Ein Rotschnabel-Madenhacker schlägt unüberhörbar Alarm – direkt am Ohr des Nashorns.
Foto: Jed Bird

Melbourne – Madenhacker, eine ausschließlich in Afrika vorkommende Gattung von Singvögeln, sind für Liebhaber von Naturdokumentationen ein vertrauter Anblick: Es handelt sich dabei um jene Vögel mit leuchtend rotem oder gelbem Schnabel, die gruppenweise auf dem Rücken großer Säugetiere sitzen und sich von diesen durch die Gegend tragen lassen. Sie ernähren sich von Insekten, Zecken und anderen wirbellosen Tieren, und die finden sie bevorzugt am Körper von Riesen wie Giraffen, Nashörnern oder Büffeln.

Sie befreien ihre wandelnden Flugzeugträger aber nicht nur von Parasiten, sie üben noch eine zweite Funktion aus: Die scharfäugigen Vögel schlagen Alarm, wenn Gefahr droht. Nicht umsonst heißt der Rotschnabel-Madenhacker (Buphagus erythrorhynchus) auf Kisuaheli "Askari wa Kifaru", was so viel wie "Wächter des Nashorns" heißt.

Vorgetäuschte Wilderei

Wie effektiv diese lebende Alarmanlage ist, haben nun Forscher der australischen Victoria University untersucht. Sie fokussierten dabei auf den Nutzen, den der Rotschnabel-Madenhacker dem Spitzmaulnashorn (Diceros bicornis) bringt. Das zweitgrößte Nashorn der Welt war in Afrika einst weit verbreitet, wurde aber durch die Großwildjagd an den Rand der Ausrottung gebracht. Laut Weltnaturschutzunion (IUCN) gibt es heute nur noch rund 5.630 Tiere – das ist sogar eine leichte Verbesserung gegenüber vergangenen Jahren. Dennoch gilt die Spezies weiterhin als vom Aussterben bedroht. Und es ist die Wilderei, die ihr zusetzt.

Für ihre in "Current Biology" veröffentlichte Studie beobachteten die Forscher um Roan Plotz in Südafrika Nashorn-Gruppen mit und ohne gefiederte Passagiere. Dann schlichen sie sich nach Jäger-Art gegen den Wind an und warteten ab, wann der Alarm losgehen würde. Das Ergebnis: Waren Madenhacker anwesend, flogen die vermeintlichen Wilderer in 100 Prozent der Fälle auf. Nashörner ohne Madenhacker entdeckten die Menschen nur in 23 Prozent der Fälle. Aus der richtigen Richtung könne man bis auf etwa fünf Meter an ein Nashorn herankommen, berichtet Plotz – mehr als ausreichend für einen Wilderer.

Geborgte Sinne

Nashörner galten lange Zeit als extrem kurzsichtig. Erst im vergangenen Jahrzehnt korrigierten Forscher der Universität Cambridge dieses Bild und kamen zum Ergebnis, dass das Sehvermögen der gehörnten Riesen nicht so unterdurchschnittlich ist wie gedacht. Adleraugen sind sie aber keinesfalls – sie verlassen sich eher auf ihre beweglichen Ohren und ihre Nase. Letztere hilft ihnen allerdings nicht, wenn der Wind aus der falschen Richtung weht.

Doch hier kommen die Madenhacker ins Spiel. Die Forscher stellten fest, dass sich fast immer der gleiche Ablauf abspielt: Sobald die Vögel ihre Alarmrufe ausstoßen, dreht sich das Nashorn zur windabgewandten Seite, um mit den Augen auszugleichen, dass seine Nase in diese Richtung "blind" ist. Nun kann es sein gesamtes Umfeld erfassen und ist damit gegen Gefahren gewappnet. Im Schnitt entdeckten Nashörner mit Vogel-Security Menschen auf eine Distanz von 61 Metern, berichten die Forscher – fast viermal so weit wie Nashörner, die sich allein auf ihre eigenen Sinne verlassen mussten.

Zwei Spitzmaulnashornweibchen wurden von "ihren" Madenhackern gewarnt und haben sich sofort zur windabgewandten Seite gedreht, aus der zumeist die Gefahr kommt.
Foto: Jed Bird

Das Team um Plotz spekuliert, ob sich dieses enge Zusammenspiel zwischen Madenhacker und Nashorn erst in – evolutionär betrachtet – jüngster Vergangenheit entwickelt haben könnte. Immerhin waren die gut bewaffneten und mit einer dicken Haut "gepanzerten" Kolosse vor dem Auftauchen des Menschen weitgehend unangreifbar. Es wäre jedenfalls eine evolutionäre Errungenschaft der Vögel: nämlich eine, mit der sie sicherstellen, dass ihren Nahrungslieferanten nichts zustößt.

Ein Problem ist allerdings, dass die Madenhacker-Bestände in manchen Regionen stark zurückgehen und immer mehr Nashörner dadurch ohne Alarmanlage durchs Leben trotten müssen. Um den Schutz der Nashörner gegen Wilderer zu forcieren, wäre es daher laut den Forschern eine lohnende Maßnahme, die Vögel dort, wo sie bereits verschwunden sind, wieder anzusiedeln. (jdo, 9.4.2020)