Der Ausbruch des Coronavirus sorgt nicht nur für massive Beeinträchtigungen des täglichen Lebens, sondern bietet auch Nährboden für Stimmungsmache und Verschwörungstheorien. Während manche das Virus als Folge der 5G-Funktechnologie sehen, sehen andere in der Pandemie ein geopolitisches Machtspiel.
So auch der Wiener Zahnarzt F. (Name der Redaktion bekannt). Er betreibt ein Portal, das er auch über die Website seiner Praxis bewirbt. Es soll laut Beschreibung einen "Datencheck" zum Coronavirus liefern. Dort werden neben eigenen Videos auch Clips aus anderer Quelle geteilt, oft von Verschwörungsportalen wie KenFM. Mitunter werden auch fremde Filme über das Peer2Peer-Netzwerk IPFS verfügbar gemacht.
Oft geht es dabei um Inhalte, denen bei Youtube die Entfernung droht oder die bereits entfernt wurden, seit die Plattform explizit Falschinformationen zu Sars-CoV-2 und der Covid-19-Erkrankung verbietet.
Grippe, WHO und Bill Gates
In einem eigenen Beitrag stellt F. wiederum infrage, dass es sich bei Sars-CoV-2 um ein Virus handle. Zudem kritisiert er, dass seitens des Dachverbands der Sozialversicherungen die Grippesaison per Anfang April als beendet angesehen wird, und stellt dabei einen nicht nachvollziehbaren Zusammenhang zum Coronavirus her.
Allgemein wird die Existenz der Pandemie mit faktenfreien Behauptungen in Abrede gestellt. "Was wird wohl das nächste Virus sein (...) das uns auslöschen wird? Schwierig zu sagen, denn die Erfinder dieser Seuchen, die WHO — die Bill Gates gehört – gibt sich alle Mühe, uns immer wieder mit Killerviren zu erschrecken", heißt es auf der Seite weiter. Immer wieder veranstaltet F. Fragerunden per Livestream. Die dazugehörige Facebook-Gruppe hat bereits über 5.400 Mitglieder.
Die Einschränkungen für Wirtschaft und Bewegungsfreiheit betrachtet er als Maßnahme, um "das Volk an die Wand [zu spielen]". Die Beiträge enden stets mit der Textpassage "Einst glaubten wir, es gibt Menschen mit blauem Blut, und wir glaubten, ihnen Burgen und Schlösser bauen zu müssen (...). Was, wenn wir eine Welt schaffen ohne Regierungen, ohne Eliten, ohne jemanden, der uns nur ausnützt!"
"Seltsame Sammlung von Verschwörungstheorien"
Wenig abgewinnen kann man dem Auftritt beim Cochrane-Zentrum am Department für Evidenzbasierte Medizin und Evaluation der Donau-Uni Krems, das auch die Faktencheck-Seite Medizin transparent betreibt.
"Die Webseite ist eine seltsame Sammlung von Verschwörungstheorien und Leugnung von Fakten über Covid-19", sagt dessen Direktor Gerald Gartlehner. Nachsatz: "In einem Land wie Österreich, mit etwa 14.000 positiv getesteten Personen bei 8,9 Millionen Einwohnern, sind natürlich die meisten von uns mehr mit den Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 konfrontiert als mit der Erkrankung selbst. Aber das bedeutet deswegen nicht, dass die Covid-19-Pandemie nur inszeniert ist."
"Rede ja nicht über meine Meinung"
Auf eine schriftliche Anfrage des STANDARD gibt sich F. ausweichend. Auf Fragen zu seiner Einschätzung der Regierungsmaßnahmen und den auf seiner Seite behaupteten geopolitischen Zusammenhängen erklärt er, dass seine Meinung eigentlich "unwichtig" sei. Es gehe viel mehr um die Daten, der auf seiner Seite publiziere.
Auch auf die Nachfrage, welchen Schluss er aus diesen Daten ziehe, blieb eine konkrete Antwort aus. Im ersten von zahlreichen verlinkten Videos über geopolitische Aspekte seien aber "viele Muster erkennbar". In dem Clip spricht der Zahnarzt selbst über mutmaßliche Zusammenhänge zwischen Coronavirus-Todesfällen in Italien, Bill Gates und Impfungen.
In Konflikt mit Behörden oder der Zahnärztekammer steht er nach eigenen Angaben nicht. "Ich rede ja nicht über meine Meinung. Ist das Publizieren von Inhalten in einer Demokratie nicht erlaubt?", heißt es in einer Gegenfrage – inklusive Verweis auf ein Video des Verschwörungstheoretikers Udo Ulfkotte.
Als "Staatsverweigerer" oder dieser Bewegung nahestehend sieht sich F. nicht. Zufrieden ist er mit dem aktuellen System aber offenkundig nicht. "Ein paar wenige leben gut auf Kosten vieler. Wir nannten die wenigen einst Clanführer, Gurus, Monarchen, Diktatoren, Politiker. Jetzt haben wir eine repräsentative Demokratie, und das Volk leidet. Denken wir weiter in Mustern: Da Politik noch nie das Ende einer Hochkultur hat abwenden können, macht es Sinn, in Politik zu vertrauen?"
Zahnärztekammer prüft Sachverhalt
Weitere Nachfragen wollte F. nicht beantworten. Denn, so sagt er, "die heutigen Medien sind nicht an Erkenntnissen interessiert", es gehe nur um "Seilschaften, um Denunzierungen" und darum, "Kritiker mundtot zu machen".
Nachdem F. bereits aufgrund eines Werbesujets ohne Coronavirus-Zusammenhang mit der Zahnärztekammer aneinandergeraten war, könnte ihm von dort nun neuer Ärger ins Haus stehen. Denn dort heißt es auf STANDARD-Anfrage, wie man zu den Aktivitäten des eigenen Mitglieds steht: "Wir sind über den Sachverhalt bereits informiert und prüfen ihn derzeit entsprechend den gebotenen rechtlichen Möglichkeiten." (gpi, 17.4.2020)