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Wir sollen regionale Produkte kaufen und lokale Produzenten unterstützen, sagt Bundeskanzler Sebastian Kurz. Die Corona-Krise zu nutzen, um protektionistische Schritte einzuleiten, wäre ein fatales Signal an den europäischen Wirtschaftsraum. Aber unterstellen wir dem Kanzler das Beste. Grundsätzlich hat er recht damit, dass es sinnvoll ist, lokale Wirtschaftskreisläufe zu stärken. Kürzere Transportwege sind gut für den Klimaschutz. Vergleicht man Produkte, die bei uns mit sehr hohen Konsumentenschutzstandards hergestellt werden, mit Importen aus Ländern mit weniger strengen Regeln, so sind lokale Produkte besser für unsere Gesundheit, auch weil lokale Erzeugnisse oft frischer sind.

Wenn ich das meiner Nachbarin auf dem Land erzähle, die mit ihrem Mann auf einem kleinen Hof Kälber züchtet, wird sie mich auslachen und zu schimpfen beginnen. Sie hat aufgrund von Billigimporten keine Chance auf dem Markt. Das Fleisch unseres Wiener Schnitzels kommt von anderswo her.

Tierschutz wird nicht überall ernst genommen

Und wir Konsumenten, wissen wir überhaupt, ob es sich um einen regionalen Produzenten handelt, den wir unterstützen sollen? Natürlich gibt es in der EU bestimmte Kennzeichnungspflichten für Produkte, die wir im Supermarkt kaufen. In dieser Hinsicht kommt Billa, Hofer, Spar und Co beinahe eine Vorreiterrolle zu. Aber nach Corona werden wir wieder in Bürokantinen essen, werden unsere Kinder im Kindergarten und in der Schule versorgt, werden wir Restaurants besuchen, und beim Bundesheer steht weiter Gulasch auf dem Speiseplan. Wir wissen oft nicht, woher die Zutaten des Essens stammen, das wir jetzt wieder außerhalb unserer vier Wände konsumieren werden.

Der Großteil des in Österreich konsumierten Kalbfleisches kommt aus dem Ausland, bei Geflügel ist es nicht viel anders. Unter den Auflagen für die Putenzucht kann kein Betrieb mit den Billigimporten aus Polen konkurrieren. Und uns muss klar sein: Tierschutz wird nicht überall so ernst genommen wie hierzulande.

Einen Schritt weiter

Wir brauchen also dringend eine transparente Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel – und vor allem Fleisch, das in der Gastronomie und Großküchen verarbeitet wird. Für das Tierwohl, für Österreichs Landwirtschaft und für unsere Gesundheit. Veränderung ist nie einfach, aber es kommt auf das Wie an. Nach der Rettung der Gastronomie wird es eine zweite Rettung brauchen, ein Nachhaltigkeitsprogramm mit Anreizen für qualitativ hochwertige, regionale Produkte, um aus der Preisdumpingspirale herauszukommen. Mehr Transparenz könnte ein Schritt sein, um die Ernährung der Österreicher regionaler, damit gesünder zu machen – und zugleich regionale Wertschöpfung zu fördern.

Der Staat könnte einen Schritt weiter gehen und zeigen, dass er seine Empfehlungen an die Konsumenten ernst meint. Öffentliche Einrichtungen mit Kantinen, Buffets oder Mensen sollten sich voll zu regionaler Herkunft beim Einkauf von Fleisch verpflichten. Klar kostet das Geld, aber es wäre eine zielgerichtete Form, Wirtschaftshilfe zu betreiben und regionale, tiergerechte und gesündere Ernährung zu fördern. Aufforderungen allein, Herr Bundeskanzler, sind zu wenig, damit Sie meine Nachbarin wieder ernst nimmt! (Philippe Narval, 17.5.2020)