Durch die Indexierung der Familienbeihilfe wird auch beim Kinderbonus nicht jedes Kind gleich behandelt.

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Vor der Regierungsklausur im Juni preschte der grüne Vizekanzler Werner Kogler im STANDARD-Interview mit einer aufsehenerregenden Ankündigung vor: Die Regierung werde zur Entlastung aller Familien im strapaziösen Corona-Jahr 2020 einen Extra-Kinderbonus auszahlen. Das Besondere daran laut Kogler: "Der Bonus soll 360 Euro betragen und, anders als unter Türkis-Blau, für jedes Kind gleich hoch sein." Auch Familienministerin Christine Aschbacher (ÖVP) pries beim Beschluss der Maßnahme im Juli an, dass "all jene, die Familienbeihilfe in Anspruch nehmen, mit 360 Euro pro Kind" zusätzlich finanziell unterstützt würden. Doch stimmen diese egalitären türkis-grünen Botschaften mit der Realität überein?

Was heißt gleich?

Auf den ersten Blick fällt tatsächlich auf, dass beim Kinderbonus in mancher Hinsicht mehr Gleichbehandlung herrscht als bei den familienpolitischen Prestigeprojekten der Kurz-Strache-Regierung. Beispiel Familienbonus: Diesen Steuerabsetzbetrag können nur Eltern der Mittel- und Oberschicht ausschöpfen; wer hingegen zu wenig verdient, um überhaupt Einkommensteuer zu zahlen, bekommt für seine Kinder auf diese Weise nichts dazu. Auch bei der Reform der Mindestsicherung war eine Ungleichbehandlung von Kindern vorgesehen: Ab dem dritten Kind sollte es weit weniger Geld geben als fürs erste – diese türkis-blaue Regelung wurde allerdings vom Verfassungsgerichtshof gekippt. Bei der normalen Familienbeihilfe wiederum steigen die Summen mit dem Alter des Kindes. Doch wiewohl der Corona-Kinderbonus weder vom Alter noch von der Kinderzahl oder dem Einkommen abhängt, sind die Ansagen der Regierung falsch.

Ausgezahlt wird der Kinderbonus nämlich im September automatisch mit der Familienbeihilfe. Dafür musste bloß ein Absatz im Familienlastenausgleichsgesetz hinzugefügt werden. Allerdings hat die türkis-blaue Regierung die Familienbeihilfe mit Anfang 2019 "indexiert", wie es so schön technokratisch heißt. Im Klartext: Die Höhe der Auszahlung hängt von den statistischen Lebenshaltungskosten jenes EU-Landes ab, in dem das Kind lebt. Vorrangiges Ziel der Indexierung war es, bei osteuropäischen Beschäftigten zu kürzen, die zwar in Österreich arbeiten, deren Kinder aber in ihrem Heimatland aufwachsen, wo das Preisniveau niedriger ist als hierzulande. Besonders hart trifft das etwa rumänische und slowakische 24-Stunden-Betreuerinnen, die seit der Indexierung mit deutlich weniger Familienbeihilfe auskommen müssen. Auch deren unverzichtbares Engagement während des Lockdowns hat daran nichts geändert.

Neuer Bonus nach altem Prinzip

Jetzt bekommen dieselben Familien dieselbe Ungleichbehandlung durch den Corona- Kinderbonus noch einmal zu spüren, denn auch dieser fällt unter die Indexierung. Einer Arbeitnehmerin, deren Kinder in Rumänien leben, werden demnach pro Kind statt 360 nur 177 Euro überwiesen. Für ein slowakisches Kind gibt es 230 Euro. Hingegen erhält man für ein Kind, das in Irland aufwächst, sogar 60 Euro mehr als in Österreich. Ersonnen wurde der Kinderbonus ausgerechnet von den Grünen, die – weiland in außerparlamentarischer Opposition – vehement gegen die Indexierung der Familienbeihilfe aufgetreten waren. "Schwarze Stunde für Österreich" und "nationalistischer Angriff auf unsere Rechtsstaatlichkeit" sind nur einige Zitate, die man im Archiv findet.

Wahrscheinlich gegen EU-Recht

Auch die aktuelle grüne Familiensprecherin Barbara Neßler kennt die ungleichen Konsequenzen der Indexierung – und spart nicht mit Kritik daran. "Ich halte es für absurd und ethisch nicht vertretbar, gerade jene Personen finanziell zu beschneiden, die ohnehin schon viel zu geringe Löhne erhalten", sagt sie zum STANDARD. Ihrer Partei sei es aber wichtig gewesen, dass diese Familien überhaupt einen weiteren Zuschuss erhalten. Die Kopplung an die Familienbeihilfe ermögliche eine direkte und unkomplizierte Auszahlung an die Eltern, so Neßler. Der Sozialrechtsexperte Walter Pfeil kann in dieser Kopplung allerdings kein Argument für die Indexierung der neuen Leistung erkennen: "Man hätte, wenn man das gewollt hätte, auch problemlos ins Gesetz schreiben können, dass der Kinderbonus nicht zu indexieren ist." Aus dem Familienministerium wurde auf Anfrage bloß mitgeteilt, die Anpassung an das Preisniveau sei momentan eben geltende Rechtslage.

Neßler hofft indes, dass die Indexierung des Kinderbonus durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aufgehoben wird. Dort läuft im Fall der ungleichen Familienbeihilfe bereits ein Verfahren gegen Österreich. Europarechtler gehen davon aus, dass die türkis-blaue Reform vor dem EuGH nicht halten wird, es drohen erhebliche Strafzahlungen. Was würde das für den eben erst beschlossenen Kinderbonus bedeuten? "Sofern der EuGH die Indexierung der Familienbeihilfe als unzulässig ansieht, würde das ebenso für den Kinderbonus gelten. Auch dass es sich um eine Einmalzahlung handelt, dürfte an der Rechtswidrigkeit nichts ändern", erklärt Jurist Pfeil von der Uni Salzburg.

Mit weniger Geld in der Krise

Doch selbst wenn der EuGH die Indexierung letztendlich als rechtswidrig einstufte, bekämen die benachteiligten Familien das Geld wohl nicht automatisch nachgezahlt, sondern müssten das extra beantragen, sagt Pfeil. Der vermeintlich unkomplizierte Kinderbonus könnte für viele Empfänger also ein bürokratisches Nachspiel haben, wenn sie es sich denn antun wollen. Fürs Erste müssen zehntausende Eltern und Kinder inmitten der Wirtschaftskrise jedenfalls mit einem geringeren Bonus zurande kommen, als er ihnen von der Regierung versprochen wurde. (Theo Anders, 5.8.2020)