haben, weswegen fachfremde Personen ausschieden, und das vielleicht Wichtigste: Wollen sollte sie. Denn die Verantwortung zu übernehmen für die wegen unzureichender Finanzhilfe und schwieriger Wiedereröffnungsbedingungen erboste Kulturbranche gilt wohl aktuell nicht als der erstrebenswerteste Posten, den die Regierung zu vergeben hat.

Zu den übers Wochenende genannten Kandidatinnen gehörten als Museumsexpertinnen Johanna Rachinger, Generaldirektorin der Österreichischen Nationalbibliothek, sowie ihre Belvedere-Kollegin Stella Rollig. Als einstige Kultur- und Technologiesprecherin der Wiener Grünen fand weiters Marie Ringler Erwähnung, als parteiinterne Lösungen waren auch Grünen-Urgestein Terezija Stoisits, die Ex-EU-Abgeordnete Mercedes Echerer und Bildungssprecherin Sibylle Hamann im Gespräch.

Aber niemand schien so geeignet wie die von Anfang an als Favoritin gehandelte Mayer – keine Grüne wohlgemerkt. Ihr Name war es dann auch, der am Montagabend vom Vizekanzler und formalen Kulturminister Werner Kogler als einziger dem erweiterten Bundesvorstand der Grünen zur Abstimmung vorgelegt wurde. Das Signal an die Basis war damit klar: Die Alternativen sind endenwollend, die Personalie abzulehnen in der aktuellen Lage, in der die Grünen bei den Kulturschaffenden viel Kredit verspielt haben, wenig erstrebenswert. Das Gremium gab seine Zustimmung – mit 28 Jastimmen gegenüber einem ungültigen Votum, wie es am Abend hieß.

Karriere unter roten Ministern

Am Dienstag wird Mayer in einer Pressekonferenz von Kogler offiziell präsentiert und schon am Mittwoch angelobt – von ihrem bisherigen Chef, wenn man so will, denn Mayer wechselt als Leiterin der Präsidentschaftskanzlei von Bundespräsident Alexander Van der Bellen ins Staatssekretariat. Nicht ausgeschlossen also, dass der langjährige Grünen-Chef Van der Bellen in der heiklen Situation empfehlend vermittelte, Mayer soll sich aber auch offensiv selbst für das Amt angeboten haben.

Der Bundespräsident holte Mayer, die damals noch Ecker hieß, nunmehr aber ihren ledigen Namen trägt, 2017 in die Hofburg. Davor tat sie das, was sie für das neue Amt qualifiziert: Kulturbürokratie managen, Theorie in Praxis überführen.

Ihre Karriere machte die 1962 in Amstetten Geborene unter SPÖ-Kulturministern: 1993 heuerte die studierte Juristin, Germanistin und Historikerin bei Rudolf Scholten an, später wechselte sie ins Wissenschaftsministerium, wo sie für Innovation und Forschung verantwortlich war. 2007 holte Claudia Schmied sie als Chefin der Kunstsektion in ihr Team, 2015 stieg sie unter Josef Ostermayer zur Leiterin der damals frisch fusionierten Sektion Kunst und Kultur im Kanzleramtsministerium auf. Diese heute als Staatssekretariatsanhängsel im Vizekanzleramt ressortierende Kulturbürokratie kennt Mayer also noch bis ins kleinste Detail. Ebenso wie zahlreiche Aufsichtsgremien, in denen sie saß und sitzt, von den Salzburger Festspielen bis zum Belvedere.

Türkise und andere Glutnester

Dass die Angelegenheiten des Staatssekretariats neuerlich aus dem Ruder zu laufen drohen, wird nicht im Interesse der Grünen sein. Und doch wird die Aufgabe trotz mittlerweile angekündigter Corona-Lockerungen für die gesamte Branche nicht einfacher. Einen Vorgeschmack hat der Koalitionspartner ÖVP jüngst über die Bande gespielt. Als Johanna Mikl-Leitners Brief an Ulrike Lunacek mit deutlichen Forderungen medial aufgegriffen wurde, schrillten die Alarmglocken bereits überlaut.

Wenige Tage später entschied die Landeshauptfrau von Niederösterreich schließlich, dass das Grafenegger Klassikfestival ab Mitte August abgehalten wird. Sie pfiff damit auf den am Vortag von Lunacek für Ende der Woche angekündigten Stufenplan, unter welchen Bedingungen Veranstaltungen dieser Art in den nächsten Monaten überhaupt zulässig wären. Offiziell war das nur ein Nebenschauplatz, aber das Vorgehen untergrub die Autorität einer zuständigen Staatssekretärin endgültig.

Um solche Scharmützel zu vermeiden, bedarf es eines kundigen Überblicks und fokussierten Vorgehens. Denn im Kunst- und Kultursektor lauern derzeit unzählige Glutnester, die gelöscht werden müssen, bevor ein Flächenbrand irreparable Schäden anrichtet. Andrea Mayer wird vor allem gegenüber Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) entschieden auftreten müssen. Dass der Kultur, wie Branchenvertreter, SPÖ und Neos fordern, künftig ein eigenständiges Ministerium zugestanden wird, darauf gibt es derzeit keine Hinweise: Das Staatssekretariat bleibe, wie es ist, gab Werner Kogler zu verstehen. (Stefan Weiss, Olga Kronsteiner, 18.5.2020)