Die außerordentliche Machtfülle, die sich Ungarn Premier Viktor Orbán für die Corona-Krise erteilen ließ, geht vielen zu weit – auch EU-Kommissar Johannes Hahn.
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Budapest/Brüssel – EU-Budgetkommissar Johannes Hahn hat kein Verständnis für das Corona-Notstandsgesetz in Ungarn, mit dem sich der rechtsnationale Premierminister Viktor Orbán eine besonders große Machtfülle gesichert hat. Der ÖVP-Politiker Hahn, auch Vizepräsident der Europäischen Volkspartei, sagte im Ö1-"Frühjournal" am Dienstag, dass er wegen dieser Entwicklung in großer Sorge sei.

"Der Umstand, dass wir 14 Staaten haben, die mit Notstandsgesetzgebung arbeiten, davon 13 unter voller parlamentarischer Kontrolle, sehr oft mit Regierungen, die gar keine Mehrheit normalerweise im Parlament haben, zeigt, dass das sehr wohl möglich ist. Und umso weniger habe ich ehrlich gesagt Verständnis und eine Erklärung dafür, warum Viktor Orbán diesen Weg wählt, zumal ja seine Regierung als einzige in Europa sich auf eine Zweidrittelmehrheit im ungarischen Parlament berufen kann", erklärte Hahn. "Also zu sagen, das Parlament behindert mich in der Geschwindigkeit, Dinge zu entscheiden, das gilt wohl nicht, und daher ist es mit großer Besorgnis zu registrieren", betonte der 62-Jährige.

Regieren per Dekret

Das Notstandsgesetz erlaubt Orbán, unbegrenzt per Dekret zu regieren. Er kann den wegen der Pandemie geltenden Notstand ohne Zustimmung des Parlaments beliebig verlängern. Das Notstandsgesetz sieht auch Haftstrafen von bis zu fünf Jahren für die Verbreitung falscher Berichte sowohl über die Pandemie als auch über das Handeln der Regierung vor.

Bezüglich möglicher Sanktionen der EU meinte Hahn: "Jetzt brauchen wir zunächst einmal die Analyse am Tisch des Hauses. Wenn die Analyse zeigt, dass hier Maßnahmen notwendig sind, dann werden sie auch ergriffen." (APA, 7.4.2020)