Bundespräsident Van der Bellen ließ in seinem Interview Kritik an der Bundesregierung in Sachen Reisefreiehit durchklingen.

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Wien – Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat sich am Freitagabend in der "ZiB 2" deutlich für eine Rückkehr der europäischen Zusammenarbeit ausgesprochen. Österreichs Staatsoberhaupt ließ dabei auch sanfte Kritik an der Prioritätensetzung der österreichischen Regierung in Sachen Reisefreiheit anklingen. Man müsse sehen, dass es bei der Rückkehr zur Personenfreizügigkeit nicht nur um jene Länder gehen dürfe, von denen sich Österreich im Sommer Touristen erhoffe, sondern auch um europäische Solidarität.

65 Jahre nach der Unterzeichnung des Staatsvertrags sieht der Bundespräsident auch Lehren für die Bewältigung der Corona-Krise: Alexander Van der Bellen im Interview.
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Staaten wie Kroatien oder Griechenland seien von Tourismus sogar in einem noch größeren Maße abhängig als Österreich und auch: "Italien liegt ned irgendwo am Mond". Man müsse bedenken, dass Österreichs südlicher Nachbar der zweitgrößte Handelspartner der heimischen Wirtschaft sei, wer Italien hilft, helfe damit auch Österreich. Hier gelte es auch, auf Kritik einzugehen: "Auf europäischer Ebene haben wir schwerwiegende Koordinationsprobleme, vor allem am Anfang wurden viele Fehler gemacht." Nun müsse man mit- und füreinenander die Krise überwinden.

Isolation für Alte und Kinder nicht für die Dauer

Dazu, wie lange die Corona-Maßnahmen der Regierung durchzuhalten seien, wollte sich der Bundespräsident nicht konkret äußern. Aber: "Die Freiheit ist eine der wichtigsten Grundsätze einer liberalen Demokratie. Wir haben uns über Nacht darauf eingelassen sie zu beschränken, um das Virus in Griff zu bekommen, aber wir dürfen nicht vergessen, wie wichtig die Freiheit ist." Man müsse auch die Gefahr der Isolation vor allem, aber nicht nur, alter Menschen und des fehlenden Kontakts von Kindern mit Gleichaltrigen mitdenken. "Das kann man nicht auf Dauer aufrechterhalten. Soll man auch nicht."

Posthumes Lob gab es von Van der Bellen hingegen für den Vertreter einer früheren Regierung, dessen Verhandlungsgeschick eigentlicher Grund für die Einladung des Präsidenten in die ZiB2 war: Ex-Kanzler und Staatsvertrags-Außenminister Leopold Figl, der am 15. Mai 1955 Österreichs Staatsvertrag mitunterzeichnete. "Wenn wir unsere Geschichte, auch wenn wir sie nicht selbst erlebt haben, nicht im Kopf haben, finde ich das problematisch. Der Staatsvertrag hat dazu geführt, dass die Besatzungsmächte abgezogen sind. Das war eine großartige Leistung von Figl", so Van der Bellen.

Touristen kommen nicht nur für Stephansdom

Dass Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wieder auf die politische Bühne zurückkehrt, wollte Van der Bellen nicht weiter kommentieren. Das sei dessen Entscheidung. Er erinnerte an den Ibiza-Skandal des Vorjahres und zeigte sich nach wie vor überzeugt, dass die Nacht in der Finca als Grund für den Rücktritt Straches "durchaus gereicht" hat. Man habe das Video ja sehen und hören können, und die Leute wüssten auch, was darauf zu verfolgen gewesen sei. "Das war ja nicht irgendwas."

Zur Kritik von Kulturschaffenden an der Regierung betonte Van der Bellen: "Kunst und Kultur, und das ist mir wichtig, haben einen Wert an sich". Dies müsse man in der aktuellen Situation sich auch vor Augen halten. Die Leute "kommen ja nicht nur nach Wien, um sich den Stephansdom anzuschauen", sondern auch, weil es in Österreich auch Güter wie eine reiche Kultur gebe. Daher – und darüber hinaus – dürfte man auch die wirtschaftliche Bedeutung der Kultur nicht vergessen. (mesc, 15.5.2020)